Was können Hochwasser wo anrichten?
02.07.2020 Region, NaturWie wahrscheinlich Naturereignisse in Schweizer Gemeinden sind, ist dank zahlreicher Gefahrenkarten gut dokumentiert. Was bisher aber fehlte, waren Angaben zu möglichen Schäden. Dies hat eine Forschungsinitiative jetzt nachgeholt.
BIANCA HÜSING
Wer mehr hat, hat ...
Wie wahrscheinlich Naturereignisse in Schweizer Gemeinden sind, ist dank zahlreicher Gefahrenkarten gut dokumentiert. Was bisher aber fehlte, waren Angaben zu möglichen Schäden. Dies hat eine Forschungsinitiative jetzt nachgeholt.
BIANCA HÜSING
Wer mehr hat, hat auch mehr zu verlieren – eine simple Logik, die sich problemlos auf Gemeinden übertragen lässt. Je dichter ein Ort besiedelt ist, desto mehr Schaden kann ein Hochwasser dort anrichten. Interessanterweise tauchte dieser nicht ganz unbedeutende Aspekt in keiner Gefahrenkarte auf. Wie hochwassergefährdet eine Gemeinde ist, liess sich zwar im Detail nachschauen. Doch die Höhe des potenziellen Schadens blieb unerforscht – bis jetzt.
Letzte Woche veröffentlichte die «Forschungsinitiative Hochwasserrisiko» ihren Schadensimulator. Auf einer interaktiven Karte wird für jeden Ort angezeigt, wie viele Gebäude von einem Ereignis betroffen wären, welche Schadensumme dabei enstünde und wie sich die Zahlen durch Objektschutzmassnahmen bis 2040 verändern liessen.
1147 Gebäude gefährdet
Die Gemeinde Frutigen träfe ein Hochwasser besonders hart. Das mögliche Schadenausmass könnte heute laut Berechnungen der Forschergruppe bei 16 Millionen Franken liegen. Nur 3 Prozent aller Schweizer Gemeinden müssten mit einem ebenso grossen oder grösseren Schaden rechnen. In Frutigen wären 1147 Gebäude aus allen gefährdeten Zonen betroffen. Erstaunliches Detail: Die grössten Schäden würden dort entstehen, wo die Hochwassergefahr eigentlich am geringsten ist. In der gelben Zone wären es 9,6 Millionen Franken, in der roten «nur» 1,2 Millionen. Erklären lässt sich dieser Umstand wohl mit der Siedlungsdichte in den entsprechenden Gebieten.
All diese Annahmen beruhen auf einem Ereignis der Kategorie «gross». Gäbe es ein «sehr grosses Ereignis», so könnte die Gesamtsumme auf bis zu 76 Millionen Franken anwachsen. Damit sich die Nutzerin der Schadenkarte mehr unter diesen abstrakten Kategorien vorstellen kann, sind auch gleich Beispiele angegeben: Muttenz (BL) 2016 war demnach ein mittleres, Sumiswald (BE) 2014 ein grosses und Wynigen (BE) 2007 ein sehr grosses Ereignis.
Anschauliches «Überschwemmungsgedächtnis»
Wer es ganz genau wissen will, kann sich auf der zusätzlichen Karte «Schadenpotenzial» umschauen. Dort sieht man zum Beispiel, dass in Frutigen 2653 Personen an ihrem Wohnsitz und 1998 an ihrem Arbeitsplatz gefährdet wären. Auch sind die betroffenen Gebäude in Wohnhäuser, Spitäler, Kulturgüter oder Schulareale unterteilt. Für genug Anschauungsmaterial sorgt das «Überschwemmungsgedächtnis» – ebenfalls Teil dieses Forschungsprojekts. Zu verschiedensten Ereignissen sind dort Fotos hinterlegt, etwa von den Folgen des Hochwassers 1969 in Frutigen oder sogar jenem in Bern 1944.
Initiiert und durchgeführt wurde das Projekt Schadensimulator von der Universität Bern und der Mobiliar-Versicherung – womit auch die Stossrichtung klar wäre. Denn Ziel der Initative ist es letztlich, Gemeinden und Gebäudebesitzer-Innen zu mehr Schutzmassnahmen zu motivieren. In dieser Hinsicht besteht offenbar noch viel Luft nach oben. Der Anteil von Häusern mit Objektschutz beträgt im schweizweiten Durchschnitt gerade einmal 2 Prozent in der gelben Gefahrenzone, 11 Prozent in der blauen und 10 in der roten. Würde man alle Gebäude schützen, könnte sich der Schaden im Beispiel Frutigen auf 8,1 Millionen Franken halbieren.
Die Karten «Schadensimulator», «Schadenpotenzial» und «Überschwemmungsgedächtnis finden Sie in unserer Web-Link-Übersicht unter www. frutiglaender.ch/web-links.html