«Das Angebot wird sehr geschätzt»
05.05.2020 Coronavirus, Wirtschaft, RegionLebensmittelgeschäfte durften die letzten Wochen mit Hygieneund Abstandsauflagen geöffnet haben. Neben den Grossverteilern erlaubte dies auch Klein- und Kleinstläden, ihre Kunden zu bedienen. Wie schlagen sie sich in der Corona-Krise?
HANS RUDOLF SCHNEIDER
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Lebensmittelgeschäfte durften die letzten Wochen mit Hygieneund Abstandsauflagen geöffnet haben. Neben den Grossverteilern erlaubte dies auch Klein- und Kleinstläden, ihre Kunden zu bedienen. Wie schlagen sie sich in der Corona-Krise?
HANS RUDOLF SCHNEIDER
Sie decken oftmals Nischen ab, ihre Produkte sind als Mitbringsel beliebt, und sie repräsentieren einheimisches Schaffen: Die kleineren Läden sind von der ausserordentlichen Lage ebenso betroffen wie die Grossverteiler. Doch können sie dieser auch etwas Positives abgewinnen?
Angepasstes Angebot in Kanderbrück
In der hölzernen Hütte an der Wallisgasse 1 sind normalerweise allerhand Leckereien zu kaufen. Seit zwei Jahren betreibt Marie-Madeleine Mägert den «Dörflilade» im Miniformat. Vor allem regionale Produkte und Spezialitäten sind an sieben Tagen pro Woche erhältlich, bezahlt wird nur bar. Das gehört zur Philosophie, es soll ein traditionelles Lädeli sein. Aktuell hat Mägert mehr zu tun als auch schon, die Einkaufsmöglichkeit wird geschätzt, sei das von Familien auf dem Spaziergang oder von älteren Einwohnern. «Wegen der Corona-Massnahmen habe ich das Warensortiment angepasst, das heisst, weniger Spezialitäten, dafür mehr Alltagsprodukte wie Rahm, Joghurt, Mehl und Zucker oder Ravioli.»
Mehr als nur Leidenschaft
Die Produkte stammen wenn immer möglich aus der Region, wobei diese bis ins Aaretal reichen kann. «Ich beziehe am liebsten direkt ab Hof, seien das Eier, Käse oder Fleisch.» Da es jeweils unsicher ist, wie lange die Waren im Lädeli bleiben, sei es mit verderblicher Ware wie Gemüse und Salat schwieriger. Dennoch versuche sie, diese Wünsche zu erfüllen. Das schlägt sich auch in der Bilanz nieder. Marie-Madeleine Mägert ist erfreut, dass in der aktuellen Zeit die Verkäufe steigen. Bisher war es vor allem auch viel Leidenschaft, viel Herzblut, nun rentiere sich der Kanderbrücker Dörflilade aber immer besser. Sie hofft, dass sich dies nach dem steilen Anstieg zu Beginn des bundesrätlich verordneten Lockdowns auch in normalen Zeiten auf einem höheren Level einpendelt.
Manchmal ist zwar nicht das ganze Sortiment erhältlich, doch Beschwerden von Kunden erhält sie deswegen nicht. Es gibt immer eine Alternative – statt Schinken vielleicht Salami? Mägert kann sich über viele neue Kunden freuen. Zentral für ihr Lädeli ist die lokale Kundschaft, auch wenn das Holzhüttlein an der Wallisgasse an einem beliebten Spazier-, Wander- und Radweg liegt. Man schaue einfach zueinander im Dörflein – und auch zum Lädeli. So konnte dank der aufmerksamen Nachbarn ein Dieb gefasst werden, der mehrmals das Fleisch aus dem Kühlschrank ohne entsprechende Bezahlung mitgehen liess. Das Risiko nehme man aber in Kauf, aus finanziellen Gründen sei nicht immer jemand im Lädeli anwesend. Und für Mägert ist klar: «Was ich hier mache, ist für viele einfach Nostalgie. Aber so habe ich mir das von Anfang an vorgestellt.»
claro-Laden mit Einschränkungen
Betroffen von den Massnahmen zur Viruseindämmung ist auch der claro-Laden in Frutigen. Dieser Betrieb wird zudem von Freiwilligen geführt, die altersmässig teils als Risikogruppe eingestuft sind. «Wir halten uns natürlich an die Vorschriften des Bundes, haben unseren Mitarbeiterinnen auch offengelassen, ob sie arbeiten kommen oder nicht», sagt Marianne Trachsel, stellvertretende Ladenleiterin. Sicher bis am 11. Mai ist der Laden an der Oberen Bahnhofstrasse jeweils nur vormittags geöffnet, auch das eine Folge der ausserordentlichen Lage.
