Verlässt die Lenk die TALK AG?
17.03.2020 Adelboden, Tourismus, RegionAn der 117. Hauptversammlung des Vereins Adelboden Tourismus informierte TALK-Verwaltungsratspräsident Roland Berger über die Absicht der Lenk, aus der Destination Adelboden–Lenk–Kandersteg auszutreten. Die Lenk-Simmental Tourismus AG hat den Vertrag am 23. Dezember 2019 gekündigt. ...
An der 117. Hauptversammlung des Vereins Adelboden Tourismus informierte TALK-Verwaltungsratspräsident Roland Berger über die Absicht der Lenk, aus der Destination Adelboden–Lenk–Kandersteg auszutreten. Die Lenk-Simmental Tourismus AG hat den Vertrag am 23. Dezember 2019 gekündigt. Was bedeutet das nun für die Partner?
RETO KOLLER
Die Lenk scheint sich in der Destination Adelboden–Lenk–Kandersteg nach wie vor nicht wohlzufühlen. Die Lenk-Simmental Tourismus AG war der am 1. Januar 2018 neu gebildeten Tourismusorganisation überhaupt nur unter dem Druck der kantonalen Volkswirtschaftsdirektion beigetreten. Nun nehmen die Lenker einen neuen Anlauf zum Austritt. TALK-AG-Verwaltungsratspräsident Roland Berger informierte anlässlich der HV des Vereins Adelboden Tourismus vom Freitag, 13. März, über das Ansinnen des Partners.
Annäherungsversuch ans Saanenland
Die Verantwortlichen der Lenk-Simmental Tourismus AG (LST AG) haben Gespräche mit Gstaad-Saanenland Tourismus (GST) geführt. Ihr Präsident David Matti bestätigt die Kontakte und zeigt sich offen für ein intensiveres Zusammengehen. Die enge Kooperation der Lenker und Adelbodner Skigebiete unter dem Markennamen «Adelboden-Lenk … dänk» könne selbstverständlich weiter bestehen. «Wir stellen die Bedürfnisse der Gäste in den Vordergrund. Das gemeinsame Skigebiet ist bestens eingeführt und wird durch eine engere Zusammenarbeit zwischen LST AG und GST in keiner Art und Weise infrage gestellt. Zudem besteht auf Seite der Bergbahnbetreiber mit dem Top4-Angebot und den zugehörigen vertraglichen Regelungen bereits eine überregionale Zusammenarbeitsvereinbarung», sagt Matti. Berger zeigte sich wenig erfreut über die Absichten der Lenk (siehe Interview unten). Am 19. März findet eine Aussprache mit dem zuständigen Regierungsrat Christoph Ammann, dem Leiter des Amtes für Wirtschaft, und Vertretern der Lenk und der TALK AG statt.
Kritische Fragen aus der Runde
Die gedrückte Stimmung unter den 14 anwesenden Mitgliedern und dem Vorstand war mit Händen zu greifen. Man hielt sich pflichtschuldig an die Empfehlungen, verzichtete bei der Begrüssung auf Handschläge und hielt gebührenden Abstand. Die einschneidende Corona-Verordnung des Bundesrates vom Nachmittag bestimmte die Gespräche vor und nach der Versammlung. Hotelier und Präsident Ralph-Marc Diebold liess sich nicht beirren, er hielt sich an die kurze Traktandenliste der Einladung.
Die Organisation schliesst mit einem Jahresgewinn von rund 35 000 Franken ab, die vornehmlich aus aufgelösten Reserven stammen. Der Erfolg stockt das Eigenkapital von Adelboden Tourismus auf 516 000 Franken auf. Mehr zu reden gaben unter dem Traktandum «Varia» die Fragen eines Vereinsmitglieds. Es zeigte sich unzufrieden über die Resultate des Tourist-Center-Umbaus, kritisierte die massive Verteuerung des Wanderpasses bei minimaler Mehrleistung und beklagte die mangelnde Durschlagskraft der TALK AG in den Verhandlungen mit Leistungspartnern.
Roland Berger, der Präsident der TALK AG, nahm Stellung und erläuterte die Überlegungen beim Umbau. «Dafür übernehmen wir die volle Verantwortung», meinte er. Anders sei es bei der Ausgestaltung des Wanderpasses. Dort seien die Forderungen der Transportunternehmungen und der Bergbahnen ausschlaggebend, die TALK AG sei nur für die Bereitstellung des Angebotes verantwortlich. Die Partner hätten sich aus finanziellen Gründen nicht über die Fortführung des Angebotes einigen können.
