«Heimelige Atmosphäre statt künstlicher VIP-Bereiche»
11.01.2019 Adelboden, Wirtschaft, SportINTERVIEW Der bekannte Berner Eventmanager Philippe «Phibe» Cornu ist ein neues Gesicht im Verwaltungsrat der Ski-Weltcup Adelboden AG. 27 Jahre lang gestaltete er das Musikprogramm des Gurtenfestivals. Seit zwei Jahren führt er erfolgreich das Spiezer Seaside-Festival durch. ...
INTERVIEW Der bekannte Berner Eventmanager Philippe «Phibe» Cornu ist ein neues Gesicht im Verwaltungsrat der Ski-Weltcup Adelboden AG. 27 Jahre lang gestaltete er das Musikprogramm des Gurtenfestivals. Seit zwei Jahren führt er erfolgreich das Spiezer Seaside-Festival durch.
«Frutigländer»: Herr Cornu, was haben Sie als Musikveranstalter mit einem Sportanlass am Hut?
Philippe Cornu: Ich wurde angefragt. Die bestehenden Verwaltungsräte suchten keinen Ski-, sondern einen Eventprofi. Es ging ihnen darum, frischen Wind ins Rahmenprogramm zu bringen. Ich freue mich, mit neuen Leuten in einem völlig anderen Genre etwas zu bewegen.
Was verbindet Sie mit Adelboden?
Wenn ich meine Mutter im Altersheim für an Demenz erkrankte Menschen besuche, taucht aus dem Nebel ihrer Erinnerungen ständig derselbe Satz auf: «Ich möchte heim nach Adelboden.» Sie hat die ersten zwölf Lebensjahre dort verbracht. Ihre Eltern Dölf und Ida Michel-Borter betrieben damals die Bäckerei. Meine Mutter gerät mit den wenigen Worten, derer sie noch mächtig ist, ins Schwärmen von diesem schönen Ort. Die Anfrage berührte mich auch aus diesem privaten Grund.
Haben Sie jetzt mehr Zeit, weil das Mandat beim Gurtenfestival wegfiel?
Das Angebot kam vor dem Ende des Engagements auf dem Berner Hausberg. Aber Zeit ist im Eventbusiness stets Mangelware. Ich versichere meiner Frau wiederholt: «Jitz luggets de.» Sie meint: «Das seisch scho sit zäh Jahr.» Sie hat recht.
Ist die Tätigkeit im Weltcup eine neue Türe, die sich nach der Ära Gurtenfestival öffnete?
Nebst dem ehrenamtlichen Engagement im Weltcup-Verwaltungsrat ergaben sich weitere Chancen. Am Tag nach dem Gurten-Aus rief mich Marc Zahnd vom «Stars of Sounds»-Festival an (Open Air in Aarberg und Murten, Anm. d. Red.) und sagte: «Phibe, nach dem Gurten kommt Murten.» Ich bleibe also dem Showbusiness treu.
Mit welcher Absicht heuerte Sie der Weltcup-Verwaltungsrat an?
Die Mitglieder des Organisationskomitees und der Verwaltungsrat haben festgestellt, dass sie den Anschluss an die Event-Welt von heute finden müssen. Es ging darum, für den rein am Ski-Weltcup interessierten Besucher Orte zu gestalten, wo er sich wohlfühlt und verweilt. Deshalb kam das OK auf Sacha Altermatt und mich zu. Sacha half an Adelbodens internationalen Skitagen bereits letztes Jahr bei der Umsetzung der neuen Beschallungsanlage mit. Wegen des begrenzten Budgets hatten wir keinen grossen Spielraum, wussten aber, in welche Richtung es gehen kann. Wir verwandeln den VIP-Bereich am Freitagabend und nach dem Rennen am Samstag in die Stemmbogen-Bar. Sie ist für alle offen. So erhalten auch etwas ältere Gäste einen Ort, um eine gute Zeit zu verbringen. Vergessen Sie nicht: Die grössten Musikfans sind über 60-jährig. Mit den Cover-Hits der Band «The Magic Five» und den Schwingungen der Vinyl-Platten von DJ Reto Grossen sorgen wir für Stimmung.
Fühlen sich dann nicht die Jungen ihres Vergnügens beraubt?
Keinesfalls. Alle Bereiche haben Platz. Die Festzelte mit passender Musik für das Partyvolk bleiben. Es darf und soll seine Festlaune genauso ausleben wie bisher.
Erkennen Sie Parallelen zwischen der Skichilbi in Adelboden und dem Seaside-Festival in Spiez?
