Hörner auf Abstand
30.06.2020 Coronavirus, Kultur, RegionSeit dem 8. Juni darf in der Schweiz wieder offiziell musiziert werden. Nach einer mehrwöchigen Pause nehmen die Musikgesellschaften allmählich wieder den Probebetrieb auf – teils unter erschwerten Bedingungen und mit geändertem Programm. Der «Frutigländer» hat nachgefragt, was ...
Seit dem 8. Juni darf in der Schweiz wieder offiziell musiziert werden. Nach einer mehrwöchigen Pause nehmen die Musikgesellschaften allmählich wieder den Probebetrieb auf – teils unter erschwerten Bedingungen und mit geändertem Programm. Der «Frutigländer» hat nachgefragt, was die Vereine in nächster Zeit vorhaben.
Zwischen Kandersteg, Adelboden und Krattigen schwiegen seit Mitte März die Blasinstrumente. Grössere Zusammenkünfte waren nicht mehr erlaubt, und die beim Musizieren unvermeidlich herumfliegenden Tröpfchen sogar gefährlich gewesen. Doch nun geht es wieder los. Einige Vereine haben die ersten Proben schon hinter sich, andere stehen kurz davor.
Spezielle Bedingungen zum Start
Die Frutigmusig hat ihren Probebetrieb unter dem Schutzkonzept des SBV gleich am 8. Juni wieder aufgenommen. Jedes Mitglied konnte selbst entscheiden, ob es mitmachen will oder nicht. So sieht es das Schutzkonzept des Schweizer Blasmusikverbands vor – dies vor dem Hintergrund, dass manche zu einer Risikogruppe gehören könnten. In der MG Frutigen haben sich nur ganz wenige dazu entschlossen, mit dem Probenbesuch noch zuzuwarten.
Die erste Probe Anfang Juni war speziell. Ungewohnt war natürlich der zunächst empfohlene Abstand zu den Mitspielern: Zwei Meter zwischen den Stuhlreihen und beidseitig einen Meter zum nächsten Musikkameraden (inzwischen dürfen die Abstände wieder etwas kleiner sein). Aber man hat sich schnell an die spezielle Akustik gewöhnt. Hauptsache, man kann wieder gemeinsam musizieren! Dies und die Kameradschaft hat den meisten sehr gefehlt.
Dirigentin Pietra S. Valsangiacomo hatte in der langen Corona-Pause per WhatsApp ein paar Aufgaben gestellt. Diese waren freiwillig, und ein paar Musikanten teilten dann auch Aufnahmen von sich und den heimischen Proben mit der Gruppe. Eine «echte» Probe konnte das aber natürlich nicht ersetzen.
Das geplante Frühlingskonzert im April fiel leider Covid-19 zum Opfer – ähnlich ging es wohl vielen Musikvereinen im Tal. Auch die Umrahmung des Tellenburg-Gottesdienstes und der 1.-August-Feier der Gemeinde Frutigen müssen ausfallen. Die Frutigmusig hofft aber, ihren mittlerweile schon traditionellen Pizza-Day im September durchführen zu können.
Ausgefallener «Werbeanlass»
Ebenfalls am 8. Juni nahm die Jugendmusik Frutigen den Probebetrieb wieder auf. Die Befürchtung, dass während der fast dreimonatigen Pause einige Jungbläser auf den Gedanken kommen könnten, es sei allein zu Hause auch ganz cool, ist zum Glück nicht eingetroffen. Fast alle waren bei der ersten Probe wieder dabei, und die anderen hatten einen triftigen Grund für eine Entschuldigung.
Die Absage des Jahreskonzertes, das Ende Mai stattgefunden hätte, bereitet der Jugendmusik ziemlich Sorgen. Normalerweise durften interessierte Kinder am Konzert jeweils Instrumente ausprobieren und sich für die Ausbildung anmelden. Der Anlass war somit immer eine gute Werbung für die Jugendmusik und wurde gerne genutzt.
Das Konzert wird nicht auf einen späteren Zeitpunkt verschoben. Nach den Sommerferien werden fünf Jungbläser ins Corps aufgenommen – es wäre schlichtweg nicht möglich, die anspruchsvollen Stücke in so kurzer Zeit einzustudieren. Die Jugendmusik hofft nun, am Pizza-Day der Frutigmusig ihr Ständchen geben zu können und am gemeinsamen Kirchenkonzert Anfang Dezember dabei zu sein.
Flexibel bleiben
Die Musikgesellschaft Adelboden hat Mitte Juni wieder zu proben begonnen – allerdings in kleineren Formationen. «Da wir in unserem Probelokal die geforderten Abstände nicht einhalten können, werden wir bis auf Weiteres Registerproben abhalten», erklärt Präsidentin Christina Schranz. Das heisst, dass stets nur bestimmte Instrumentengruppen zusammen üben können. «Unser im April geplantes Frühlingskonzert, das in neuem Gewand daherkommen sollte, haben wir um ein Jahr verschoben», berichtet die Präsidentin.
Geplant war auch, dass die MG Adelboden im September am 10. Geburtstag des Swiss Chamber Music Festivals auftritt. Dieser Anlass muss nun ebenfalls um ein Jahr verschoben werden. «Wie das Sommerprogramm aussieht, das wir zusammen mit Adelboden Tourismus geplant haben, wissen wir noch nicht.» Sollte es die Situation zulassen, werde die Musikgesellschaft gerne im Laufe des Sommers das eine oder andere Platzkonzert im Freien geben. «Zusammenfassend stellen wir fest, dass wir zumindest wissen, dass wir fast gar nichts wissen!», so das Fazit von Christina Schranz. «Wir werden flexibel bleiben und uns an das Schutzkonzept des Verbands halten.»
