Teurer als geplant
25.02.2020 Frutigen, PolitikDer Anbau und die Sanierung des Widi-Schulhauses kommen im Mai nochmals vors Volk. Zusätzliche Arbeiten müssen in das bereits bewilligte Projekt aufgenommen werden. Wie begründet der Gemeinderat die neue Entwicklung?
HANS RUDOLF SCHNEIDER
Die Diskussionen haben ...
Der Anbau und die Sanierung des Widi-Schulhauses kommen im Mai nochmals vors Volk. Zusätzliche Arbeiten müssen in das bereits bewilligte Projekt aufgenommen werden. Wie begründet der Gemeinderat die neue Entwicklung?
HANS RUDOLF SCHNEIDER
Die Diskussionen haben jahrelang gedauert, verschiedene Arbeitsgruppen haben sich mit der Platznot im Widi-Schulhaus befasst: Am 19. Mai 2019 gab dann der Souverän mit 61,7 Prozent Ja-Stimmen grünes Licht für einen Anbau und die Sanierung des 1931 erstellten Altbaus. Kostenpunkt: 5,85 Millionen Franken. Die Arbeiten hätten eigentlich 2021 abgeschlossen werden sollen. Hätten, denn nun wird das Ganze ein Jahr länger dauern, 700 000 Franken mehr kosten und eine erneute Urnenabstimmung erfordern.
Alte Leitungen und Rohre
Der Kredit wurde ursprünglich aufgrund des Vorprojektes beantragt, wie Gemeinderatspräsident Hans Schmid erklärt. Im laufenden Submissionsverfahren für die Arbeiten habe sich dann gezeigt, dass einige separat und für einen späteren Zeitpunkt geplante Sanierungspunkte vorgezogen werden müssen, um den Anbau überhaupt realisieren zu können. Konkret nennt Schmid die sanitären Anlagen, die Sauberwasserzufuhr und die elektrischen Installationen – alle im Altbau gelegen. Die hätten in absehbarer Zeit ohnehin ersetzt und auf den neusten Stand gebracht werden müssen. «Da wir den geplanten Anbau mit dem Altbau verbinden, müssen diese bereits jetzt den aktuellen Vorschriften entsprechend modernisiert werden. Das haben wir so nicht eingeplant», gibt er zerknirscht zu.
Plötzlich 6,55 Millionen Franken
Er betont, dass keine zusätzlichen Räume erstellt würden. Das Bauprojekt sei grundsätzlich unverändert und entspreche dem berechneten Raumbedarf im Widi. Vorgesehen ist ein viergeschossiger Anbau – als «Rucksack» bezeichnet – mit Klassenzimmern und Gruppenräumen auf der Engstligeseite zwischen Turnhalle und Treppenhaus. Im Altbau wird das Dachgeschoss als Lehrerbereich umgebaut.
Es gehe bei den Mehrkosten vor allem um die Versorgungsinfrastrukturen des Gebäudes, die zusätzlich angepasst werden müssen, eine kleine Erhöhung gemäss dem neuen Kostenvoranschlag und aufgrund des Bruttoprinzips. Für den Altbau bringe das vorzeitig eine Verbesserung, und nur so könne das Ausbauprojekt auch wirklich umgesetzt werden – auch die Gemeinde müsse sich an die geltenden Vorschriften halten.
Wurden Fehler bei der Planung gemacht? Nein, sagt Hans Schmid. Die zusätzlichen Arbeiten wurden aufgrund der detaillierten Abklärungen der Fachplaner bei der Ausarbeitung der Submissionsgrundlagen ersichtlich. Es sei dem Stimmbürger gegenüber aber fair, statt eines späteren Nachkredits das gesamte 6,55 Millionen Franken teure Projekt nochmals vorzulegen.
Arbeiten per sofort gestoppt.
Der Frutiger Gemeinderatspräsident hofft auf ein erneutes Ja im Mai an der Urne.«Die Erhöhung des Kredites ist keine Salamitaktik, um nachträglich mehr Räume zu bauen. Der Platzbedarf im Schulhaus Widi ist längst ausgewiesen, die Anzahl der Kinder im Dorf steigt und eine Verbesserung der räumlichen Situation ist dringend notwendig», betont Schmid. Mit der Schulleitung wurde abgeklärt, ob ein Jahr Verzögerung verkraftbar sei und diese habe zugestimmt. Bis die erneute Abstimmung vom 17. Mai durch ist, sind von der Gemeinde vorerst sämtliche Arbeiten an diesem Projekt gestoppt worden.
KOMMENTAR
Richtig abgeklärt?
Freude hat niemand an der Tatsache, dass das Widi-Projekt nochmals an die Urne kommt – und erst noch mit deutlich höheren Kosten. Die Schulleitung und die Schüler nicht, verzögert sich doch der Bau; die Stimmbürger nicht, müssen sie nochmals entscheiden, wo sie das Kreuz machen und wohl am wenigsten der Gemeinderat. Seine Termin- und Finanzplanung ist von der maroden Realität des Altbaus im Widi überholt worden. Ohne die zusätzlichen Anpassungen im Sanitär- und Elektrobereich dürfte das bewilligte Projekt technisch gar nicht realisiert werden. Die Frage muss gestellt werden: Wurde vor der Abstimmung seriös genug abgeklärt? Der erneute Urnengang hinterlässt einen schalen Nachgeschmack. Zumindest reagiert die Behörde und verlässt sich nicht auf das Abnicken eines hohen Nachkredits nach Bauende. Das wäre definitiv unseriös.
HANS RUDOLF SCHNEIDER
H.SCHNEIDER@FRUTIGLAENDER.CH