Sacha Altermatt und ich denken am Seaside ständig darüber nach: Was macht einen Anlass wirklich aus? Was braucht es, um sich rundum wohlzufühlen? Genauso sinnieren wir über den Weltcup. Wir haben den Verwaltungsrat und die Mitglieder des OK letzten Sommer ans Open Air in der Bucht eingeladen, um ihnen zu zeigen, wie man vom Deko bis zur Möblierung mit behaglichen Materialien eine gemütliche Stimmung schaffen kann. In einem Workshop stellten wir dann fest, dass wir eigentlich alle das gleiche Bild vor Augen haben. In Adelboden sollen die Gäste das Urchige spüren statt sich in künstlichen VIP-Bereichen zu bewegen. Uns schwebt vor, künftig eine rundum heimelige Atmosphäre im Weltcup-Dörfli zu gestalten – von schöner Beleuchtung bis hin zu «warmen» Musikecken à la Campfire (Kleinstbühne für Singer-Songwriter am Seaside-Festival, Anm. d. Red.), die sich aber stets an den Traditionen Adelbodens orientieren.
Besteht aus Ihrer Sicht noch Potenzial, zusätzliche Zuschauer zu gewinnen?
Vom Rennenschauen bis zur Unterhaltung von guter Qualität: das Ganze muss für die Besucher stimmen. Der Ski-Weltcup in Adelboden hat bereits Kultstatus. Doch wir können noch mehr Identifikation schaffen, wenn wir daraus eine Herzensangelegenheit machen. Wir Beteiligte müssen alle am gleichen Bild malen, um erfolgreich zu sein.
Sind Sie selbst schon den Chuenisbärgli-Weltcuphang hinuntergekurvt?
Ja, als Kind bin ich mit meinen Eltern viel in Adelboden Skifahren gegangen. Und auch jetzt versuchen wir in unseren Kindern die Freude am Schnee zu wecken. Aber der Einstieg ist immer anstrengend, wenn die Kleinen auf die Toilette müssen, frieren oder Hunger haben. Dieses Gefühl kennen wohl alle Eltern (lacht).
Verfolgen Sie Skirennen?
Seit meiner Kindheit. Als Sohn eines Psychiaters bin ich in der Psychiatrischen Klinik Waldau aufgewachsen. Bei uns hatte bereits in den 60er-Jahren ein Schwarz-Weiss-Fernseher einen festen Platz in der Wohnung. Wir waren sehr stolz darauf. Als Oberländerin liess sich meine Mutter mit uns Kindern die Übertragungen der Rennen in Wengen und Adelboden natürlich nicht entgehen.
Am Chuenisbärgli gibt es bekanntlich feinen Käse. Als 25-Jähriger arbeiteten Sie bei der Schweizerischen Käseunion in der Werbung. Mögen Sie Schweizer Traditionen?
Als Werbeassistent für Emmentaler, Greyerzer, Tilsiter und Appenzeller reiste ich viel ins Appenzellerland. Zusammen mit dem Fotografen Herbert Mäder besuchte ich Bauern und Käser. Das Urtümliche der Schweiz kennenzulernen, hat mich wahnsinnig beeindruckt. Ich pflegte seit jeher einen starken Bezug zum Bodenständigen – sei es, weil wir viel im Oberland wandern gingen, oder sei es, weil mein Grossvater Adolf Michel stets von seiner Zeit in Adelboden Interlaken und Leissigen erzählte. Von ihm habe ich Wesentliches gelernt: «Grüess Gott wohl» zu sagen – auch zum 50. Mal auf demselben Spaziergang –, jedem Respekt zu zollen und sich umeinander zu kümmern.
Was ist Ihr Motto für den Weltcup?
Wir bedauern als Familie immer wieder, dass wir zu wenig in die Berge kommen. Vielen Städtern ergeht es ähnlich. Dabei spüren wir doch alle sofort, wie uns die Berglandschaft, Weite und frische Luft guttun. Deshalb mein Tipp: «Chömet doch uf Adubode a z Skirenne!»
INTERVIEW YVONNE BALDININI
ZUR PERSON
Philippe Cornu wurde 1959 in Bern geboren. 1985 eröffnete der Musikbegeisterte zusammen mit einem Freund in Thun den Plattenladen ZIG ZAG records, der zum Kultort für Musikfans geworden ist. Das Geschäft besteht heute unter anderer Leitung weiter. 1994 gründete Cornu mit Carlo Bommes die Eventfirma Appalooza productions GmbH, welche das Gurtenfestival übernahm und ihm zu internationalem Ansehen verhalf. 2015 verkaufte Cornu seine Anteile und startete mit Bierhübeli-Booker Pascal Rötheli die Agentur Wildpony AG. Bis Sommer 2018 buchte er damit auf Mandatsbasis die Bands für den Berner Hausberg. «Wildpony» veranstaltet das Seaside-Festival in Spiez, ist für das Programm des Berner Kultur- und Konzertlokals Bierhübeli zuständig, bucht die Giessbach-Sessions im Grandhotel Giessbach in Brienz und wirkt für weitere Grossanlässe in der Region. Cornu ist Vater von sechs Kindern zwischen vier und 38 Jahren.