Grosses Interesse am Inferno von 1827
25.02.2020 Frutigen, GesellschaftDer Andrang in der Aula des Widi-Schulhauses war so gross, dass viele Zuhörer wieder nach Hause geschickt werden mussten. Hans Eglis Vortrag über den grossen Dorfbrand wird nun wiederholt.
KATHARINA WITTWER
«Weshalb am Nachmittag des 3. Augusts 1827 im Hause von ...
Der Andrang in der Aula des Widi-Schulhauses war so gross, dass viele Zuhörer wieder nach Hause geschickt werden mussten. Hans Eglis Vortrag über den grossen Dorfbrand wird nun wiederholt.
KATHARINA WITTWER
«Weshalb am Nachmittag des 3. Augusts 1827 im Hause von Ratsherr Schneider an der Kreuzgasse (heute Haus Trachsel mit Goldschmied Rubin) das Feuer ausbrach, konnte nie geklärt werden. Eine glaubwürdige Theorie besagt, dass durch die Hitze und Trockenheit im Juli Risse im hölzernen Kamin entstanden seien, durch welche die Hitze von der Kochstelle entwich. Spinnweben lösten einen Mottbrand aus, der mit der Zeit die trockenen Balken und das Schindeldach entzündete», erzählte Hans Egli letzten Mittwoch in seinem Vortrag über den Dorfbrand von Frutigen.
Innert Minuten breitete sich das Feuer damals zu einem Inferno aus. Bewohner, herbeigeeilte Helfer und Feuerwehren aus der Umgebung versuchten vergeblich, mit ihren bescheidenen Mitteln der Flammen Herr zu werden. Am Abend wurden ein Todesopfer, 600 bis gegen 1000 Obdachlose (die Angaben variieren) und 130 abgebrannte Gebäude – davon 48 Scheunen – gezählt. Von betroffenen Tieren ist nichts überliefert – wahrscheinlich, weil das Vieh auf den Alpen weilte. Die Ernte auf den Feldern und in den «Pflanzblätzen» war noch nicht eingebracht. Somit waren die Wintervorräte grösstenteils gesichert.
Wiederaufbau in Windeseile
Bereits Mitte August 1827 standen im Widi Baracken mit zwei Einkaufsläden und einer Wirtschaft zur Verfügung. Der Kleine Rat von Bern beauftragte alt Oberamtammann Johann Ludwig Wurstemberger, der Frutigen von seiner früheren Tätigkeit auf der Tellenburg gut kannte, mit der Koordination des Wiederaufbaus und dem Verteilen der Spendengelder.
In Bern wurde ein Baureglement, unter anderem mit Vorschriften zu Hausabständen, erarbeitet, und man erstellte Pläne mit teilweise neuen Strassenführungen. Die Meinung der Frutiger wurde übergangen. Häuser im Dorfkern und Kamine mussten fortan gemauert sein, Dächer entweder mit Ziegel oder Schiefer gedeckt, und bei Häuserzeilen war eine Brandmauer als Abtrennung vorgeschrieben. Die Hauptstrasse (heute Kreuzgasse,Dorf- und Kanderstegstrasse) war neu luxuriöse neun Meter breit, und beidseitig davon war ein unbebauter Seitenstreifen von je 1,8 Metern Breite vorgeschrieben. Nicht alle Bauherren hielten sich an diese Vorschriften.
Die Geschichte mit der Schule
Sechs Jahre vor dem Brand war das Schulhaus unterhalb der Kirche in Betrieb genommen worden. Die damaligen Baukosten betrugen 8000 Franken. Um Prämie zu sparen, war es bloss für 5000 Franken versichert worden. Der Wiederaufbau an gleicher Stelle wurde trotzdem schnell an die Hand genommen und 1828 beendet. Wie im Vorgängerbau gab es zwei Lehrerwohnungen. Die zwei Schulzimmer mussten für 300 Kinder ausreichen. Die Kosten des Neubaus beliefen sich schliesslich auf 10 000 Franken. Dank finanzieller Hilfe aus Bern und Darlehen konnte diese Summe zusammengekratzt werden.
Zwischenzeitlich fand der Schulunterricht der Frutiger zuerst in der Kirche statt. Weil das Gotteshaus aber nicht beheizbar war, gingen 50 Kinder aus dem oberen Dorfteil später an einem unbekannten Ort im Oberfeld zur Schule. Für die anderen 70 Schüler-Innen konnte in einem vom Brand verschonten Gebäude ein Raum gemietet werden. Die Kinder der Familien, welche vorübergehend in anderen Bäuerten Aufnahme gefunden hatten, gingen ebenfalls dort zur Schule.
Viele der nach dem Brand erbauten Häuser im Dorfzentrum sind bis heute mehr oder weniger unverändert geblieben. Dabei fallen die fürs Berner Oberland untypischen, unregelmässig geschwungenen und mit Holz verkleideten «Ründine» unter dem Gerschilt auf. Unklar ist, ob die Bauleute aus dem Vorarlberg dieses Stilmittel eingebracht hatten.
Der Vortrag wird am Mittwoch, 26. Februar, 19.45 Uhr in der Aula des Widi-Schulhauses wiederholt.