"Wir können auch mal tüfteln"
01.05.2020 Frutigen, TourismusEin Wechsel in der Chefetage und ein ungewisser Sommer: Die Elsigenalpbahnen erleben derzeit turbulente Zeiten. VR-Präsident Marco Trachsel aber beklagt sich nicht. Stattdessen preist er den Innovationsgeist seines Unternehmens.
JULIAN ZAHND
An Gesprächsstoff mangelt ...
Ein Wechsel in der Chefetage und ein ungewisser Sommer: Die Elsigenalpbahnen erleben derzeit turbulente Zeiten. VR-Präsident Marco Trachsel aber beklagt sich nicht. Stattdessen preist er den Innovationsgeist seines Unternehmens.
JULIAN ZAHND
An Gesprächsstoff mangelt es an diesem nasskalten Donnerstagmorgen an der Talstation der Elsigenalpbahn nicht. Die jüngsten Beschlüsse des Bundesrates zum Lockdown sind gerade mal einen Tag alt, Gewissheiten für die Bergbahnen lieferten sie aber keine: Erst am 27. Mai will die Landesregierung entscheiden, ob die Bahnen wieder laufen können – rund zehn Tage vor dem theoretischen Saisonstart.
Trotzdem mangelt es hier auch nicht an Arbeit. Denn die Bahnen müssen bereit sein, wenn es losgeht, zumal der Branchenverband Seilbahnen Schweiz lange auf eine vorzeitige Saisoneröffnung drängte (siehe Interview oben). «Wir sind bereit», sagt Verwaltungsratspräsident Marco Trachsel. Fragt sich nur: Bereit wofür?
Abstandsregeln sind ein Knackpunkt
Auch Trachsel weiss das nicht genau. Prognosen wagt er keine, das sei wie Kaffeesatz lesen. Eines der Schlüsselkriterien dürften die Abstandsregeln von zwei Metern sein. Hält der Bundesrat an ihnen fest, stellt dies Betriebe mit grossen Gondeln wie die Elsigenalp vor Probleme. Die Anzahl Gäste, die pro Fahrt transportiert werden könnten, liessen sich wohl an einer Hand abzählen. Deshalb wälzt das Unternehmen derzeit Ideen, auf der bestehenden Strasse eine Alternativroute zu bieten, die mit gemieteten E-Bikes befahren werden könnte. Details zu den Plänen gebe es jedoch noch nicht.
«Letztlich fussen unsere Entscheide auf gesundheitlichen, aber auch auf wirtschaftlichen Aspekten», so Trachsel. Zudem spiele das Gästeverhalten eine zentrale Rolle: Besteht die Nachfrage nach Sommerausflügen überhaupt? Zumindest hier verströmt der VR-Präsident Zuversicht. So oder so steht für Gebiete wie die Elsigenalp nicht allzu viel auf dem Spiel, gut 90 Prozent der Einnahmen generiert das Unternehmen im Winter. «Ursprünglich wollten wir die Saison Ende Mai eröffnen. Falls der Bundesrat am bisher genannten Termin vom 8. Juni festhält, ist das für uns gut verkraftbar», sagt Trachsel. Einschneidender war hingegen der Lockdown, welcher die bis anhin gute Wintersaison um rund einen Monat verkürzte. Er führte immerhin zu Defiziten im tiefen sechsstelligen Bereich.
Auf Familien zugeschnitten
Trotz unsicherer Lage ist Marco Trachsel an diesem trüben Tag in Festlaune. Zumindest ein bisschen feierlich wird es, als er im Beisein einiger enger Mitarbeiter offiziell seinen bisherigen Geschäftsleiter verabschiedet. Genau acht Jahre lenkte Dominik Honegger die Abläufe bei der Bahn, Trachsel beschreibt ihn als umsichtigen Geschäftsmann, der das Unternehmen massgeblich weiterentwickelt habe. Tatsächlich steht die Bahn heute gut da, verfügt über ein geschärftes Profil, das vor allem auf Familien zugeschnitten ist. Vor zwei Jahren konnte der stetige Abwärtstrend bei den Skigästen gestoppt werden, seitdem geht es wieder leicht aufwärts.
