Auf dem Sprung zur Bike-Destination?
26.02.2019 RegionEs hat länger gedauert als gedacht, doch nun wird es konkret: Die Planungsregion Kandertal hat ihr über Jahre erarbeitetes Bikestreckennetz zur Mitwirkung freigegeben. Damit rücken auch neun Frutigländer Routen in greifbare Nähe.
BIANCA HÜSING
Eigentlich geht es ...
Es hat länger gedauert als gedacht, doch nun wird es konkret: Die Planungsregion Kandertal hat ihr über Jahre erarbeitetes Bikestreckennetz zur Mitwirkung freigegeben. Damit rücken auch neun Frutigländer Routen in greifbare Nähe.
BIANCA HÜSING
Eigentlich geht es nur darum, bereits bestehende (Wander-)Wege zu beschildern, allenfalls auszubauen und damit auch für Biker zugänglich zu machen. Was simpel tönt, ist in Wahrheit eine hochkomplexe Angelegenheit. Einen Eindruck davon vermittelt das 111-seitige Massnahmendossier, das die Bergregion Obersimmental-Saanenland und die Planungsregion Kandertal letzte Woche veröffentlicht haben. Darin enthalten sind rund 50 Mountainbike-Routen von Gstaad über die Lenk bis Aeschiried – und jede von ihnen birgt je eigenes Konfliktpotenzial. Allein die Anzahl einbezogener Akteure ist beachtlich. Nebst elf Gemeinden und drei Tourismusorganisationen waren auch Land- und Waldbesitzer, kantonale Behörden sowie Interessenvertreter von Bikern und Wanderern involviert. Über 30 Namen listen die Verantwortlichen insgesamt auf. Damit ist klar: Das Projekt ist zwar auf einem guten Weg. Gleichwohl hat es aber einige Herausforderungen zu meistern.
1. Wanderer und Biker – ein schwieriges Verhältnis
Was und wen es bei der Routenplanung alles zu berücksichtigen gilt, zeigt ein Beispiel aus dem Kandertal. Die Route 636 (siehe Bild unten) startet in Frutigen und führt übers Kiental und Mülenen dorthin zurück. Als kritisch wird an vielen Stellen die Wegbreite eingestuft sowie die gemeinsame Nutzung mit anderen. Ein geringes Konfliktpotenzial sehen die Verantwortlichen dagegen im Hinblick auf Ausweichmöglichkeiten, Hindernisse oder Unterhalt. Für jede Etappe haben die Planer entsprechende Einschätzungen vorgenommen – und Lösungen erarbeitet. Auf besagter Route geht es beispielsweise darum, die genaue Wegführung mit der IG Reitwege Frutigen abzusprechen. Auch sollen zwischen Frutighus und Flugplatz «Massnahmen zur Förderung der Koexistenz» ergriffen werden – etwa mit Hinweisschildern, die zum gegenseitigen Respekt von Bikern und Wanderern aufrufen.
Gerade zwischen diesen beiden Akteuren kommt es immer wieder zu Reibereien und gegenseitigen Vorurteilen. Andreas Grünig, Geschäftsführer der Berg- und Planungsregionen Kandertal und Obersimmental-Saanenland, blickt jedoch mit Zuversicht auf das Verhältnis der Interessengruppen. «Wir arbeiten mittlerweile gut und eng mit den Berner Wanderwegen BeWW zusammen», versichert er. Gemeinsam sei man bestrebt, Konflikte zwischen Wanderern und Bikern gar nicht erst entstehen zu lassen. Den Richtplan versteht er insofern auch als Massnahme gegen einen «unkontrollierten Wildwuchs» im Streckennetz.
2. Biker und Grundeigentümer – «weil wir auf sie angewiesen sind»
Fast noch entscheidender ist allerdings die Beziehung zu den Landbesitzern. Damit ein Weg überhaupt für Biker signalsiert werden kann, braucht es deren Einverständnis. Grünig und sein Team haben die Grundeigentümer vorsorglich schon früh einbezogen – «weil wir auf sie angewiesen sind und weil sie nichts weniger schätzen, als wenn über ihren Grund und Boden ‹verfügt› wird.» Auch seien die Betroffenen zweimal von den Gemeinden angeschrieben worden, und dies sei mehr als bei «normalen Richtplanverfahren» üblich. Eine Erfolgsgarantie ist das jedoch noch nicht – Richtpläne sind nicht grundeigentümerverbindlich. Immerhin: Ein Grossteil der Routen befindet sich im Stadium «Festsetzung» und hat damit bereits das Gröbste hinter sich, wie die Erläuterungen im Richtplan nahelegen: «Die Beteiligten sind sich bezüglich des weiteren Vorgehens einig, und zuwiderlaufende Ansprüche wurden geklärt», heisst es im Papier. Zudem «wurde die Realisierung mit den Grundeigentümern geklärt und die Finanzierung sichergestellt.» Von den neun im Frutigland geplanten Routen (siehe Kasten) trifft das auf acht zu. Die neunte befindet sich im Status «Zwischenergebnis».
