«Man scheint dort vieles lockerer zu nehmen»
18.02.2020 Region, Bildung|SchuleIm dritten Lehrjahr als Logistikerin bot sich Marina Schmid die Gelegenheit, ein Praktikum in Deutschland zu absolvieren. Sie erzählt dem «Frutigländer» von ihren Erfahrungen.
KATHARINA WITTWER
Marina Schmid lernt einen eher männlichen Beruf: Logistikerin. ...
Im dritten Lehrjahr als Logistikerin bot sich Marina Schmid die Gelegenheit, ein Praktikum in Deutschland zu absolvieren. Sie erzählt dem «Frutigländer» von ihren Erfahrungen.
KATHARINA WITTWER
Marina Schmid lernt einen eher männlichen Beruf: Logistikerin. «Unsere Klasse am Berufsbildungszentrum Thun ist die erste, in der Frauen in der Mehrzahl sind», weiss sie. Nach ihrer Erstausbildung als Pferdefachfrau arbeitete sie mehrere Jahre als Diensthundeführerin bei der Securitas, erlangte später das Bürofachdiplom und entschloss sich mit 28, etwas Neues in Angriff zu nehmen. Eigentlich hätte sie die Logistikerinnen-Ausbildung auf zwei Jahre verkürzen können, doch sie entschied sich für die vollen drei Jahre.
Hier Stapler fahren, dort Schachteln auspolstern
In der Berufsschule BBZ IDM Thun wurde die Klasse auf die Möglichkeit zur Teilnahme am Kooperationsprojekt für Logistik-Lernende im dritten Lehrjahr aufmerksam gemacht. Dabei handelt es sich um einen dreiwöchigen Praktikumsaufenthalt in einem Betrieb in Norddeutschland. Die Frutigerin füllte die Anmeldeformulare aus und hoffte, zu den sechs Auserwählten zu gehören. Das Glück war ihr hold: Letzten November reiste sie mit vier Kollegen (die sechste Person war inzwischen wieder ausgestiegen) ins friesische Jever unweit der Nordseeküste.
In ihrem Lehrbetrieb, der Baumat AG in Wichtrach, fährt sie oft und gerne mit dem Gabelstapler. Gehwegplatten werden palettenweise zur Abholung bereitgestellt und Baustahl oder Türen sind sperrig. Ihr Praktikumsbetrieb stellt Naturfarben her und verschickt sie in die ganze Welt. «Die schwersten Gefässe wogen bloss 25 Kilo. Meine Hauptaufgabe bestand darin, die verschieden grossen Behälter in Kartonschachteln zu verpacken und sie so zu polstern, dass sie den Transport heil überstehen.»
Mit dem Fahrrad auf Irrwegen
Die fünf Schweizer wohnten gemeinsam in einem Ferienhaus. Für den Arbeitsund Schulweg wurde jedem ein Fahrrad zur Verfügung gestellt. Vor Ort angekommen, radelten alle gemeinsam unter kundiger Führung die verschiedenen Arbeitswege ab. «Logischerweise fuhren wir nicht nach jedem Anpeilen einer Firma zu unserem Domizil zurück. Weil ich mich auf dem topfebenen Land schlecht orientieren konnte, wählte ich am ersten Arbeitstag eine falsche Richtung und kam prompt zu spät. Das war mir sowas von peinlich!», blickt sie schmunzelnd zurück. Dies schien aber niemanden zu stören. «Überhaupt scheint man dort oben vieles lockerer und ruhiger zu nehmen als bei uns», ist ihr aufgefallen. Fast täglich sei jemand zu spät gekommen, doch hat sie deswegen nie ein lautes Wort eines Vorgesetzten gehört.
Im kleinen Team wurde die Schweizerin schnell und herzlich aufgenommen. Beinahe täglich zeigten ihr die Kollegen Neues, sodass die Zeit schnell vorüberging. Über den Tellerrand, genauer gesagt, über die Landesgrenze zu gucken und dabei Erfahrungen zu sammeln, sei nur positiv, blickt sie zurück.
Grosse Unterschiede in der Berufsschule
In Deutschland dauert die Logistiker-Ausbildung gleich lang wie in der Schweiz und die Lernenden besuchen ebenfalls einen Tag pro Woche die Schule. Die Teilnahme am Unterricht gehört zum Austauschprogramm. «Gelernt habe ich dort nicht viel Neues», fällt Marina Schmids Bilanz nüchtern aus.
Welche Fächer während der Ausbildung gelehrt werden, weiss die Frutigerin nicht. Während ihrer Anwesenheit in der Klasse waren es Management und Logistik. «Letzteres empfand ich für so kurz vor der Abschlussprüfung als etwas oberflächlich. Es wurde vor allem diskutiert.» Auch hat sie herausgefunden, dass das Ablegen der «Stapler-Prüfung» während der Lehre in Deutschland fakultativ ist, was sie bedauert.
Marina Schmid will nach Beenden der Lehre die Weiterbildung zur Logistikfachfrau in Angriff nehmen und später eventuell Disponentin werden. Die Antwort auf die Frage, ob sie die Teilnahme am Movetia-Projekt empfehlen würde, kommt wie aus der Pistole geschossen: «Auf jeden Fall! Es war eine super Erfahrung, die ich nicht missen möchte.»
Mehr zum Beruf LogistikerIn und zu Movetia finden Sie in unserer Web-Link-Übersicht unter www.frutiglaender.ch/web-links.html
Was ist «Movetia»?
Die nationale Agentur «Movetia» fördert und unterstützt den Austausch und die Mobilität im Bildungssystem innerhalb der Schweiz und im Ausland. Angebote gibt es für alle Bildungsbereiche von der Primar- bis zur Tertiärstufe, in der Aus- und Weiterbildung, in der Erwachsenenbildung sowie im ausserschulischen Bereich.
WI