Mit viel Herzblut für die alten Menschen
31.01.2020 Reichenbach, Kiental, GesellschaftPORTRÄT Franziska Schranz kommt ins Schwärmen, wenn sie von ihrer Arbeit spricht. Die Gesamtleiterin der Pro Senectute Häuser Frutigen und Reichenbach will die beiden Pflegeheime als Vorzeigebetriebe im Tal etablieren – und gesellschaftlich etwas bewegen.
RACHEL ...
PORTRÄT Franziska Schranz kommt ins Schwärmen, wenn sie von ihrer Arbeit spricht. Die Gesamtleiterin der Pro Senectute Häuser Frutigen und Reichenbach will die beiden Pflegeheime als Vorzeigebetriebe im Tal etablieren – und gesellschaftlich etwas bewegen.
RACHEL HONEGGER
«Eine Leitung braucht eine Vision», sagt Franziska Schranz. «Man muss wissen, wohin man will, sonst kann man einen solchen Job nicht machen.» Die Arbeit in einer Führungsposition war allerdings nie die persönliche Vision der Geschäftsführerin. Sie habe keine Karriere geplant, ganz im Gegenteil: Sie sei da so reingerutscht, es habe einfach das eine das andere ergeben.
Mehr Anerkennung für Langzeitpflege
Die Mutter von drei Kindern – einer 14-jährigen Tochter und zweier Söhne im Alter von 16 und 18 – hat ursprünglich Pflegefachfrau gelernt. «Damals hiess es noch Krankenschwester», erzählt sie. An der Engeriedschule in Bern absolvierte sie die Ausbildung. «Ich musste noch einen Unterrock mitnehmen zum ersten Arbeitstag, das vergesse ich nie», lacht Franziska Schranz. Und dabei ist das noch gar nicht so lange her, Franziska Schranz wird im März gerade mal 45 Jahre alt. Später hat sie sich weitergebildet in komplementärmedizinischer Pflege und in der Institutionsleitung.
Nach der Ausbildung wechselte sie in die Langzeitpflege. Denn die ist ihre grosse Leidenschaft. Das merkt man bei jedem Satz, den sie spricht, voll Begeisterung und Enthusiasmus. Und genau so setzt sie sich auch für die Wertschätzung ihres Fachbereichs ein. Der Pflegeberuf geniesse leider in der Akutpflege immer noch die grössere Anerkennung als in der Langzeitpflege. «Das hat damit zu tun, dass unsere Gesellschaft medizinaltechnische Verrichtungen höher wertet als zwischenmenschliche Beziehungen.» Dies sei manchmal auch ermüdend. Seit über 20 Jahren kämpft sie für die Anerkennung der Fachpersonen im Langzeitbereich. Hier ist es wichtig, dass das Personal in Beziehung tritt mit den Menschen. Und da braucht man ganz andere Werkzeuge und einen anderen fachlichen Hintergrund. Es geht um Themen wie Kommunikation, Krise, Trauer oder Demenz, um nur einige zu nennen.
Der Mensch steht im Zentrum
«Ich mag Menschen, egal in welchem Alter», sagt Franziska Schranz. Das war mit ein Grund, warum sie sich 2017 für den Leitungsposten in Reichenbach entschied und zwei Jahre später für die Gesamtleitung der beiden Pro Senectute Häuser Frutigen und Reichenbach. «Meine Motivation war, etwas zu bewegen für die Leute, die in diesen Häusern leben und arbeiten.» Sie habe keine Angst vor Neuem. Im Gegenteil, bei zu viel Routine und zu wenig Herausforderung werde es ihr schnell langweilig. So entwickle man sich auch selber weiter. «Wir lernen voneinander, egal in welcher Position wir sind.»
Auch Schranz hat sich über die Jahre weiterentwickelt in ihrem Beruf. Ins Haus Reichenbach kam die gebürtige Spiezerin 2008 nämlich zuerst als Gruppenleiterin, anfangs noch mit einem 50-Prozent-Pensum. Da war ihr jüngstes Kind gerade drei Jahre alt. Später übernahm sie die Bereichsleitung Pflege. «Ich bin vor dem grossen Umbau reingerutscht. Die ganze Umstrukturierung von Pflege und Neubau konnte ich mitleiten und mitgestalten.»
Wiederum nur zwei Jahre später übernahm Franziska Schranz die Institutionsleitung in Reichenbach. «Ich habe es mir lange überlegt. Als ich von meiner Vorgängerin angefragt wurde, da bin ich fast vom ‹Stüeli› gefallen.» Sowieso sei sie bei jeder neuen beruflichen Station herausgefordert worden, zu überlegen: «Will ich das und kann ich das?» Und sie habe jedes Mal entschieden: «Ja, ich kann und will!»
