Traditionen im Vergleich

  24.01.2020 Kandersteg, Kultur

Das Thema Brauchtum interessierte uns sehr, weshalb wir zwei Kulturanlässe aus dem Haslital und aus Kandersteg verglichen haben.

Das wichtigste Brauchtum im Hasli ist die Altjahrswoche mit dem Ubersitz, eine Tradition mit keltischem Ursprung. Die Bewohner des Bergtals versuchten in den längsten Nächten des Jahres vom 26. Dezember um Mitternacht bis zum letzten Werktag des Jahres, seit vorchristlicher Zeit, die bösen Geister aus dem alten Jahr zu vertreiben.

Der Pelzmartiga stammt ebenfalls aus vorchristlicher Zeit, mit dem Zweck, am 25. Dezember die bösen Geister zu vertreiben und am 1. Januar die guten Geister herbeizurufen.
Ab dem 26. Dezember ziehen im ganzen Haslital insgesamt neun Trychelzüge, mit demselben Zweck wie früher, die bösen Geister aus dem Jahr zu vertreiben, in den Dörfern umher. Ein Trychelzug besteht aus ungefähr 100 Personen von Jung bis Alt, welche mit Trommeln, Trycheln und Glocken im Trychelmarsch von Wirtschaft zu Wirtschaft ziehen. Damit alles in Einklang ist, hat jeder Trychelzug einen Trychelmajor. Diese sprechen sich untereinander ab und organisieren alles. So geht es die ganze Woche bis zum letzten Werktag des Jahres. Der Höhepunkt der Woche ist der sogenannte Ubersitz. Dieser ist meist vom 30. auf den 31. Dezember, jedoch darf der Ubersitz nicht auf einen Sonntag fallen. Am Ubersitz versammeln sich die Trychelzüge aus Schattenhalb, Hausen, Iisenbolgen, Unterbach, Hasliberg und Meiringen im Talboden in Meiringen. Der Trychelmarsch steckt vielen Oberhaslern im Blut. Obwohl einige tausend Besucher von nah und fern die Strassen von Meiringen füllen, ist die Altjahrswoche nicht mit einer Fasnachtswoche oder ähnlichen Anlässen mit Glockenzügen zu vergleichen.

In der Altjahrswoche ist alles ein wenig gelassener. Für die Hasler wird die Nacht zum Tag. Die festliche Stimmung, das Lumpenliedersingen sowie das Trycheln macht die Woche einzigartig. Ebenfalls etwas Spezielles und Einmaliges ist der «Ubersitzler». In dieser Zeitung sind manch lustige Missgeschicke von Leuten beschrieben, die Texte sind in «Haslidiitsch» geschrieben und anonym verfasst.
Beim Kandersteger Pelzmartiga ziehen die jungen Männer an Weihnachten und am Neujahrstag vom Mittag bis in die späten Abendstunden durch das Dorf. Der Start ist jeweils um 12 Uhr und danach gehen sie von Wirtschaft zu Wirtschaft durch ganz Kandersteg. Sie mischen sich unter die Einheimischen und die Touristen und erschrecken die Passanten mit Kettengerassel und Treicheln, mit denen sie einen «Heidenlärm» erzeugen. Ihr Auftreten ertönt wie ein Alpabzug. Mit allerlei Schabernack erschrecken sie Gross und Klein und dringen in die Gaststuben ein. Die Verkleideten sind insgesamt neun junge Männer ab 18 Jahren. Einer von diesen neun organisiert alles. Unter dem Jahr werden die Kostüme verborgen aufbewahrt und zum Pelzmartiga hervorgenommen. Die insgesamt neun verschiedenen Figuren repräsentieren eine Gefahr von früher. Ein paar Beispiele:
• Der Grossmarti trägt eine Pelzhaube und ist mit Fell bedeckt. Er steht für die Furcht vor Bär und Wolf.
• Das Huttefroueli trägt in ihrer Hutte ihren kriegsversehrten Mann. Dies erinnert an Kriege, in welche auch Kandersteger einrücken mussten.
• Der Spielkartenmann ist über und über mit Jasskarten bedeckt. Diese Figur wird gegen den Spielteufel, die Wirtshaushockerei und das unüberlegte Geldausgeben eingesetzt.
• Das Herri ist ein vornehm gekleideter Herr im Frack, mit Zylinder und weissen Handschuhen. Mit seiner Peitsche hält er die wilde Bande zusammen und weist sie in die Schranken.

Gemeinsamkeiten und Unterschiede
Nicht alle Trychelzüge sind gleich. Einige sind als «Boozi» verkleidet, ein anderer Zug kommt traditionell im Berner Kühermutz oder in zivil. Unter einem «Boozi» versteht man eine ältere Madame. Die Kostüme werden selbst gemacht und sind individuell auf die jeweiligen Trychelzüge abgestimmt.

Im Vergleich zum Pelzmartiga sind die Kostüme jedes Jahr dieselben, mit einer bestimmten Bedeutung. Die Dauer der beiden Anlässe unterscheidet sich ebenfalls enorm. Ein anderer Kontrast sind die Teilnehmer. In Kandersteg sind es neun Personen im Alter von 18 Jahren. Im Hasli sind es über 100 Personen pro Trychelzug und das Alter variiert von Jung bis Alt.

Beide Anlässe haben gemein, dass sie in der Bevölkerung eine grosse Freude auslösen. Für junge Kandersteger ist es ein langjähriger Kindheitstraum, ein Teilnehmer am Pelzmartiga zu sein. Bei jedem echten Hasler fängt es schon anfangs Dezember an zu kribbeln. Das fröhliche und lustige Beisammensein, das Trycheln sowie das Zuhören der Trychelzüge ist ein wahres Fest und erwärmt so manches Herz.

Diese beiden Brauchtümer zu vergleichen hat uns viel Freude bereitet und wir konnten viel über den uns noch unbekannten Pelzmartiga erfahren. Wir hoffen, dass beide Bräuche, trotz der Modernisierung, noch viele Jahre bestehen bleiben.

SINA MAURER, SVENJA WEHREN


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