Der Gadmer Imker und pensionierte Schreiner Fred Jaggi referierte im Schulzentrum Widi über den Wandel im Alpenraum. Er erwies sich als grosser Geschichtenerzähler mit scharfem Blick auf die Veränderungen seiner Welt.

RETO KOLLER
Der 81-jährige Fred Jaggi ist mit seinem Auftritt im preisgekrönten Dokumentarfilm «More than Honey» berühmt geworden. Nun war der Haslitaler Bienenzüchter Gast der Volkshochschule Frutigland. Er erzählte im Frutiger Schulzentrum Widi über seine Wahrnehmungen zum Wandel der Zeit im Berggebiet im Zuge der Globalisierung. Jaggi brauchte dazu weder einen Beamer noch ein Computerprogramm mit Zahlen, Kurven und allerlei Illustrationen. Seine erzählerische Begabung und der breite Haslitaler Dialekt reichten ihm aus.

Gegen Bürokratismus und Verordnungsflut
Anekdoten und Müsterchen aus der «guten alten Zeit» gaben Einblick in die Vergangenheit seines Lebensraums, dem hinteren Haslital. Es war die Rede vom gemeinsamen Tun beim Brückenunterhalt und bei der Schneeräumung, von geselligen und trinkfesten Pfarrherren und erschöpften Genossenschafts-«Munis». Die Geschichten beschworen eine aus der Sicht des Erzählers untergehende Welt der Gemeinschaftlichkeit und Solidarität. Er stellt eine Verarmung des Zusammenlebens fest, weil wegen der Abwanderung und des strukturellen Wandels immer weniger Menschen ihr Leben in den Bergtälern verbringen.
Jaggi richtete den Blick auch auf die Gegenwart und die Zukunft. Die Abwanderung sei dramatisch. Vor 40 Jahren zählte er in Gadmen 87 Viehhalter, heute kümmern sich noch deren 8 um eigene Tiere. «Nur noch die günstig gelegenen und gut zu bewirtschaftenden Alpbetriebe werden überleben. Die ‹zweite und dritte Liga› ist dem Untergang geweiht», orakelte der Bergbauernsohn. Leer stehender Wohnraum werde von gut verdienenden Städtern als Feriendomizil benutzt, statt von jungen Familien bewohnt.

Jaggi geisselte den fortschreitenden Bürokratismus und die steigende Gesetzes- und Verordnungsflut, die dem Kleinbauern das Leben stetig schwerer machen würden. Der knorrige Bergler kritisierte den weltweiten Strukturwandel. Er diene vornehmlich der herrschenden Kasten und der Hochfinanz. Verlierer seien die kleinen Leute, welche für ihre Arbeit immer schlechter entlohnt werden oder sie gar verlieren.

Mehr Austausch zwischen Stadt und Land
Der ehemalige Gemeindepräsident fühlt sich auch von den Städtern nicht immer ernst genommen. «Sie erwarten bei uns die heile Heidi-Welt und verkennen, dass das Berggebiet kein Museum ist», stellte er fest. Um diese falsche Wahrnehmung zu korrigieren, wünscht er sich mehr Begegnungen und einen besseren Austausch zwischen Städtern und der Landbevölkerung. Jaggi verhehlte seine Skepsis nicht. Das Leben in den Bergtälern werde nicht einfacher werden, wenn sich nicht Grundlegendes ändere. Und dies sei leider nicht in Sicht.

Vom Untergang der Berggemeinschaft

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