Ein bisschen Musik ins Dorf bringen
Auch die MG Kandersteg hat den Probenstart schon hinter sich – und stand dabei vor ähnlichen Problemen wie die Adelbodner. Im Probelokal der Kandersteger wären die vorgesehenen Abstandsregeln aus Platzgründen gar nicht umsetzbar gewesen. «Erfreulicherweise stellt uns aber die Gemeinde jeden Freitagabend den Gemeindesaal zur Verfügung», hiess es in der Einladung, die Co-Präsidentin Ingrid Niedhart an alle Vereinsmitglieder schickte. Man sei sich bewusst, dass das Musizieren mit so grossen Abständen schwierig sei. «Trotzdem wollen wir endlich wieder anfangen und unseren Teil dazu beitragen, wieder ein bisschen Musik ins Dorf zu bringen», so Niedhart weiter. Auch die Kandersteger mussten ihr Jahresprogramm zwangsläufig anpassen. Nicht nur das Oster- und das Jahreskonzert fielen aus, auch das von der Musikgesellschaft organsierte Frauenschwingfest Ende Juni wurde angesichts der Umstände gestrichen. Nun soll die Sommerpause verschoben werden, stattdessen will der Verein öfter draussen spielen und im Dorf vielleicht ein paar kleine Open-Air-Konzerte geben. Vorher liegt noch ein bisschen Arbeit vor den BläserInnen. Vorsorglich hatte Dirigent Michaël Balzan dazu aufgerufen, vor der ersten Probe das Instrument zu entstauben und nicht mit «kalten Lippen» zur ersten Probe zu kommen.
Positiv gestimmt für die Zukunft
Mit der Hauptversammlung am 29. Juni startet die MG Reichenbach nach der Corona-Zwangspause neu. Zunächst wird das alte Jahr formell abgeschlossen, ab dem 6. Juli beginnen dann die Proben in einer zunächst reduzierten Formation und mit ausreichendem Abstand zwischen den Musikanten. Ab Mitte August wird dann in voller Besetzung das Programm fürs Herbstkonzert einstudiert, das am 21. November stattfinden soll. Die Vorgaben des Blasmusikverbandes können aufgrund des grossen Probenlokals gut umgesetzt werden.
Die allgemeine Stimmung in der MG Reichenbach ist zwar immer noch von der Corona-Situation geprägt (viele Mitglieder gehören zu den Risikogruppen), aber sie ist positiv geblieben. Dazu beigetragen haben auch die «Online-Versuche» während des Lockdowns und viel persönlicher Kontakt zwischendurch.
Darüber hinaus bereitet der Verein ein Programm zur Förderung des individuellen Musikunterrichts und der Jugendarbeit vor, das demnächst vorgestellt wird. Die MG Reichenbach sieht
– auch dank einer grossen Kooperationsbereitschaft mit anderen Musikgruppen
– positiv in die Zukunft.
Das Miteinander hat gefehlt
Die Musikanten der MG Krattigen wurden von ihrem Vorstand per Mail informiert, dass am 2. Juli die erste Probe nach der Corona-Pause stattfindet. «Juhu, es geht wieder los!», sei die Reaktion gewesen, so Dirigentin Renate Siegenthaler. Man wisse allerdings noch nicht, wer alles kommt. Den Musikanten ist es freigestellt, ob sie teilnehmen oder nicht.
«Wenn wir im Juli starten, werden wir Märsche, Polkas und Unterhaltungsstücke proben. Sofern alles wie geplant läuft, spielen wir am 1.-August-Brunch in Krattigen», gibt Siegentaler Auskunft. Ebenfalls im August sollen noch einige «Ständli» gegeben werden: am 6. August beim Volg in Krattigen, am 20. August beim Restaurant Chemihütte und am Sommerfest des Alters- und Pflegeheims Oertlimatt. Am 6. Dezember findet zudem das Adventskonzert statt. «Wir sind optimistisch, dass wir in Zukunft einen normalen Betrieb haben werden», fügt Siegentaler an. Sie habe das Soziale, das Miteinander unter den Musikanten vermisst und hofft, dass man bald wieder ein Vereinsleben wie vor der Corona-Krise führen kann.
Im Herbst nach Montreux?
Die Brass Band Frutigen (BBF) wird den Probebetrieb am 7. Juli wieder aufnehmen. «Nachdem unsere Frühjahrskonzerte mit Theater abgesagt werden mussten, planen wir nun, am 15. und 22. August im Dorf Frutigen die Bevölkerung mit Blasmusik zu unterhalten», sagt BBF-Präsident Toni Stoller. Die musikfreie Zeit während der Corona-Pause habe einen grossen Trainingsrückstand hinterlassen. «Aber die Hauptsache ist doch, dass niemand im Umfeld unseres Vereins ernsthaft erkrankt ist in dieser Zeit.» Ein Ziel für den Herbst hat sich die Brass Band schon gesetzt: «Wir wollen am 28. November am Schweizerischen Brass-Band-Wettbewerb in Montreux teilnehmen – falls dieser stattfinden kann.»
TEXTE VON MICHAEL SCHINNERLING (MG KRATTIGEN), MARTIN NATTERER (MG REICHENBACH) UND DEN GENANNTEN MUSIKVEREINEN.