Ihm gefällt die Schichtarbeit
10.07.2020 Kandersteg, WirtschaftAlles andere als eintönig ist die Arbeit an der Verladerampe – das weiss Beat Biedermann. Seit 29 Jahren lotst der einheimische BLS-Angestellte die Fahrzeuglenker auf die Autozüge und wieder herunter.
KATHARINA WITTWER
Beat Biedermanns Arbeitstag beginnt bereits um ...
Alles andere als eintönig ist die Arbeit an der Verladerampe – das weiss Beat Biedermann. Seit 29 Jahren lotst der einheimische BLS-Angestellte die Fahrzeuglenker auf die Autozüge und wieder herunter.
KATHARINA WITTWER
Beat Biedermanns Arbeitstag beginnt bereits um 4 Uhr. Zuerst reinigt er die Schalterhalle im Bahnhofsgebäude. Anschliessend begibt er sich für die Hauptbremsprobe zu den beiden Autozügen, welche über Nacht in Kandersteg stationiert waren. In Zusammenarbeit mit dem Lokführer werden als Sicherheitsmassnahme jeden Morgen sämtliche Bremsen an Lokomotive und an jedem einzelnen Waggon kontrolliert. Auf den 16 gekoppelten Wagen, die zwischen Kandersteg und Goppenstein verkehren, haben 72 Autos Platz. Sind Lieferwagen dabei, dann bloss rund 65 Fahrzeuge. Um 5.24 Uhr fährt der erste, 420 Meter lange Autozug Richtung Süden.
Täglich bis zu 20 Kilometer Fussmarsch
Inzwischen ist es kurz vor 8 Uhr. Die Kolonne vor der Ampel ist bereits recht lang. Biedermanns Kollege hat den von Goppenstein angekommenen Zug «abgeladen» und schaltet mit seinem umgehängten Funkgerät die Ampel auf Grün. Zuerst dürfen die Motorräder rauffahren, denn der geschlossene Wagen befindet sich an der Spitze des Zuges. In gemässigtem Tempo folgen nun die anderen Fahrzeuge. «Bei grossem Andrang übernimmt einer das ‹Tischen›», erklärt Biedermann. Der «Tischer» weist die Lenker an, möglichst nah an die Stossstange des vorderen Autos zu fahren. «Habe ich ‹Tisch-Tour›, marschiere ich täglich bis zu 20 Kilometer», schätzt er.
8.09 Uhr: Die Ampel für die ankommenden Autos schaltet auf Rot. Der «Lader» dirigiert den Lenker des letzten Fahrzeuges mit Handzeichen, damit dieser rückwärts in die verbliebene Lücke einparkt. «Viele AutolenkerInnen können mehr schlecht als recht rückwärtsfahren», kommentiert Biedermann aus Distanz mit einem vieldeutigen Lächeln. Seitenwand hochfahren, am Schaltbrett den Knopf «Fahrt» drücken, warten, bis von der Betriebszentrale Spiez das Gleis freigegeben wird und die blaue Lampe aufleuchtet: Jetzt darf Beat Biedermann den Vierkantschlüssel drehen, was so viel heisst wie «Zug abfahren». «Ich habe mehr Macht, als viele denken», sagt er mit einem gewissen Stolz.
Schönes Wetter – grosser Andrang
Während des Corona-bedingten Lockdowns benützten fast ausschliesslich Handwerker den Autoverlad. Die Züge waren nur zur Hälfte belegt. Nach der Lockerung nahm der Verkehr schlagartig zu. Heute ist ein wunderschöner Ferientag, es werden viele Tagesausflügler erwartet. «An solchen Tagen arbeiten wir immer zu zweit auf der Rampe, und beide Kassen sind bedient.» Biedermann zeigt in der Kolonne auf zwei Lieferwagen, einer davon mit Anhänger. Denn um 8.36 Uhr fährt der Grossraumpendelzug los, welcher eine Eckhöhe von 3,4 Metern aufweist. Die «normalen» Züge sind bloss 2,85 Meter hoch. Fragt sich der langjährige Betriebsangestellte an der Verladerampe nicht ständig, wohin die Reise führt? «Nein, nie», lautet seine rasche Antwort. Es «glüste» ihn eigentlich nicht, wegzufahren. Ist er aushilfsweise beim Verlad in Goppenstein im Einsatz, reicht ihm diese berufliche Luftveränderung.
«Wann fährt der nächste Zug?»
Kontakt mit den Fahrzeuginsassen gibt es wenig. «Wann fährt der nächste Zug?», ist die am häufigsten gestellte Frage. Ein Kompliment oder ein Dankeschön für den guten Service freut die Mitarbeiter. «Natürlich gibt es auch das Gegenteil», so der langjährige Angestellte. Beschimpfungen seien allerdings selten persönlicher Natur. Darum lasse er solches an sich abprallen.
Die Frühschicht ist um 12.15 Uhr zu Ende – Biedermann kommt pünktlich zum Mittagessen nach Hause. «Mir gefällt die Schichtarbeit auch deswegen, weil ich früh Feierabend habe und den Nachmittag mit der Familie geniessen kann.» Die Spätschicht beginnt kurz vor 17 Uhr und dauert bis nach Mitternacht. Der letzte Zug verlässt Kandersteg um 24.00 Uhr.
ZUR PERSON
Beat Biedermann ist in Kandersteg geboren und aufgewachsen. Nach einigen Jahren auf seinem erlernten Beruf als Plattenleger suchte er Abwechslung von normalen Arbeitstagen mit geregelter Fünf-Tage-Woche. Seit 29 Jahren arbeitet er bei der BLS als Betriebsarbeiter Verladerampe. Der 51-Jährige ist verheiratet und Vater eines Sohnes. In der Freizeit ist er gerne mit dem E-Bike oder zu Fuss auf Wanderwegen unterwegs.