3. Die Finanzierung – wer zahlt?
Gemessen am bisherigen Planungsverlauf ist das ein erheblicher Fortschritt. Seit Jahren wird an diesem umfangreichen Streckennetz gearbeitet. Eigentlich sollte der Richtplan bereits 2018 zur Genehmigung an den Kanton übermittelt werden, doch die Vorbereitungsarbeiten waren offenbar aufwendiger als erwartet. «Die Richtplanung war ein Pilotprojekt, bei dessen Start noch nicht alles klar war», so Grünig. Nebst der Rücksprache mit Fachstellen und Beteiligten gehörte etwa der Aufbau eines Online-Geoinformationssystems (GIS) dazu. Auch wurde die Bevölkerung bereits 2016 in einer frühen Projektphase informiert. Nicht zuletzt die Rückmeldungen aus dieser Veranstaltung und anschliessenden Gesprächen haben dazu geführt, dass das Projekt deutlich schmaler ausfällt als ursprünglich geplant. Die Anzahl der Routen ist um ein Drittel gesunken.
Einen beträchtlichen Teil der Planungskosten tragen laut Grünig die Geschäftsstellen der beiden Regionen. Für die erste Projektphase sollen sich zudem Bund und Kanton im Rahmen der «Neuen Regionalpolitik» beteiligen. Einen entsprechenden à-fonds-perdu-Beitrag von 135 000 Franken habe man bereits beantragt. Für die zweite Phase folgt ein weiterer Antrag.
Wer die Kosten bei der Umsetzung einer Route trägt, hängt von deren Trägerschaft ab. Als Träger kommen beispielsweise die betroffenen Teilregionen und Gemeinden oder auch privatrechtliche Organisationen infrage. Die Beiträge der Gemeinden bemessen sich laut Richtplan an der Anzahl Einwohner und am Anteil der Streckenkilometer. Spannend ist auch die Frage der Haftung: Wer zahlt, wenn etwas passiert? «In dieser Hinsicht sind wir einen wesentlichen Schritt weiter», so Grünig. «Die Rechtschutzversicherung gibt zusätzlich Sicherheit, weil die Bewirtschafter geschützt sind, die am offiziellen Routennetz angeschlossen sind.»
4. Die Wertschöpfung – wer profitiert?
Angesichts des grossen Aufwands, der für dieses Projekt betrieben wird, stellt sich unweigerlich die Frage: Wem soll das nutzen? Die Bikerlobby wirbt stets mit dem touristischen Potenzial, das sich durch ein attraktives Streckennetz erschliessen lasse. Auch verspricht man sich eine gewisse Wertschöpfung durch die Biker – an der bereits erwähnten Info-Veranstaltung war von 117 Franken für Verpflegung und Transport pro Tag die Rede. Damit würden Velofreunde mehr einbringen als Wanderer. In Graubünden und im Wallis gelten sie seit Jahrzehnten als unverzichtbare Kunden. Allerdings: Im Vergleich zu anderen Freizeitangeboten ist das Hobby der Biker kostenlos zu haben, sie brauchen weder Eintrittskarte noch Bergbahnticket.
Experten für Mountainbike-Tourismus weisen denn auch darauf hin, dass es mit einem Streckennetz allein nicht getan sei. «Die Wertschöfung passiert bei den Dienstleistungen», schreibt die Firma Allegra Tourismus auf ihrer Webseite. Hotels könnten mit einem massgeschneiderten Angebot punkten: «Waschanlagen für Velo und Kleider, eine Werkstatt und ein abschliessbarer Raum für das teure Velo gehören zu den Grundvoraussetzungen.» Damit der Biker überhaupt zu den Betrieben findet, sollte der Weg freilich nicht allzu weit an den Gemeinden vorbeiführen. So betont denn auch Andreas Grünig: «Bei der Routenwahl wurde auch immer versucht, die Aspekte Transport, Übernachtung, Verpflegung und Service mit einzubeziehen.»
Die Mitwirkung läuft noch bis zum 29. März 2019. Anschliessend geht das Dossier zur Vorprüfung an den Kanton. Den Richtplan und das Massnahmendossier finden Sie in unserer Web-Link-Übersicht unter www.frutiglaender.ch/web-links.html
Geplante Routen im Frutigland
Von den insgesamt 745 geplanten Bike-Kilometern in den Regionen Kandertal, Obersimmental und Saanenland entfallen 210 Kilometer auf das Frutigland. Geplant sind hier folgende Routen:
• Route 605: Sunnbüel–Schwarenbach (Ausgangspunkt und Ziel: Sunnbüel Bergstation)
• Route 615: Kandersteg–Höh (Ausgangspunkt und Ziel: Bahnhof Kandersteg)
• Route 625: Nordrampe–Kandersteg–Kiental (Ausgangspunkt und Ziel: Bahnhof Frutigen)
• Route 636: Frutigen–Kiental– Scharnachtal–Mülenen–Frutigen (Ausgangspunkt und Ziel: Bahnhof Frutigen)
• Route 645: Frutigen–Spissen–Reichenbach (Ausgangspunkt und Ziel: Bahnhof Frutigen)
• Route 650: Adelboden–Elsigenalp– Frutigen–Achseten–Elsigenalp– Adelboden (Ausgangspunkt und Ziel: Adelboden)
• Route 652: Adelboden–Boden–Hahnenmoos–Silleren–Adelboden (Ausgangspunkt und Ziel: Adelboden)
• Route 653: Adelboden–Tschenten– Höreli–Adelboden (Ausgangspunkt und Ziel: Adelboden)
• Route 660: Stiegelschwand–Chuenisbärgli (Ausgangspunkt und Ziel: Adelboden) Bis auf Route 645 (Zwischenergebnis) befinden sich alle hier aufgeführten Strecken im Status «Festsetzung».
HÜS