Knapp zwei Jahre nach der Rüge vom Regierungsstatthalteramt kann die Gemeinde aufatmen: Die «Gebühren-Affäre» ist vom Tisch, die aufsichtsrechtliche Untersuchung offiziell abgeschlossen.

BIANCA HÜSING
Das Jahr 2017 begann mit einem kleinen Schock für Frutigen. Der damalige Regierungsstatthalter Christian Rubin hatte im Rahmen seiner regelmässigen Gemeindeüberprüfung festgestellt, dass zwischen den Jahren 1985 und 2014 Gebühren nicht oder nur mangelhaft erhoben wurden. Beim Bau neuer Abwasserleitungen hatte die Gemeinde teilweise versäumt, Anschlussgebühren von den Bürgern zu verlangen. Auch Grundeigentümerbeiträge, die nach Strassensanierungen fällig waren, wurden nicht eingetrieben. Von «erheblichen Mängeln bei den Gebührenerhebungen» sprach Rubin seinerzeit. Der Gemeinde fehle ein internes Kontrollorgan sowie die Übersicht durch ein funktionierendes Projektmanagement.

Eine halbe Million Franken in Rechnung gestellt
Seither ist einiges passiert: Die Verwaltung wurde neu organisiert, aus dem Gemeindeschreiber Grossen ist ein CEO mit Aufsichtsfunktion geworden. Auf verjährte Grundeigentümerbeiträge hat Frutigen mit Zustimmung der Gemeindeversammlung verzichtet. Und nun, knappe zwei Jahre nach dem Rüffel, werden die Versäumnisse der Vergangenheit endgültig zu den Akten gelegt. Am Dienstag verkündete die amtierende Regierungsstatthalterin Ariane Nottaris, sie schliesse die aufsichtsrechtliche Untersuchung gegen Frutigen ab.

Die Gemeinde habe inzwischen sämtliche von Rubin angeordneten Massnahmen zur Behebung der Missstände umgesetzt. 221 Bauten habe sie auf ihre Anschlusspflicht ans öffentliche Kanalisationsnetz hin überprüft und auf dieser Grundlage Rechnungen gestellt. Diese gelten rückwirkend seit dem Jahr 2012 und belaufen sich insgesamt auf 526 446 Franken. Nebst den bereinigten Grundeigentümerbeiträgen sind dadurch nun auch die Anschlussgebühren geklärt.

Damit die neu gewonnene Übersicht nicht verloren geht, empfiehlt Nottaris der Gemeinde, «die Pendenzenliste über die Liegenschaften, für welche sie den Anschluss an die öffentliche Kanalisationsleitung prüfen muss, weiterzuführen». Auch sei es ratsam, die Gebühren künftig umgehend nach dem erfolgten Anschluss in Rechnung zu stellen und «eine entsprechende Übersicht stets aktuell zu halten».

Die Gemeinde will den Empfehlungen folgen und freut sich, dass das Kapitel damit abgeschlossen ist.

Gemeinderatspräsident Hans Schmid im Interview:

«Aus Fehlern kann man immer Lehren ziehen»

«Frutigländer»: Das Gebühren-Thema verfolgt Sie schon seit Beginn Ihrer Amtszeit, Herr Schmid. Wie erleichtert sind Sie, dass es nun abgehakt ist?
Schmid: Ich bin sehr froh, dass wir das Kapitel jetzt endgültig abschliessen können. Tatsächlich war ich erst wenige Tage im Amt, als der Regierungsstatthalter uns auf die Mängel bei der Gebührenerhebung und auf die versäumten Grundeigentümerbeiträge aufmerksam gemacht hat. Ich musste als Obmann Arbeiten übernehmen und erledigen, die weit vor meiner Zeit versäumt worden waren – das war doch recht belastend und bedeutete einen grossen Zusatzaufwand für den Gemeinderat und die Verwaltung.

Wurden nicht bereits an der letztjährigen Winter-Gemeindeversammlung sämtliche Altlasten beseitigt?
Damals ging es um die Grundeigentümerbeiträge im Unteren Widi und an der Steg-Elsigbachstrasse. Zum Teil waren die Forderungen verjährt, oder das Geld wurde auf anderem Wege einkassiert. Die Gemeindeversammlung stimmte mit grosser Mehrheit unserem Antrag zu, auf die letzten noch offenen Beiträge zu verzichten. Damit war das Thema Grundeigentümerbeiträge vom Tisch.

Was blieb also noch zu tun?
Nicht nur die Grundeigentümerbeiträge waren Gegenstand der aufsichtsrechtlichen Untersuchung. Auch die Anschlussgebühren für die öffentliche Kanalisation sind in Frutigen nicht überall korrekt erhoben worden. Also mussten wir uns einen systematischen Überblick über sämtliche anschlusspflichtigen Liegenschaften seit dem Jahr 2012 verschaffen. Anschliessend haben wir nachträgliche Rechnungen in der Höhe von rund 526 000 Franken ausgestellt.

Welcher Schaden ist Ihnen insgesamt durch die Versäumnisse entstanden?
Der Verlust durch nicht erhobene Grundeigentümerbeiträge beläuft sich auf etwa eine halbe Million Franken. Bei den Anschlussgebühren rechnen wir mit keinem wesentlichen Schaden. Die meisten Rechnungen sind inzwischen bezahlt worden, andere sind noch Gegenstand rechtlicher Abklärungen.

Können Sie der ganzen Geschichte auch etwas Gutes abgewinnen?
Aus Fehlern kann man immer Lehren ziehen. Obwohl die Aufarbeitung sehr aufwendig war und die Abklärungen dem Gemeinderat und der Verwaltung teilweise an die Substanz gingen, sind wir gestärkt aus der Situation hervorgegangen. Wir haben nun Strukturen und Kontrollmechanismen etabliert, mit denen wir solche Vorfälle in Zukunft verhindern können. Der Gemeinderat und die Verwaltung sind aufgefordert, ihre Aufgaben mittels Prozessen und Prioritäten termingerecht zu erledigen und zu kontrollieren. Geschäftsleiter Peter Grossen und ich werden nun alle drei Monate die Pendenzenliste der zu prüfenden Arbeiten kontrollieren – wie von der Regierungsstatthalterin empfohlen.

Was prägt die restlichen drei Jahre Ihrer Zeit als Obmann?
Jetzt, da wir die Vergangenheit bewältigt haben, können wir die Zukunft gestalten. Mit unserem neuen Leitbild wollen wir die nachhaltige Entwicklung Frutigens vorantreiben.

INTERVIEW BIANCA HÜSING

Untersuchung gegen Frutigen beendet

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