KanderKultur setzt die Segel neu
11.10.2019 Frutigen, Kultur, RegionMit dem grossen Erfolg des Festivals vom 12. und 13. September ist dem Verein und seinem Initianten Reto Grossen der finanzielle Befreiungsschlag gelungen. Wie geht es weiter?
RETO KOLLER
Der Frutiger Konzertveranstalter Reto Grossen hat allen Grund aufzuatmen. Das ...
Mit dem grossen Erfolg des Festivals vom 12. und 13. September ist dem Verein und seinem Initianten Reto Grossen der finanzielle Befreiungsschlag gelungen. Wie geht es weiter?
RETO KOLLER
Der Frutiger Konzertveranstalter Reto Grossen hat allen Grund aufzuatmen. Das vierte KanderKultur-Festival mit den Auftritten von Patent Ochsner und Luka Bloom war nicht nur ein schöner und rundum gelungener Event, sondern hat den Verein auch zu grossem Teil von den Altlasten aus dem früheren Restaurantbetrieb der Badi Lounge befreit.
Eine schwierige Vorgeschichte
Reto Grossen kehrte 2010 aus Zürich zurück, wo er als erfolgreicher DJ, Musikagent und Konzertveranstalter sehr gefragt war. «Ich wollte aber im Kandertal Kultur machen und verzichtete auf eine Karriere in der Zürcher Musikszene», erzählt er. Nachdem der Verein anfänglich im Rustico Pub Frutigen und im Alpartig in Adelboden verschiedene Events veranstaltet hatte, ergab sich 2014 die Möglichkeit, mit der Badi Lounge im Frutiger Sportzentrum ein eigenes Vereinslokal zu pachten.
Neben der Eventorganisation trauten sich Grossen und sein Team auch zu, die Badi Lounge als Restaurant zu betreiben. «Das war eine schwerwiegende Fehleinschätzung, die uns sehr viel Geld und Nerven gekostet hat», blickt Grossen zurück. «Wir dachten, mit dem Gastronomiebetrieb die Löhne und den Warenaufwand finanzieren zu können und mit den Events alle anderen Ausgaben hereinzuspielen.» Während die Rechnung bei den Events aufging, riss der Restaurantbetrieb täglich ein Loch in die Kasse.
Darauf entschied sich Grossen, den Verein KanderKultur aus der Verantwortung zu entlassen und die Sanierung selber zu schultern. «Ich wollte den Verein nicht für ein gescheitertes Gastrokonzept verantwortlich machen.» Es blieb ihm nichts anderes übrig, als die Ärmel hochzukrempeln und einen grossen Teil seiner Einkünfte in den Verein zu stecken. Das seien die schwierigsten Jahre seines Lebens gewesen und sie hätten ihn an die Grenze seiner Belastungsfähigkeit gebracht, sagt der 43-Jährige. Dank der Umstellung auf ein reines Eventlokal ging es schliesslich bergauf.
Die grosse Erleichterung war das von 7000 Fans besuchte Festival vom 12./13. September dieses Jahres. Dank einem schönen Gewinn steht der Verein heute finanziell gesund da. «Der Hurrikan ist überstanden, wir können nun in ruhigeren Gewässern die Segel setzen und Fahrt aufnehmen», fasst der ausgebildete Primarlehrer zusammen.
Grossens «Lehrblätze»
Welche Lehren hat Grossen aus dem Schwimmbad-Restaurant-Debakel gezogen? «Erste Erkenntnis: Schuster, bleib bei deinen Leisten und mach das, was du gut kannst. Wir haben uns als Nicht-Gastroprofis den Betrieb des Restaurants zugemutet und sind daran gescheitert.» Zweite Erkenntnis: Das Ausgehverhalten der heutigen Gäste hat sich verändert. Er umschreibt es so: «Das Internet hat Lokale wie Bars, Discos und Pubs als Treffpunkt abgelöst. Heute lernen sich die Leute auf Social-Media-Plattformen kennen. Auch der Geldfluss hat sich verändert.»
