Der grosse Coup im Dorf gelingt
17.09.2019 Frutigen, GesellschaftPatent Ochsner auf der Bühne zu haben, war für Veranstalter Reto Grossen «ein Sechser im Lotto». Die Mundartrocker reiten auf einer Erfolgswelle und lockten am Wochenende 7000 Gäste in die Frutiger Badi. Dank des Festivals hat sich auch die finanzielle Lage des Vereins KanderKultur ...
Patent Ochsner auf der Bühne zu haben, war für Veranstalter Reto Grossen «ein Sechser im Lotto». Die Mundartrocker reiten auf einer Erfolgswelle und lockten am Wochenende 7000 Gäste in die Frutiger Badi. Dank des Festivals hat sich auch die finanzielle Lage des Vereins KanderKultur entspannt. GALERIE
YVONNE BALDININI
Für Büne Huber ist Luka Bloom ein Held. Der irische Musiker und Songwriter tritt als Vorband auf. Aus Hubers Sicht müsste es umgekehrt sein: Luka Bloom als eigentlicher Star des Abends, Patent Ochsner als dessen Vorgruppe. Die Lieder des Iren beeindrucken in der Tat durch Tiefgang – eben wie jene von Büne Huber. Der Berner Sänger und sein neunköpfiges Orchester sind an der Reihe, als die Nacht hereinbricht. Nebst den üblichen Instrumenten erklingen Akkordeon, Posaune oder etwa Trompete. Büne Huber schmachtet «Ludmilla» über das Schwimmbad-Areal.
Kaviar und andere Leckerbissen
«Reto Grossen hat uns nach Frutigen eingeladen. Er gewinnt, ihr gewinnt und wir gewinnen», meint Büne Huber. Jedenfalls wenn es so laufe wie am ersten Festivalabend: Die Bandmitglieder durften nach dem Konzert Kaviar kosten. Büne schwärmt und empfiehlt dem Publikum: «Muesch nid mit easyJet für 25 Franke a Strand flüge, chasch mit dr BLS i ds Tropehuus.» Die Zuhörer bekommen auch ohne Kaviar eine Delikatesse nach der anderen vorgesetzt: nostalgische Stücke wie «Guet Nacht, Elisabeth», fetzige wie «Fischer» oder «Pfingerabdröschti». Ein Besucher aus Bern flüstert seiner Freundin zu: «Das ist viel schöner als auf dem Gurten.» Die einfache, ungezwungene Atmosphäre, der Ort umringt von Bergen, die Nähe zu den Musikern – all das hat es ihm wohl angetan. Die Menschen strahlen, singen die Worte der Klassiker sowie Lieder des neuen Albums mit und rufen ihre Begeisterung auf die Bühne. Beim Hit «Bälpmoos» flippen sie aus. Die Band geniesst das Verschmelzen mit dem Publikum. Und Büne Huber lobt Reto Grossen, den unermüdlichen Schaffer, den langjährigen Freund. Die Besucher skandieren: «Reto, Reto, Reto!» Dieser äussert sich sichtlich gerührt: «Ihr seht, die Ochsners sind wie meine Gotte oder mein Götti, genau wie alle anderen Mitwirkenden hinter der Bühne.» Der Wettergott sei ihm ebenso gnädig: Er bescherte zwei herrliche Sommerabende. Danach zieht Grossen seinen Hut vor den Musikern.
Ein fairer Deal
7000 Gäste, je 3500 an den zwei Festivalabenden, konnte Reto Grossen für die Kultband ins Schwimmbad locken. Die beiden Konzerte waren früh ausverkauft. Einen fairen Deal habe er vereinbart. «Es ist eine Win-win-Situation, ein Sechser im Lotto.» Hinter ihm bestrahlt inzwischen der Schein des aufsteigenden Vollmondes das Gehrihorn. Auch beim Organisator des Festivals erhellt sich endlich die finanzielle Lage der letzten Jahre. «Dieser Auftritt heilt KanderKultur, es ist ein Quantensprung, der die Altlasten hinter uns lässt», sagt der nimmermüde Kulturförderer. Laut ihm waren es die wohl grössten Konzerte im Kandertal seit je. Der Frutiger konnte die Mundartrocker dank der 20 Jahre dauernden Freundschaft und Loyalität verpflichten. Bereits 30 Konzerte veranstaltete er mit ihnen. «Zurzeit erlangen Patent Ochsner eine hierzulande nie dagewesene Dimension, ihre Musik ist die meistgehörte in der Deutschschweiz», weiss Grossen.
Frutigen statt Hallenstadion
Doch weshalb erweisen die berühmten Berner Künstler nach Engagements wie am «Moon & Stars» in Locarno oder am «Heitere» in Zofingen dem kleinen Open Air in Frutigen die Ehre? Reto Grossen dazu: «Patent Ochsner lieben es, an Orten zu musizieren, wo Herzblut dahintersteckt. Beim Konzert vor drei Jahren am KanderKultur-Festival haben sie gemerkt: Hier stehen sie im Mittelpunkt.» Daniel Woodtli ist seit 14 Jahren Trompeter des Orchesters. Er verdeutlicht: «Wir spüren hier das Publikum und wachsen mit ihm zusammen. Das kann mehr reizen, als vor der grossen Masse zu spielen.» Im Zürcher Hallenstadion aufzutreten, interessiere Patent Ochsner nicht. Die Gruppe wolle unterwegs sein und die Menschen aufsuchen. Die Erfolgswelle begründet Daniel Woodtli mit den festen Werten, die die Band verkörpert: «Wir bieten das Gegenteil unserer kurzlebigen Zeit: ehrliche Musik mit Tiefgang. Büne Huber erreicht mit seinen Worten eine Zeitlosigkeit.» In der Tat berühren er und seine Truppe an diesem Abend wieder mehrere Generationen, von Kindern bis zu Senioren. Wunderkerzen erleuchten beim Lied «Für immer uf di», ein grosser Chor ertönt. Gegen Schluss übergibt der Frontmann das Mikrofon an Luka Bloom. Dieser bezaubert mit der englischen Version des Ochsner-Hits «Scharlachrot.»