Die Familie im Rücken
Natürlich musste das mit der Familie abgesprochen werden. Ihr Mann habe sie immer unterstützt. «Er war von Anfang an sehr begeistert», erzählt Schranz. In einem zweiten Schritt hätten sie dann die Kinder mit ins Boot geholt und sie gefragt, wie es für sie wäre, wenn die Mutter weniger oft zu Hause ist und dafür der Vater vermehrt. Ganz ungewohnt sei das nicht gewesen, ihr Mann war vorher schon Teilzeithausmann. Heute arbeitet auch er in den beiden Pro Senectute Häusern als Mitarbeiter seiner Frau. Ohne seine Unterstützung wäre ihr berufliches Engagement nicht möglich gewesen. Aber Franziska Schranz betont: «Wenn man selber nicht zu 100 Prozent überzeugt ist, dann muss man sowas nicht tun. Wenn man sich aber selbst ganz sicher ist, dann», so sei es ihre Erfahrung, «zieht auch das Umfeld mit.» Und so war es auch mit ihren Kindern, als es um den Leitungsposten ging. «Es war eindrücklich», erinnert sich Franziska Schranz: «Alle drei Kinder fanden: ‹Mam, sicher, mach das!›»
Und so kam Franziska Schranz, die nach der Geburt ihrer Kinder einige Jahre Vollzeitmutter war, zuoberst auf der Karriereleiter an, ohne dies je geplant zu haben.
Jung und Alt verbinden
So wenig sie einen Plan hatte für ihre eigene berufliche Zukunft, so sehr hat sie aber eine Vision für die beiden Pro Senectute Häuser: Die Generationenverbindung, die sei ganz klar in der Strategie der beiden Häuser verankert. Ebenso wichtig ist ihr, dass beide Standorte als offene Häuser geführt werden. Mit ihrem Herzblut und ihren Visionen prägt Franziska Schranz nicht nur das Leben und Arbeiten in den beiden Pflegeheimen, sie fördert auch eine Kultur des Austauschs zwischen Jung und Alt. Denn ein offenes Haus, das bedeutet nicht nur, dass jeder ein und aus gehen kann, sondern auch, dass die Leitung bewusst Leute von extern in die Häuser holt.
So sind beispielsweise die Restaurationsbetriebe in beiden Häusern öffentlich. Am Standort Reichenbach gibt es einen Mittagstisch für die Schulkinder, immer zusammen mit einigen Bewohnern. Im Tal bekannt sind inzwischen die jährlichen Themenwochen wie das Oktoberfest in Reichenbach oder die Alpaufzugswoche in Frutigen. Musikschulproben und -aufführungen sowie Konzerte und Vernissagen beleben den Alltag im Heim. Die Väter- und Mütterberatung findet Platz in den Räumen des Pflegeheims genauso wie regelmässige Sportkurse für Externe. Ausserdem sind bereits neue Projekte angedacht, um die Kleinsten mit den Ältesten in Kontakt zu bringen, zum Beispiel in Zusammenarbeit mit der Kita.
Es gilt das «Normalitätsprinzip»
Kunst, Kultur, Tradition – all das sei wichtig, damit Menschen überhaupt miteinander in Kontakt kommen, ist Franziska Schranz überzeugt. Zusammen mit ihrem Team entstehen die Ideen. Manchmal brauche es etwas Mut und Nachdruck. Dabei geht es Schranz immer um das «Normalitätsprinzip». Wenn jemand in ein Pflegeheim eintrete, dann sei das ein einschneidender Schritt, da müsse man auch nichts beschönigen. «Aber es geht darum, möglichst viel Normalität in den Alltag zu bringen und normale Kontakte zu ermöglichen. Je mehr ich die Häuser öffne, desto mehr kann dieser Kontakt stattfinden und desto weniger ist vielleicht auch das Alter in der Gesellschaft ein Tabu.» Natürlich wären nicht immer alle Bewohner von allen Aktivitäten begeistert, so spiele halt das Leben. Wenn Kinder im Haus sind, kann es durchaus mal laut werden. Doch wenn sich die Bewohner auch mal über etwas aufregen, dann sei das nichts Negatives, im Gegenteil. «Das zeigt, dass man am Leben teilnimmt und aktiv ist.»
Aktiv bleiben, agil und beweglich, das will Franziska Schranz auch mit ihren beiden Pro Senectute Häusern, egal was auf sie zukommt. Denn zu ihrer Vision gehört auch, dass sie die beiden Heime als Vorzeigebetriebe im Tal weiter etablieren kann, personell wie fachlich. Viel bewegt hat sie bereits.