Baden in Kunst
10.09.2019 Adelboden, TourismusDie Gesellschaft für Schweizerische Kunstgeschichte GSK widmet dem Adelbodner Schwimmbad einen ihrer Kunstführer. Der Band würdigt die Baukunst der 1930er-Jahre – und ihr originalgetreues Wiederaufleben im renovierten Gruebi-Bad.
TONI KOLLER
Als die Adelbodner ...
Die Gesellschaft für Schweizerische Kunstgeschichte GSK widmet dem Adelbodner Schwimmbad einen ihrer Kunstführer. Der Band würdigt die Baukunst der 1930er-Jahre – und ihr originalgetreues Wiederaufleben im renovierten Gruebi-Bad.
TONI KOLLER
Als die Adelbodner Hoteliers im Jahr 1931 ihr Gemeinschaftswerk eröffneten, war das Freibad Gruebi «ein Zeuge der architektonischen Avantgarde», heisst es in der reich bebilderten GSK-Publikation. Es ist nicht das einzige Bad im Stil des Neuen Bauens, das zu jener Zeit in der Schweiz entstanden ist – doch die Adelbodner Anlage, entworfen von Ingenieur Beda Hefti, spielte in dem Zusammenhang eine herausragende Rolle: «Die Bäder waren nicht Ausdruck von mutloser Nostalgie, sondern von überzeugtem Zukunftsglauben.» Dieser zeigte sich in präzisen, schnörkellosen geometrischen Formen. Die leuchtende Farbigkeit der Bauten «drückt die damalige Lebensfreude aus», zu welcher auch die um sich greifende Sportbegeisterung jener Zeit gehört. Ein besonderes Augenmerk gilt schliesslich dem Geschick, mit dem Beda Hefti die Anlage in die bestehende Topografie einbettete: «Das Panoramabad in Adelboden zeigt auf eindrückliche Weise, wie Architektur und Natur zu einem einzigartigen Ganzen verschmelzen können.»
Ein Kabinenbub erzählt
Nachdem der Kunstführer seinen Lesern den zeitgeschichtlichen Hintergrund des Schwimmbadbaus nahegebracht hat, schildert er die konkrete Entstehung des Gruebi-Bads und seine damalige touristische Bedeutung. Zur Illustration des langen Lebens der Anlage dienten den Autoren nicht zuletzt die Kenntnisse und Anekdoten des langjährigen Bademeisters Ferdinand Scheidegger. Er hatte in jüngeren Jahren schon als «Kabinenbub» gewirkt und erinnert sich, wie die Garderobe jedes Badegastes damals individuell betreut wurde: «An schönen Tagen reichten die 500 Kleiderbügel des Bades nicht aus!» Dies, obschon die einheimische Bevölkerung in den Anfangszeiten gar keinen Zutritt hatte.
Ein weiterer Abschnitt der 40-seitigen Publikation gilt der Leidensgeschichte des einstmals so stolzen Schwimmbads: Abriss des baufälligen Musikpavillons 1974, ein mehreckiges anstelle des harmonisch-kreisrunden Kinderbassins, Reduktion des 50-Meter-Beckens auf 25 Meter im Jahr 2004, Abriss des Sprungturms, Anstrich aller Oberflächen mit Dispersion ohne Rücksicht auf originale Farbtöne ... «Von der Klarheit zur Beliebigkeit», so fasst der Kunstführer diese Vorgänge zusammen. Er tut dies ohne Schuldzuweisungen. Denn auch die Autoren wissen, dass das Gruebi-Bad mit dem Konkurs der Schwimmbad- und Kunsteisbahn-Genossenschaft 2005 finanziell auf unsicheren Beinen stand. Umso mehr rühmt die Publikation den Einsatz des Schwimmclubs für den Fortbestand der Anlage – und freut sich über den Willen des Adelbodner Stimmvolks, viel Geld in die nun abgeschlossene Gesamterneuerung zu stecken.
Ein Baudenkmal der Moderne erwacht
Der Totalrenovation des denkmalgeschützten Bads widmet sich denn auch der Hauptteil der Publikation. Eng begleitet von der bernischen Denkmalpflege, hatte das «akkurat bauatelier» aus Thun – mit dem versierten einheimischen Bauführer Daniel Büschlen – eine schwierige Gratwanderung zu bewältigen: «Steht die Sanierung eines Baudenkmals an, ist bereits im frühen Planungsprozess ein Gleichgewicht herzustellen zwischen neuen Bedürfnissen und dem Potenzial des bestehenden Objekts.» In der Praxis hiess das etwa, dass der vorhandene Trinkwasserbrunnen oder die Keramikplatten der Kinderduschen aufwendig restauriert wurden; die Wände erstrahlen dank Neuanstrichs mit ursprünglichen Farbmischungen wieder in kristalliner Kraft. Anderseits hat man teilweise fehlende Elemente, Bauteile und Oberflächen mit neuen ergänzt, und zwar «so, dass sie sich harmonisch einfügen und vom Originalbestand unterscheidbar sind.» Schliesslich galt es, gänzlich Verlorenenes zu ersetzen: «Sprungturm und Musikpavillon stehen beispielsweise wieder am ursprünglichen Standort, bleiben aber als neue Elemente erkennbar.» Zur Erneuerung gehörte am Ende auch der Verzicht: Wegen der heutigen Sicherheits- und Hygieneanforderungen hat das Bad keinen Fünfmeter-Sprungturm mehr, und den ursprünglichen Sandstrand – er wurde schon um 1950 aufgegeben – wird niemand ernsthaft vermissen.
Nichtsdestotrotz würdigt der Kunstführer das Werk mit klaren Worten: «Es ist gelungen, mit der Sanierung den ursprünglichen Geist, die klare architektonische Haltung und die Stimmung des modernen Freibads wiederzubeleben.» Jenes von Adelboden gehöre zu den schönsten der Schweiz. Und mit Blick auf seine bald 90-jährige Geschichte: «Es ist eine pionierhafte Tat, dieses Freibad zu wollen und umzusetzen – damals wie heute.»
Es geht auch um die Architektur
Finanziell möglich gemacht haben diesen Kunstführer übrigens Kurtaxen- und Gemeindebeiträge, die der früheren Schwimmbad-Betreiberschaft übrig geblieben waren (was nicht heisst, dass die Anerkennung von Bauwerken durch die Gesellschaft für Kunstgeschichte käuflich wäre). Im Gegenzug soll das ebenso unterhaltsame wie lehrreiche Büchlein der Bevölkerung ihr baukulturelles Juwel näherbringen. Und man darf hoffen, dass es zahlreiche architekturinteressierte Gäste zum Besuch in Adelboden animiert – getreu dem Satz auf Seite 34: «Hier geht es nicht einfach nur ums Baden, sondern auch um die Harmonie von Architektur und Landschaftsarchitektur.»
«Das Schwimm- und Sonnenbad in Adelboden», Fabian Schwarz und Pasquale Zarriello. Reihe Schweizerische Kunstführer, Hrsg.: Gesellschaft für Schweizerische Kunstgeschichte GSK, in Zusammenarbeit mit der Gemeinde Adelboden. Die Non-Profit-Organisation GSK dokumentiert, erforscht und vermittelt seit 1880 das baugeschichtliche Kulturerbe der Schweiz.