Meisterflieger, die aus dem Wasser kommen
24.07.2020 Region, NaturDen Sommer über brummen sie wie Mini-Helikopter über Gewässer und Gärten: Libellen. Kurz nach ihrer «Geburt» sehen die wendigen Flugkünstler allerdings noch arg zerknittert aus.
BERT INÄBNIT
Das Leben einer Libelle ist hochinteressant, und wer einmal einer ...
Den Sommer über brummen sie wie Mini-Helikopter über Gewässer und Gärten: Libellen. Kurz nach ihrer «Geburt» sehen die wendigen Flugkünstler allerdings noch arg zerknittert aus.
BERT INÄBNIT
Das Leben einer Libelle ist hochinteressant, und wer einmal einer Libellen-Geburt zuschauen kann, kommt aus dem Staunen nicht mehr heraus, wie genial die Natur funktioniert. Doch bevor es soweit ist, durchläuft eine Libelle eine lange Entwicklung.
Bei vielen Libellenarten taucht das Weibchen beim Überfliegen eines Gewässers mehrmals seinen Hinterleib kurz ins Wasser und legt so in der Nähe von geeigneten Pflanzen seine Eier ab. Die daraus entstehenden Larven entwickeln sich je nach Art während ein bis drei Jahren zu räuberischen Allesfressern, die unter Wasser leben. Alles, was in einem Teich zu finden ist, seien es Kaulquappen («Rossnägel»), Krebstierchen oder sogar kleine Fische, fallen ihnen zum Opfer.
Während ihres Wachstums häuten sich Libellenlarven mehrmals. Im Juni und Juli kriechen sie dann eines Nachts aus dem Wasser. Die meisten Arten klettern an einem Schilfhalm empor und klammern sich daran fest. Hier wird nun die Verwandlung vom Wassertier zum filigran-eleganten Fluginsekt stattfinden.
Der heikle Moment vorm ersten Abheben
Indem sich die Libelle mehr und mehr «aufpumpt», sprengt sich plötzlich der Nacken der Larvenhülle auf. Innert 15 bis 30 Minuten windet sich dann die fertig entwickelte Libelle aus der Larvenhülle. Nachdem diese ganz geschlüpft ist, entfalten sich ihre zarten Flügel, indem das Insekt weiter Blut hineinpumpt. Dasselbe geschieht mit dem übrigen Körper, der so nach und nach seine eigentliche Form erhält. Der Vorgang ist ein heikler Moment im Leben einer Libelle – sie ist währenddessen hilf- und wehrlos und kann für Feinde eine leichte Beute werden.
Nach etwa anderthalb bis zwei Stunden sind die zunächst weichen Flügel trocken und voll entwickelt. Nun erhebt sich die Libelle zum ersten Mal in die Luft. Die farbenfrohe Zeichnung, in unseren Breiten meist Blau und Grün, erhält sie erst nach etwa zwei bis drei Tagen.
Was nicht zu gross ist, wird gefressen
Libellen ernähren sich räuberisch, ihre Opfer fangen sie im Flug. Dabei helfen ihnen einerseits ihre leistungsfähigen Facettenaugen, andererseits ihre enorme Manövrierfähigkeit. Attackiert wird nahezu alles, was eine Libelle überwältigen kann – bis hin zu den eigenen Artgenossen. Für Menschen stellen die Insekten keine Gefahr dar: Sie sind weder giftig noch stechen sie. Wer eine Libelle mit der Hand fängt, muss allerdings damit rechnen, von ihren Mundwerkzeugen gezwickt zu werden.
Als wendige Flieger sind Libellen auf eine funktionierende Muskulatur angewiesen. Vor allem in kühleren Regionen wie dem Berggebiet müssen sie diese vor dem Start aufwärmen, indem sie eine Zeit lang mit gespreizten Flügeln Sonne tanken. Apropos Flügel: Auch vor 300 Millionen Jahren gab es schon Libellen. Weil damals der Sauerstoffgehalt in der Luft viel höher war als heute, waren die Tiere allerdings deutlich grösser: Sie brachten es auf eine Flügelspannweite von 70 cm. Heute sind die bunten Flugkünstler kleiner – dafür aber zahlreicher. Elf verschiedene Libellen und Teichjungfern kommen bei uns vor, weltweit sind rund 3500 Arten verbreitet. Sie leben in der Nähe von stehenden und fliessenden Gewässern sowie Mooren.
«Hochzeit» in der Luft
Wie bei vielen Insektenarten ist die Entwicklungszeit einer Libelle länger als die Lebensdauer des «fertigen» Tiers. So lebt eine erwachsene Libelle nach dem Schlupf nur wenige Wochen lang.
Ihre Geschlechtspartner finden die Tiere im Flug, teilweise findet auch die Paarung selbst in der Luft statt. Am Ende des Sommers legen die Weibchen ihre Eier überwiegend in stehende Gewässer ab. Die meisten erledigen das im Flug, manche Arten gehen für die Eiablage auf längere Tauchgänge. So beginnt der Lebenszyklus von vorn.