Zehn Jahre VSA: vom Gegenpart zum Partner?
29.11.2019 Adelboden, PolitikGegründet wurde er einst zum Kämpfen, mittlerweile schlägt der Stammgästeverein VSA sanftere Töne an. Auch im Dorf wird die Stimme der Zweitwohnungsbesitzer zunehmend angehört. Frei von Vorurteilen ist man deswegen aber noch nicht – beide Seiten behalten eine gewisse Portion ...
Gegründet wurde er einst zum Kämpfen, mittlerweile schlägt der Stammgästeverein VSA sanftere Töne an. Auch im Dorf wird die Stimme der Zweitwohnungsbesitzer zunehmend angehört. Frei von Vorurteilen ist man deswegen aber noch nicht – beide Seiten behalten eine gewisse Portion Sekpsis.
BIANCA HÜSING
Peter Waser erscheint entspannt zum Gesprächstermin. Kein Wunder – er verbringt das Wochenende wieder einmal als Feriengast in Adelboden. In seiner Wohnung kann er sich allerdings gerade nicht aufhalten, er hat Handwerker da. Einheimische, wie er gern betont. «Hier oben sind sie zuverlässig, professionell und leisten sehr gute Arbeit.» Waser besitzt eine von 2416 Zweitwohnungen im Lohnerdorf, seit zwei Jahren präsidiert er den Verein Stammgäste Adelboden. In dieser Funktion hat er ein ausgeprägtes Sendungsbewusstsein, was die Vorzüge Adelbodens betrifft. Bei jeder Gelegenheit lobt er, wie «wunderbar das Angebot» hier sommers wie winters sei. Viel Kultur, gute Bahnen – «hier läuft immer etwas». Doch auch in Bezug auf seine eigene Klientel ist der VSA-Vorsteher keineswegs bescheiden: «Wir sind hervorragende Kunden.» Um seine These zu untermauern, führt er eine Studie aus Graubünden an. So gebe eine durchschnittliche Zweitwohnungsfamilie jährlich 15 000 Franken vor Ort aus – für Handwerksdienste und touristische Angebote, aber auch für den alltäglichen Bedarf. «Auf Adelboden hochgerechnet wären das über 30 Millionen Franken im Jahr», meint Waser nicht ohne Stolz.
Konfrontation ist nicht Wasers Stil
Das klingt so, als müssten Einheimische und Gäste froh sein, einander zu haben. Doch bei genauerem Hinsehen hapert es an dieser Front noch immer ein wenig. Primär mag das an der Geschichte des VSA liegen, der am 19. Dezember 2009 schliesslich als eine Art Kampfansage gegründet wurde. Aufhänger waren die erhöhten Stromtarife der Licht- und Wasserwerke Adelboden AG für Zweitwohnungsbesitzer – eine Praxis, die mittlerweile vom Bundesgericht als zulässig eingestuft worden ist. Schon bald darauf folgte ein jahrelanger Streit um die Höhe der Kurtaxen und deren Verwendung. «Ich selbst war nicht im Vorstand, habe aber mitbekommen, wie viel Energie und Geld beide Seiten aufgebracht haben», erinnert sich Waser. «Danach herrschte erst einmal kalter Krieg – eine ganz spezielle Stimmung.»
Eines habe diese eher düstere Phase aber gebracht: «Die Adelbodner wissen, dass da jemand ist, der Position beziehen und einen gewissen Einfluss üben kann.» Inzwischen werde man auch zunehmend zu Workshops und Versammlungen eingeladen. Waser spürt deutlich mehr Entgegenkommen und offeriert dies auch seinerseits. Unter seiner Ägide sind etwa die Tandemgespräche eingeführt worden. Vorstandsmitglieder treffen sich regelmässig mit den Partnern vor Ort (Adelboden Tourismus, Bahnen, Gemeinde, Handwerker- und Gewerbeverband, IG Dorf, FürAdelboden, TALK, LWA, AFA) zu einem Austausch. Auch zum Altjahrsapéro kämen stets auch einige Vertreter. Konfrontation, betont Waser, sei so gar nicht sein Stil. «Miteinander kann man viel mehr erreichen», lautet sein Credo.
Verhinderer auf beiden Seiten
... könnte man viel mehr erreichen, müsste es eigentlich heissen. Denn was das Miteinander betrifft, besteht aus Sicht des VSA-Chefs noch Ausbaupotenzial. «Wir haben ausgewiesene Experten in unseren Reihen, die ihre Erfahrung gern einbringen würden, um gemeinsam etwas auf die Beine zu stellen.» Waser denkt da etwa an die Freizeit- und Sportarena, die zunehmend unter roten Zahlen ächzt. «Ich wüsste jemanden, der sich auf dem Gebiet auskennt und helfen könnte. Aber wir können niemanden zwingen, diese Hilfe anzunehmen», ist er sich bewusst. Vielleicht ist es gerade diese angebotene Unterstützung, die von manchen Adelbodnern als Arroganz wahrgenommen wird. Doch das will Waser weder bestätigen noch dementieren. «Ich finde es einfach schade.»
