Der Präsident «zum Anfassen»
24.01.2020 Krattigen, PolitikEr war Baupolitiker aus Leidenschaft und Lobbyist für die Vereine: 19 Jahre stand Christian Kummer im Dienste der Gemeinde – davon neun als Präsident. Was ihn dabei stets auszeichnete, war seine Nähe zum Volk.
BIANCA HÜSING
Fängt er an, über Krattigen zu ...
Er war Baupolitiker aus Leidenschaft und Lobbyist für die Vereine: 19 Jahre stand Christian Kummer im Dienste der Gemeinde – davon neun als Präsident. Was ihn dabei stets auszeichnete, war seine Nähe zum Volk.
BIANCA HÜSING
Fängt er an, über Krattigen zu sprechen, ist Christian Kummer kaum noch zu bremsen. Mit jeder Faser scheint der 49-Jährige Gemeindepräsident zu sein, allein: Er ist es nicht mehr. Vor vier Wochen hat er das Amt an seinen Nachfolger Stephan Luginbühl weitergegeben, heute ist er im Gemeindehaus nur noch zu Gast. «An diesen Zustand muss ich mich erst gewöhnen», bekennt er lachend. Hie und da kommen zwar noch Anrufe, ansonsten aber ist es recht still geworden auf seinem Natel. Auch mit dem Informationsmonopol war vom einen auf den anderen Tag Schluss. «Mich würde schon interessieren, wie es mit gewissen Projekten weitergeht. Aber jetzt muss ich auf die nächste Gemeindeversammlung warten wie jeder andere.» Von Rücktrittsschwermut kann indes keine Rede sein. Den Zeitpunkt hat Kummer vor über einem Jahr festgelegt, und das aus gutem Grund. Wenn im nächsten Jahr Gesamterneuerungswahlen anstehen, soll wenigstens der neue Ratspräsident schon eingearbeitet sein.
Gute Steuerzahler, volle Schule
19 Jahre lang hat Kummer die Geschicke der Gemeinde mitgeprägt, zunächst als Mitglied der Baukommission, ab 2007 als Gemeinderat und seit 2011 schliesslich als Präsident. Der Abteilung Bau und Planung – dem «schönsten aller Ressorts» – blieb er dabei durchweg treu. Auch dies war kein Zufall, ist er doch als Bauunternehmer bestens mit der Materie vertraut. «Im Krattiger Gemeinderat bringt jeder seine Stärken ein, das ist unglaublich effizient», findet er. Hier gebe es keine Ortsparteien, die von vornherein Ansprüche auf gewisse Ressorts erheben.
Und so schaut Kummer mit Genugtuung auf die Entwicklung seines Ortes, die unter anderem auch auf eine vorausschauende Baupolitik zurückzuführen sei. «Wir haben einen moderaten Steuersatz, und gleichzeitig sind alle Gemeindegebäude à jour.» Auch habe man mit der Erschliessung grösserer Siedlungsgebiete zu einer lebendigen und zukunftsfähigen Gemeinde beigetragen. «Die Überbauung Quellenweg ist ein Musterbeispiel. Dort haben wir eine gesunde Mischung aus Ein- und Mehrfamilienhäusern, Mietwohnungen und Eigentum – und damit auch aus Senioren, guten Steuerzahlern und Kindern.» Deshalb habe Krattigen nun das «schöne Problem», dass der Platz im Schulhaus knapp und ein Anbau nötig werde.
