Die Texterin des Alpentheaters
31.01.2020 Reichenbach, Kiental, KulturLetzten Samstag wurde «Vetterli’s Wirtschaft» uraufgeführt. Einmal mehr wirkte Maria Steiner bei der Produktion mit. Laufend schrieb sie die von den Schauspielenden improvisierten Texte nieder. Was daraus entstanden ist, kann sich sehen lassen.
KATHARINA WITTWER
Letzten Samstag wurde «Vetterli’s Wirtschaft» uraufgeführt. Einmal mehr wirkte Maria Steiner bei der Produktion mit. Laufend schrieb sie die von den Schauspielenden improvisierten Texte nieder. Was daraus entstanden ist, kann sich sehen lassen.
KATHARINA WITTWER
«Das Theater mit seinen verschiedenen Facetten fasziniert und begleitet mich seit meiner Kindheit», erzählt Maria Steiner. Ihr erstes Stück schrieb die gebürtige Spiezerin mit 13 Jahren für einen kleinen Freundeskreis. Auch trug sie in der Pfadi gemeinsam verfasste Sketche vor und machte später mit einem Bühnenpartner politisches Kabarett. An der Oberstufenschule, an der sie unterrichtete, leitete sie das Freifach Theater. Fand sie kein zur Gruppe passendes Stück, das sie ins Berndeutsche übersetzen und den lokalen Gegebenheiten anpassen konnte, griff sie gleich selber zur Feder und liess die Kinder auch mal improvisieren.
Eine fruchtbare Zusammenarbeit
Viele Jahre war sie bei der Produktion des Thuner «Winterzaubers» engagiert, wo sie unter anderem «Pippi Langstrumpf», «Der Zauberer von Oz» oder «Die Kleine Hexe» bearbeitete. Bei zwei Produktionen arbeitete sie mit Sjoukje Benedictus zusammen. Steiners Auftakt als Texterin fürs Alpentheater begann 2015, als in Aeschiried «Übere Gartezuun» aufgeführt wurde.
«Mir entspricht die Art und Weise, wie Sjoukje ihre inzwischen bekannten und pikant gesellschaftskritischen Stücke entstehen lässt. Sie gibt ein aktuelles Thema vor und lässt die Mitwirkenden vom ersten Treffen an mitreden und improvisieren.» Auch Maria Steiner ist von Anfang an dabei, macht Notizen oder Videoaufnahmen und schreibt anschliessend die Texte auf oder passt sie bis zur nächsten Probe an. Sich hinzusetzen und ein Theaterstück zu schreiben, würde wohl kein vergleichbares Resultat ergeben, sagt sie. Sie müsse das Zusammengetragene mit allen Sinnen erleben. Mit ihrer langjährigen Erfahrung als Regisseurin habe Sjoukje Benedictus ein feines «Gspüri» und merke sofort, wo es hapert, wo etwas fehlt, ob sich Wiederholungen eingeschlichen haben oder Pointen nicht funktionieren. «Dann bin wieder ich gefragt», so die Autorin
Die Entstehungsgeschichte von «Vetterli’s Wirtschaft»
Letzten Oktober fingen die Profischauspielenden Barbara Tellenbach, Martin Kaufmann und Jonas Furrer unter der Leitung von Sjoukje Benedictus in der ehemaligen Postautogarage im Kiental mit den Proben an. Nach der Ausarbeitung des Grobkonzepts begannen Maria Steiners Recherchen. Die Viel-Leserin durchkämmte Zeitungen und Internet nach aktuellen Beispielen von Vetternwirtschaft und Korruptionsfällen. «Je mehr ich mich damit beschäftigte, desto häufiger stolperte ich über haarsträubende Tatsachen.» Einige davon wurden in die Produktion eingebaut und miteinander verflochten.
Die pensionierte Deutschlehrerin hat ein Flair für Dialekte. Dadurch fiel es ihr recht leicht, die Sprache der Protagonisten – Thurgauer-, Zürcher- sowie Luzernerdeutsch – zu berücksichtigen und weitere miteinzubeziehen. Die beiden Schauspieler verkörpern im Stück nämlich je vier ganz unterschiedliche Personen verschiedener Herkunft. «Eine besondere Herausforderung war für mich das Schreiben der Liedtexte. Die Satzstellung im Bündner- und Berndeutschen ist zum Teil ganz anders. Und reimen sollte es sich auch noch …»
Nach der Premiere lässt Maria Steiner dem Stück seinen Lauf und geniesst die Vorstellungen ab und zu als ganz gewöhnliche Zuschauerin.
Ein Wirtschaftskrimi auf der Bühne
PREMIERE «Mit Schaffe alleini chunnsch uf ke grüene Zweig!» Diesen Satz hörte man mehr als einmal während der Aufführung von «Vetterli’s Wirtschaft». Welche Baufirma kriegt den Auftrag? Jene, die dem Bauverwalter bei seinem Haus so nebenbei und natürlich kostenlos den Vorplatz asphaltiert, das Dach repariert oder den Umschwung verschönert?
Eine Bundesangestellte hat derweil Zugang zu sämtlichen Unterlagen im Departement – so auch zu einer Hilfslieferung in den Kongo. Macht ihr ein selbsternannter Wirtschaftslobbyist schöne Augen und das Angebot, etwas in ihre eigene Tasche hinzuzuverdienen, wird sie verständlicherweise weich. Die Papiere für den Inhalt der Hilfscontainer auf dem Rückweg lassen sich ganz einfach fälschen.
Einem Wirtepaar steht daneben das Wasser bis zum Hals. Ein grosszügiges Angebot, die Garage zu erweitern und einen Teil davon für Container mit unbekanntem Inhalt zu vermieten, kommt ihnen da gerade recht. Auch hier fliesst selbstverständlich Schmiergeld. Einen lukrativen Job hat unterdessen der Hacker, der von verschiedenen Personen um Hilfe gebeten wird.
Barbara Tellenbach und Martin Kaufmann schlüpfen gekonnt von einer Rolle in die nächste und verflechten alle diese Teile miteinander. Jonas Furrer hat die Musik komponiert und begleitet das Bühnenduo bei ihren Liedern. Zwischendurch liest er zum Stück passende Zitate aus verschiedenen Zeitungen vor und ist für die Geräuschkulisse zuständig.
Inspiriert ist das Stück unter anderem vom Bündner Bauskandal, vom umstrittenen Bundesanwalt Michael Lauber und vom Genfer Staatsrat Pierre Maudet. «Vetterli’s Wirtschaft» ist ein wahrer Polit- und Wirtschaftskrimi wie aus dem realen Leben. Auf den Punkt brachte es eine Besucherin: «Das war nun wirklich eine spannende Weiterbildung!»
KATHARINA WITTWER
Weitere Aufführungen im Kleintheater Kiental:
Februar: Samstag, 1., Sonntag, 2., Samstag, 22., Sonntag, 23., Samstag, 29. März: Sonntag, 1., Samstag, 7., Sonntag, 8., jeweils 16 Uhr. Weitere Vorstellungen im Theater am Käfigturm, Bern. Vorverkauf unter Tel.033 676 25 65 oder online auf www.alpentheater.ch