Was er ebenso bedauert, ist das Ende des Projekts «Bernahof». Der Investor und Hotelbesitzer Werner Schmid habe schliesslich viel für den Ort getan. Auch, dass die geplante Bergbahn «Direttissima» bekämpft wird, versteht Waser nicht. «Ich finde das Vorhaben genial, aber das ist meine persönliche Meinung.» Der VSA-Vorstand habe beschlossen, sich neutral zu verhalten. Ist das aber eine weise Entscheidung? Schliesslich sind es in beiden Fällen vor allem Zweitwohnungsbesitzer, die als «Blockierer» auftreten. Im Dorf herrscht darüber einiger Unmut. Müsste der VSA sich nicht öffentlich von den Einsprechern distanzieren – zumal diese nicht einmal Mitglieder sind? «Wir vertreten grundsätzlich keine Einzelinteressen», betont der Präsident, «bekämpfen diese aber auch nicht aktiv. Wir mischen uns nur dort ein, wo Zweitwohnungsbesitzer als Kollektiv betroffen sind.» Der örtliche Verkehr sei so ein Fall. Waser würde begrüssen, wenn sich mehr Einheimische an Tempo 30 hielten. Vergeblich hatte er sich sogar für eine 20er-Zone stark gemacht. Auch bei der Verwendung der Kurtaxen hätte sein Verein gern ein Wörtchen mitzureden.
Unterstützung für den Weltcup?
Die Beziehung zwischen Gast und Einwohner besteht für den VSA-Präsidenten aus einem Geben und Nehmen. Was aber trägt sein Verein dazu bei, das Dorf am Leben zu halten? Der finanziell darbende Weltcup erhält beispielsweise immer mehr Zusicherungen von lokalen Partnern – etwa dem Handwerker- und Gewerbeverein sowie den Hoteliers (der «Frutigländer» berichtete). Will auch der VSA dem Grossanlass unter die Arme greifen? «Auch wenn der Weltcup kein Event für die Gäste ist, sind wir uns seiner Bedeutung bewusst», versichert Waser. Ob und in welcher Form man helfen werde, sei noch nicht entschieden. «Unsere Vereinskasse ist nicht so üppig. Letztes Jahr schlossen wir mit einem Verlust ab, weil wir in unsere Administration und Software investiert haben.» Der vergleichsweise niedrige Mitgliedsbeitrag (60 Franken pro Paar, 40 Franken pro Person) erlaube keine grossen Sprünge, um Projekte zu unterstützen. Als Konsumenten und vielfach auch als Aktionäre setze man sich aber ohnehin schon dafür ein, dass das Angebot erhalten bleibe. Und was das «Lädelisterben» im Dorf betrifft: «Das können wir nicht allein verhindern – da sind auch die Einheimischen gefragt.»
Gut aufgestellt, aber Nachfolgesorgen
«Wahrung der Interessen der Zweitwohnungsbesitzer, gesellschaftliche Anlässe für Mitglieder und Sponsoring von Fall zu Fall sind die drei Pfeiler unseres Vereins», erklärt Waser. Und zehn Jahre nach seiner Gründung ist dieser besser aufgestellt denn je. Während andere Vereine über Mitgliederschwund klagen, wächst der VSA: In den letzten zwei Jahren sind 149 Mitglieder hinzugekommen, mittlerweile sind es 563. «Wir haben schon wieder drei neue Kandidaten für den Vorstand. Erstmals besteht dieser aus mehr Frauen als Männern», schmunzelt der Präsident. Einzig die Nachfolge bereitet Waser zuweilen Sorgen. Viele Zweitwohnungsbesitzer müssten ihre Immobilie verkaufen, da es an familieninternen Abnehmern mangele. Doch auch extern werde die Nachfrage kleiner. «Langfristig müssen wir wohl über neue Modelle nachdenken – zum Beispiel, dass zwei oder drei Besitzer sich eine Wohnung teilen.»
Trotzdem: Für den VSA sieht es zurzeit gut aus. Sein zehnjähriges Bestehen feierte der Verein im August im «Bären». Ausserdem stiftete er – wohl auch als Zeichen der Annäherung – Adelboden eine Sitzbank. Diese steht nun mitten auf dem Dorfplatz, einem Begegnungszentrum.
Prix Lohner und Tandem
Zur Gründungsversammlung am 19. Dezember 2009 fanden sich 81 Zweitwohnungsbesitzende im Hotel Viktoria Eden ein. Auf dem Programm des VSA stand nebst dem Einsatz für eigene Interessen immer auch die Würdigung herausragender Leistungen fürs Dorf. Bereits 2011 wurde der erste «Prix Lohner» vergeben – er ging damals an Margrit und Walter Lips für ihre gewaltige Postkartensammlung. Dieses Jahr erhielt ihn Reto Koller als Vertreter der «IG Dorf».
Punktuell unterstützte der Verein auch Personen oder Projekte. So griff man etwa 2011 einer Familie unter die Arme, deren Bauernhaus abgebrannt war. Spätestens seit 2017 – dem Jahr, in dem der Kurtaxenstreit beigelegt wurde – setzt der VSA verstärkt auf Dialog mit dem Dorf. Zu diesem Zweck hat er wiederkehrende Tandemgespräche eingeführt.
HÜS