Das Sortiment ist auf Hygiene- und Lebensmittel beschränkt, was wie die reduzierten Öffnungszeiten im rückläufigen Umsatz spürbar sei, wie Kassierin Margrit Wandfluh bestätigt. «Die handwerklichen Produkte sind für uns wichtig, die dürfen wir derzeit aber nicht verkaufen.» Andererseits – ergänzt Trachsel erfreut – dürfe der claro-Laden im Gegensatz zu etlichen anderen Geschäften geöffnet haben und die meist aus Stammkunden bestehende Kundschaft bedienen. Das sei doch immerhin ein bisschen Normalität.
Etwas fürs Gemüt aus Scharnachtal
Die Hanselenstrasse in Scharnachtal kennt nicht jeder. Doch dort befindet sich seit dem Herbst 2019 der kleine Hofladen von Dominique und Daniel von Känel. «Creation Domi», wie sich das Angebot nennt, bietet allerhand Produkte vom eigenen Hof, daneben aber auch Geschenk- und Dekoartikel an. «Ich habe weniger Werbung gemacht als eigentlich geplant. Ob sich der verhaltene Geschäftsgang dadurch oder durch die Corona-Krise erklären lässt, kann ich nicht mit Sicherheit sagen», so die Jungunternehmerin. Schliesslich sei Scharnachtal auch etwas abgelegen.
Andererseits hat Dominique von Känel bemerkt, dass öfters Wanderer vorbeikommen als auch schon. Und die würden gern reinschauen, Flyer mitnehmen oder sich mit Hofprodukten eindecken. Das Produktangebot habe sie nicht speziell angepasst. Dass aber beispielsweise Trockenwurst neu im Angebot sei, passe jetzt natürlich. Auch Leute, die derzeit ihren Wohnsitz quasi in ihre Ferienwohnung verlegt hätten, schätzten das Angebot durchaus. «Und dann sehe ich, dass auch gern mal Lebensmittel als Geschenk eingepackt mitgenommen werden. Man kann sich oder Freunden in der jetzigen Lage ja auch mal was Gutes gönnen.» Das Fazit von Dominique von Känel tönt jedenfalls optimistisch.
Der Bioladen in Frutigen hat Zulauf
«Wir profitieren von der aktuellen Situation.» Markus Meier von der Gesundquelle in Frutigen spürt, dass etliche Leute zu Hause sind und vor Ort einkaufen. Vielleicht meide man auch die grossen Läden wegen den Menschenansammlungen respektive dem Übertragungsrisiko eher und kaufe in übersichtlicheren Geschäften ein, mutmasst er. Saisonbedingt würden vor allem Pflanzensetzlinge für den Garten nachgefragt. Mit Ausnahme einiger weniger Lücken in den Regalen könne man alles liefern. Dass es einige Logistikprobleme zu lösen gibt, verschweigt er nicht. «Gerade bei Importen kann es an der Grenze zu Verzögerungen kommen, die wir dann merken. Die Lieferanten warnen uns teils vor, dass sie am Anschlag sind.» Für Markus Meier und seine Frau Gabriela Juliano hat sich die Geschäftstätigkeit ihres Bioladens dennoch gewandelt: Der Hauslieferdienst macht mittlerweile gut einen Drittel des Umsatzes aus. Das bedeutet einen Mehraufwand für die Beantwortungen der Bestellmails, die Bereitstellung und die Auslieferung. «Dafür haben wir aber doch einige neue Kunden gewonnen», freut sich Meier.
Die grosse Frage: Was bleibt?
Verändertes Einkaufsverhalten, vermehrt Onlineshopping oder Heimlieferdienst, Solidarität mit den lokalen Detailhändlern und auch mal ein Gespräch mit dem (bisher vielleicht unbekannten) Nachbarn? Die Situation wirkt sich in vielerlei Hinsicht auf die Geschäfte und das Alltagsleben aus. Bei den angefragten Unternehmern stellt sich die Frage, wie es im bald erhofften Normalfall weitergeht. Bleiben ihnen die neu gewonnenen Kunden erhalten?