Mitverantwortlich dafür dürften auch ständige Innovationen sein wie etwa das Kombi-Saisonticket «Voralpen-Charme», das Honegger seinerzeit ins Leben gerufen hatte, oder die «Funslope» – eine Piste mit Hindernissen, die mittlerweile auch in anderen Skigebieten im Angebot ist. «Anders als die Grossen müssen wir nicht immer gleich eine Million Franken in die Hand nehmen, um ein neues Angebot zu schaffen. Wir können auch mal tüfteln», so Trachsel. Honegger wechselt nun den Berg und wird neu Geschäftsleiter der Bergbahnen Engstligenalp AG. Er übernimmt dort den Posten Roger Steiners. Auch Honeggers Nachfolger kommt aus der lokalen Branche, es handelt sich um Christian Zenger, Seilbahnfachmann und vormals Geschäftsführer bei den Tschentenbahnen. Zenger will an der Experimentierfreude seines Vorgängers festhalten: «Wir müssen mit kleinen, exklusiven Sachen punkten, um aus dem Schatten der Grossen herauszutreten.»
Weiterführung des «bewährten» Kurses
In gewisser Weise könnte man an diesem Tag durchaus von einem Neustart sprechen. Schliesslich nimmt die Bahn die Sommersaison nicht bloss mit einem neuen Geschäftsleiter in Angriff, sondern auch mit einem neuen VR-Präsidenten. Marco Trachsel selbst ist erst seit Beginn des Jahres im Amt, er übernahm den Posten von Ueli Trachsel. Dieser hatte den Dienst nach längjähriger Tätigkeit im Verwaltungsrat quittiert, nachdem es im Vorjahr zu einem Zwist zwischen der Führungsetage und den AktionärInnen gekommen war, wie der «Berner Oberländer» im Februar vermeldete. Die Wogen hätten sich mittlerweile aber geglättet, sagt der neue VR-Präsident. «Einerseits ging es dabei um die Ausrichtung des Sommerangebots», so Trachsel. Die AktionärInnen hätten sich übergangen gefühlt, nachdem die Geschäftsführung ein allgemeines Positionspapier den Behörden zur Abklärung vorgelegt hatte. «Die darin enthaltenen Ideen waren noch keineswegs beschlossen, das wurde offenbar falsch verstanden.»
Reagiert hat der Verwaltungsrat auch beim zweiten Punkt, der den Aktionär-Innen sauer aufgestossen war: Die Verflechtung von Bergbahnbetrieb und Restauration. Mittlerweile sind die zwei Bereiche klar getrennt. Als Pächterin des Berghauses tritt die BerGastronauten GmbH mit eigener Unternehmensführung auf. Neu übernimmt das Ehepaar Katia und Stephan Rieder aus Reutigen die Rolle des Gastgebers.
Dennoch lässt die neue Mannschaftsaufstellung der Bahn nicht auf grössere Kurswechsel schliessen. Auch Marco Trachsel ist nämlich kein Neuling, bereits seit sieben Jahren sitzt er im Verwaltungsrat des Unternehmens. Er führt nun einen Betrieb weiter, den sein Grossvater zusammen mit den weiteren Gründerfamilien vor über einem halben Jahrhundert aufgebaut hat.
Das Festhalten am Bewährten manifestiert sich bei der Kür des neuen Geschäftsführers am gestrigen Donnerstag übrigens auch bildlich: Zum Einstieg erhält Christian Zenger vom VR-Präsidenten einen Liftbügel. Dieser symbolisiere einerseits eines der langjährigen Erfolgsrezepte des Unternehmens und andererseits den Weg des Miteinanders. «Und nicht zuletzt kann man mit dem Objekt exakt die gegenwärtigen Abstandsregeln abmessen», fügt Marco Trachsel zum Schluss scherzhaft hinzu.