Spiezer stets besser
11.09.2018 Adelboden, GesellschaftWinzerin Ursula Irion investiert Ehrgeiz, Können und Herzblut in die Weine der Rebbaugenossenschaft Spiez. Wie das geht und welche Herausforderungen die Zukunft im Weinbau bringt, erzählte sie als «Berner Oberländerin im Gespräch» im Hotel Bellevue.
TONI KOLLER
Winzerin Ursula Irion investiert Ehrgeiz, Können und Herzblut in die Weine der Rebbaugenossenschaft Spiez. Wie das geht und welche Herausforderungen die Zukunft im Weinbau bringt, erzählte sie als «Berner Oberländerin im Gespräch» im Hotel Bellevue.
TONI KOLLER
Zwei Berner Oberländer sitzen an den Champs-Élysées in Paris zum Apéro und bestellen «un demi de Spiezer». Der Kellner ist ratlos und lässt sich von seinem Chef instruieren: «Ganz einfach: Du nimmst eine Kanne Wasser, gibst ein bisschen Zucker und einen grossen Schluck Essig dazu – fertig ist der Spiezer.» Als die beiden das Getränk probieren, sagt der eine: «I has doch gwüsst: Der Bescht gäbe si i Export!» Moderator Stefan Keller konnte es sich nicht verkneifen, Ursula Irion mit diesem als Witz verkleideten Vorurteil zu konfrontieren. Sie lächelte nur. Denn schliesslich hat es sich längst herumgesprochen: Spätestens seit die studierte Kulturgeografin im Schloss Spiez für Weinberg und Kelterung zuständig ist, hat der «Spiezer» gewaltige Qualitätssprünge gemacht. Davon konnten sich die Gäste des Talks gleich selber überzeugen: Ein halbes Dutzend der verschiedenen Spiezer Weine hatte die Kellermeisterin zur Degustation mitgebracht – von der traditionellen Hauptsorte Riesling-Silvaner über den klassischen Pinot Noir bis zum Elbling. Diese althergebrachte, einheimische weisse Traubensorte ist eine Rarität mit ortstypischem Charakter: «Knackig, frisch, trocken, kantig, gradlinig – genauso wie die Menschen hier im Berner Oberland», sagt Irion.
Herausfordernder Klimawandel
Es war im Hitzejahr 2003, als Ursula Irion ihre Arbeit für die Rebbaugenossenschaft Spiez begann. Zunächst als Praktikantin, die von Betriebsleiter Klaus Schilling «bald viel Freiraum für die eigenen Ideen erhielt», wie sie rühmt. Seit 2013 ist sie nun selber Betriebsleiterin, verantwortlich für über elf Hektaren Rebberge und die Weinproduktion im Keller. «Auch wenn wir vergleichsweise viel Niederschlag kriegen, eignet sich Spiez dank dem nahen See und dem Föhn bestens für den Weinbau», sagt die ausgebildete Winzermeisterin. Allerdings ist auch Spiez dem immer wärmeren Klima ausgesetzt – und Irion hat sich zum Ziel gesetzt, die Weinberge auf Bioproduktion umzustellen. Beides führt sie dazu, vermehrt auf pilzresistente Reben (sogenannte Piwi-Sorten) zu setzen, die weniger oder gar keine Fungizide benötigen. Einige dieser neu gezüchteten Sorten – etwa der Cabernet Jura – stehen in Spiez bereits im Ertrag – mit gutem Erfolg, wie es die Degustation auch den Skeptikern bewiesen hat. Aber Ursula Irion weiss: Es wird noch einiger Anstrengungen bedürfen, um ein Pinot-Noir- und Riesling-Sylvaner-gewöhntes Publikum restlos von diesen neuen Weinen zu überzeugen.
Grosse Pläne für den Spiezer
Diese Aufgabe nimmt die begeisterte Weinmacherin gerne auf sich. Sie liebt die Vielseitigkeit ihres Jobs, der sich nicht auf Rebbau und Önologie beschränkt: Von der Agrarpolitik bis zur Bedeutung der Reblandschaft für den Spiezer Tourismus reicht das Spektrum ihres Interesses. Lauter Dinge, die langfristiges Denken erfordern. Solches Engagement prägt die Kellermeisterin. Sie wird ihre Energie brauchen können, denn neben den Umwälzungen im Weinberg steht der Spiezer Rebbaugenossenschaft ein weiteres Grossprojekt bevor: Die Kellerei im Schloss entspricht nicht mehr den Anforderungen, man ist auf der Suche nach einem neuen Standort für die Weinproduktion. Mit anderen Worten: Der «Spiezer» hat Zukunft!