Weltcup, Skifahren, Mitholz
Berger orientierte im letzten Traktandum über die Strategie der Tourismus Adelboden-Lenk-Kandersteg AG. Man setzt zurzeit die Schwerpunkte auf die bessere Zusammenarbeit mit der Weltcup Adelboden AG, um dem Grossanlass im Auftritt der Destination mehr Gewicht zu geben. Der Skisport als wichtigste Säule im touristischen Leben soll künftig wieder mehr Gewicht erhalten. Berger ewähnte die schwierige Lage von Mitholz nach dem bundesrätlichen Räumungsbeschluss des Munitionslagers. «Wir sind im ständigen Gespräch mit den zuständigen Stellen, um die Nord-Süd-Verbindung auf Schiene und Strasse ohne Unterbrüche sicherzustellen», liess Berger wissen.
Die Marketingverantwortlichen gaben einen Überblick der wichtigsten Vorhaben. Ein besonderes Augenmerk liegt auf der Einführung eines elektronischen Gutscheinsystems. Man sei auch intensiv daran, das Projekt «Bikeland» voranzutreiben. Finanzchefin Claudia Kissling erwartet bei leicht gestiegenen Logiernächten ein ausgeglichenes Ergebnis für das vergangene Jahr.
Adelboden Tourismus
Die Organisation führt seit der Gründung der Tourismus Adelboden-Lenk-Kandersteg AG keine operativen Tätigkeiten mehr aus. Diese sind nun Aufgabe der Destinationsorganisation. Der Verein hat 444 Mitglieder und ist mit 34 Prozent Stimmenanteil Hauptaktionär der TALK AG. Er entsendet zwei der sieben Verwaltungsräte und hat dadurch die Möglichkeit, auf die Strategie Einfluss zu nehmen. Adelboden Tourismus verfügt über den Einsatz der für Adelboden vorgesehenen Kurtaxenbeiträge und kann mit seinem Eigenkapital touristische Projekte in Adelboden fördern.
RETO KOLLER
Verwaltungsratspräsident Roland Berger im Interview
«Frutigländer»: Herr Berger, kam für Sie die Kündigung des Kooperationsvertrages durch die Lenk-Simmental Tourismus AG überraschend?
Ja. Es gab bis zur Kündigung am 23. Dezember 2019 keine konkreten Anzeichen dafür.
Wie beurteilen Sie die Chancen eines Rückzugs der Lenk aus der TALK AG?
Es ist letztlich eine politische Frage. Die Volkswirtschaftsdirektion des Kantons Bern hat sich vor Jahren auf sechs Destinationen festgelegt. In der Tourismusentwicklungsverordnung unter Artikel 2 «Anerkannte Destinationen» wurden Interlaken, Jungfrauregion, Tourismus Adelboden-Lenk-Kandersteg, Gstaad Saanenland, Bern und Jura / Drei-Seen-Land anerkannt. Diese Destinationen müssen gewisse Kriterien erfüllen. Lenk kann für sich alleine den Voraussetzungen nicht genügen, ebenso wenig wie die verbleibenden Orte Adelboden, Frutigen, Reichenbach und Kandersteg. Sollte die Volkswirtschaftsdirektion einem Wechsel der Lenk zustimmen, würde sie ihre eigenen Vorgaben unterlaufen. Die TALK erfüllt in diesem Szenario die Voraussetzungen nicht mehr. Ich bin zuversichtlich, dass das ursprünglich verabschiedete Konzept Tourismus Adelboden-Lenk-Kandersteg nun vollständig umgesetzt wird.
Die Lenk führte bisher rund 250 000 Franken Beherbergungstaxen an die TALK AG ab. Was wären die Folgen, wenn diese Mittel künftig fehlen würden?
Die TALK AG müsste sich organisatorisch und finanziell neu aufstellen. Auch würde sie Forderungen stellen, da für den Markenaufbau und die Kommunikation hohe Kosten entstanden sind, welche die Integration der Lenk mit sich brachten.
Wer sind denn die treibenden Kräfte an der Lenk?
Weder die Hotellerie noch die Bergbahnen haben ein Interesse an einem solchen Schritt. Die Lenkerhof AG hat sich gegenüber dem Regierungsrat schriftlich gegen einen Rückzug aus der TALK AG geäussert. Das Gleiche haben auch die Lenk Bergbahnen getan. Meines Wissens hat der Hauptaktionär der LST AG, nämlich der Verein Lenk Tourismus, nie einen Entscheid zum Verlassen der TALK AG gefällt. Es scheint, dass die LST AG diesen Schritt aus eigenem Antrieb macht. Ich bedauere diese Tendenzen sehr, weil ich fest an das Zusammengehen unserer Täler glaube. Dies zeigt sich dadurch, dass bereits heute für künftige Sommeraktivitäten in den Bereichen Kultur und Bike gemeinsame Projekte aufgegleist werden. Wir müssen uns in den schwierigen Zeiten, die uns bevorstehen, nicht selber schwächen, sondern vielmehr zusammenrücken. Ich hoffe auch auf einen schnellen Entscheid des Regierungsrates, damit alle die herausfordernde Zukunft in Angriff nehmen können.
INTERVIEW RETO KOLLER