Bald kommt die Salbe aus dem Keller
31.03.2020 Frutigen, Wirtschaft«Habt ihr eigentlich eigene Murmeltiere?» Diese Frage wird dem Team der puralpina ag häufig gestellt. Künftig wird sie mit «Ja» beantwortet – an der Lötschbergstrasse entsteht momentan eine unterirdische Zuchtstation.
BENJAMIN HALTMEIER
Mehr Personal, ...
«Habt ihr eigentlich eigene Murmeltiere?» Diese Frage wird dem Team der puralpina ag häufig gestellt. Künftig wird sie mit «Ja» beantwortet – an der Lötschbergstrasse entsteht momentan eine unterirdische Zuchtstation.
BENJAMIN HALTMEIER
Mehr Personal, grösseres Sortiment, neues Firmengebäude: Die puralpina ag ist in den letzten Jahren stetig gewachsen. Gleichzeitig stieg auch die Nachfrage nach Rohstoffen wie dem begehrten Murmeli-Öl. Damit lag der Gedanke nahe, den Betrieb mit einer eigenen Zucht auszustatten: So könnte man eine gleichbleibende Qualität des Öls für die diversen Hausprodukte gewährleisten und wäre unabhängiger von externen Zulieferern. Ausserdem schüfe man so eine Besucherattraktion, die bestens zu anderen Frutiger Angeboten wie dem Murmelispielplatz beim Frutigresort passt. «Wir wurden sowieso oft von Kunden oder Partnerbetrieben darauf angesprochen, ob bei uns im Haus Murmeltiere gehalten werden», berichtet Co-Geschäftsführer Silvan Schmid. «Nun setzen wir diesen Input in die Tat um.»
Verbindung zum Steingarten geplant
Bereits seit Längerem hatte das Unternehmen nach räumlichen Lösungen gesucht, um ein Gehege für die Zucht einzurichten. In den Kellergewölben beim Standort an der Lötschbergstrasse wurde man schliesslich fündig. Der künstliche Murmeli-Bau soll Platz für mehrere Dutzend Tiere bieten und mit einer Glasscheibe auch für Besucher einsehbar sein. Da sich vor dem Haus ein Steingarten mit Alpenkräutern befindet, ist auch gleich für Murmeli-Nahrung gesorgt. «Wir planen ausserdem, die unterirdische Zucht um einen Tunnel zu diesem Gartenareal zu ergänzen», sagt Schmid. So wäre der Auslauf für die Tiere mit einem eingezäunten Aussengelände abgedeckt, und Kunden könnten die Murmeli auch im Freien beobachten.
Die puralpina ag nutzt die momentanen Zeitressourcen aber vorerst vor allem, um den Keller weiter für die Tiere einzurichten. Letzte Woche sind nämlich bereits die ersten Murmeli-Wildfänge im Zucht-Provisorium eingetroffen. «Die ausgesuchten zehn Exemplare wären erst Mitte April aus ihren Höhlen gekommen. Da die Tiere noch im Winterschlaf waren, fiel der Transport von der Alp zu uns weitgehend stressfrei aus», erklärt Schmid. Bis Ende Juni soll die Zuchtstation fertig sein. Die Heimpopulation wird dann in den nächsten Jahren schrittweise ausgebaut.
40 Stunden Kurs erforderlich
Hirsche, Bisons oder Störe: Nebst Murmeltieren werden auch andere Wildtiere von Menschen gehalten. Die Zucht ist allerdings stets aufwendig und mit vielen Auflagen verbunden – ZüchterInnen sollen die Fütterungs- und Haltungsansprüche der Tiere genau kennen. «Zwei unserer Mitarbeiter mussten eine fachspezifische, berufsunabhängige Ausbildung absolvieren. Dazu gehörte unter anderem ein 40-stündiger Kurs mit praktischen und theoretischen Inhalten. Das war eine der Bedingungen für die Bewilligung der kantonalen und nationalen Tierschutzfachstellen», erklärt Silvan Schmid. Das Team verfüge nun über genügend Know-how zum schonenden Umgang mit den Murmeli, zu deren Fortpflanzung, den Hygieneanforderungen und den Tierschutzvorschriften.
Gemäss dem Co-Geschäftsführer habe man den Behörden zudem glaubwürdig darlegen müssen, dass die Räume und Einrichtungen der Art und Zahl der Zuchttiere entsprechen und für die Haltung geeignet sind. Luftfeuchtigkeit, Temperatur und Bodenbeschaffenheit entsprechen den natürlichen Bedingungen auf der Alp. Die Gehege sind weiter so eingerichtet, dass sie zur komplexen Sozialstruktur, dem Tag-Nacht-Rhythmus und dem Wachstumszyklus der Murmeli passen.
Weitere Tunnel unerwünscht
Ein Knackpunkt beim Zuchtprojekt war, dass die Murmeli nicht aus ihren Gehegen entweichen dürfen – schliesslich sind die Nager Meister im Graben. «Um die Mindestanforderungen an die Station erfüllen zu können, bauten wir rund um den Keller eine dünne Betonummantelung und tief verankerte Gitterstrukturen ein», sagt Schmid. Diese Schritte galt es für das Bundesamt für Lebensmittelsicherheit und Veterinärwesen (BLV) ebenfalls genau zu dokumentieren.
Nun können die ersten Kellerbewohner den Frühling und den kommenden Sommer nutzen, um sich zu vermehren und viel Fett anzufressen – gerade Letzteres wird ein Stockwerk höher dringend gebraucht.