Politik und Volk sind zusammengerückt
Zu einer lebendigen Gemeinde gehören freilich auch Vereine. Wer wüsste das besser als Christian Kummer, der lange Zeit die Musikgesellschaft präsidierte und seit über 20 Jahren dem Schützenverein vorsteht? «Immer, wenn im Dorf was läuft, stecken Vereine dahinter. Das hat einen enormen sozialen Wert, den man mit Geld kaum aufwiegen kann», ist er überzeugt. Leider habe die Gemeinde dies nicht immer zu würdigen gewusst und die nötige Unterstützung missen lassen. «Manchmal hatte ich das Gefühl, dass die Vereine und die Gemeinde zwei Fronten bildeten.» Dass das inzwischen deutlich anders ist, schreibt sich Kummer als Vereinslobbyist auch ein Stück weit selbst zu. Insgesamt sei die Behörde näher an die Bevölkerung herangerückt. «Der Apéro nach der Gemeindeversammlung war eine der besten Ideen überhaupt.» Dort stünden PolitikerInnen und BürgerInnen manchmal länger zusammen, als der offizielle Teil dauere.
Der passionierte Schütze sah es stets als seinen Vorteil, «einer aus dem Volk» zu sein und damit eine gewisse Glaubwürdigkeit zu geniessen. «Die meisten Anlässe hätte ich auch ohne mein Amt besucht. Ich musste nie eine Rolle spielen.» Man habe ihn deshalb auch schon als Präsident «zum Anfassen» bezeichnet.
«Mein Geschäft lief auf dem letzten Zacken»
Aus eigener Erfahrung weiss Kummer allerdings auch, dass Volksnähe nicht immer nur von Vorteil ist. Wenn sich beim Feierabendbier plötzlich jemand über zu hohe Gebühren beschwerte oder es allzu persönlich wurde, nahm er Abstand und verwies auf seine Sprechstunden. «Man steht als Gemeindepräsident natürlich in der Schusslinie und wird für einiges verantwortlich gemacht.» Damit habe er an sich gut leben können, solange die Anschuldigungen nicht auf Lügen oder Unwissen beruhten. Ein paar Mal wurde ihm vorgeworfen, sich die Bauaufträge der Gemeinde selbst zuzuschanzen. «Dabei habe ich in solchen Fällen nie mitgeboten, und das kann man auch in sämtlichen Protokollen nachprüfen.» Im Gegenteil habe er sein Unternehmen durch die Zurückhaltung um einige interessante Projekte gebracht.
So verwundert es nicht, dass Kummer sich von nun an stärker seinem Zwei-Mann-Betrieb widmen will. Die Zeiten, in denen er mehrmals pro Woche zur Gemeindeverwaltung musste, sind vorbei. «Mein Geschäft lief auf dem letzten Zacken – und nicht alle Kunden hatten Verständnis dafür.»
Das Interesse ist nach wie vor gross
Trotzdem möchte Christian Kummer kein einziges Jahr als Gemeindepolitiker missen. Er habe gelernt, Wichtiges von Unwichtigem zu unterscheiden, habe eine grosse Menschenkenntnis entwickelt und verstehe mittlerweile auch, warum in der Politik die Mühlen langsamer mahlen. «Früher gehörte ich zu denen, die sich darüber am lautesten ereifert haben. Heute weiss ich: Viele Geschäfte brauchen einfach ihre Zeit.» Und auch wenn sein Amt ihm manchmal an die Substanz ging, wusste Kummer stets eine «unglaublich gute Verwaltung» hinter sich. Diese habe man in den letzten Jahren aufgestockt, um die Trennung zwischen politischer und operativer Führung besser zu gewährleisten.
Sein Interesse fürs Dorfgeschehen ist nach wie vor ungebrochen. Auch künftig will der 49-Jährige möglichst jede Gemeindeversammlung besuchen – und dazu beitragen, dass der Gemeinderat keine Nachwuchssorgen bekommt. Sein grosses Netzwerk bei den Krattig-Schützen und in der Musik dürfte ihm wohl dabei helfen. Dass er für sein Amt bereits einen erfahrenen Nachfolger gefunden hat, stimmt Kummer zuversichtlich. Selbst noch einmal aktiv in die Politik einsteigen – beispielsweise als Grossratskandidat – will er indes nicht. «Ich verfolge das Ganze lieber aus der Ferne. Sonst würde ich mich nur aufregen.»