Die Zeiten seien vorbei, als sich in der Adelbodner Bernabar fast Abend für Abend Partygänger die Füsse wund tanzten und mit dem Gewinn daraus ein Kulturlokal wie die «Alte Taverne» quersubventioniert werden konnte. Grossen machte zusammen mit dem Besitzer Thomas Müller aus der Taverne ein schweizweit beachtetes Konzertlokal. «Bands, die vor 20 Jahren 200 Besucher anlockten, bringen heute vielleicht noch 30 Unentwegte ins Haus. Die ganz grossen Namen wie Patent Ochsner haben dafür ein Mehrfaches an Publikum. The winner takes it all», formuliert Grossen. Dazu kommt die Erkenntnis, dass sich Betriebe wie die Badi Lounge nur noch als Eventlokal rechnen. Regelmässige Öffnungszeiten vernichten mehrheitlich Geld, statt Mehrwerte zu schaffen. «Die Angebote müssen vielfältig sein und immer wieder anderes Publikum ansprechen. Wir müssen uns ständig neu erfinden», skizziert Grossen die heutige Herausforderung. Bei aller Vielfalt müsse man sich auf das spezialisieren, was man kenne und könne. Der Frutiger hat gelernt, nicht mehr auf Besserwisser zu hören, sondern sich an Bessermachern zu orientieren und auf seine Erfahrung und sein Wissen zu setzen, wie er sich ausdrückt. Der Kenner der Schweizer Musikszene ist durchs Stahlbad von an die 1000 selbst veranstalteten Konzerten gegangen.
Herzblut, Fachkompetenz, Verankerung
Um Kultur auf dem Land erfolgreich zu etablieren, braucht es nebst viel Herzblut und der nötigen Fachkompetenz auch eine starke Verankerung in der Bevölkerung sowie finanzielle Unterstützung. Die ersten drei Voraussetzungen hat Kander-Kultur erfüllt. Nun darf man gespannt sein, ob auch die vierte folgen wird. Die Mitglieder- und Gönnerbeiträge sollen die finanzielle Basis für Veranstaltungen in der Region sein. «Wir würden uns natürlich auch über öffentliche Beiträge sehr freuen – die nötigen Visitenkarten haben wir mit den erfolgreichen Anlässen sicher abgegeben. Schliesslich ist die Kulturförderung auch eine öffentliche Aufgabe, und andernorts werden ähnliche Vereine von Gemeinde und Kanton unterstützt», bemerkt Grossen.
Eine Plattform für Kultur
Grossen sprüht vor Optimismus. Der Verein KanderKultur soll nun richtig durchstarten. Seit Beginn der neuen Aktion am Festival vor drei Wochen sind bereits 200 Mitglieder an Bord. Ende Oktober führt KanderKultur vier Informationsveranstaltungen durch. Sie sollen die Öffentlichkeit über die Vereinsziele ins Bild setzen. Er sieht KanderKultur als Veranstalter, Vernetzer und Förderer für zeitgenössische Kultur und somit als Ergänzung zum bestehenden Angebot im Tal. Der Verein organisiert zurzeit pro Jahr rund 140 Events verschiedenster Art. Um dies weiterhin zu gewährleisten, bildet sich aus einer Arbeitsgruppe mit verschiedenen Persönlichkeiten aus dem Tal in den nächsten Tagen ein neuer Vereinsvorstand. Grossen soll Geschäftsführer werden und sich mit seinen Mitstreitern Yannick Brunner, Ivo Marcon und Dominik Baumann um das operative Geschäft kümmern. «Wir sollten uns gut untereinander austauschen und uns gegenseitig den Ball zuspielen, wo es sinnvoll erscheint.» «Zäme für d Region» soll das Motto sein.
Grossen glaubt fest an den Erfolg durch nachhaltiges Engagement. «Wir haben immer wieder grosse Namen ins Tal geholt, die ohne mein Beziehungsnetz wohl kaum hier auftreten würden», sagt Grossen nicht ohne Stolz. «Durch den Verein gewinnt unsere Heimat für Wirtschaft, Tourismus und als Wohnort stark an Attraktivität.» Diese Karte solle der Verein ausspielen. «Wir starten nun voller Vorfreude und mit viel Motivation in die Zukunft von KanderKultur.»
Die Infoveranstaltungen zu KanderKultur finden am 28., 29., 30. und 31.Oktober jeweils um 19 Uhr in der Badi Lounge Frutigen statt.