Wie viel Transparenz darfs denn sein?
17.07.2020 Coronavirus, Gesundheit, RegionSeit Ende Juni publiziert der Kanton Bern die Corona-Fallzahlen in den einzelnen Gemeinden. Die Massnahme soll die Leute sensibilisieren, ruft aber auch Datenschützer auf den Plan. Auch die Oberländer Tourismusbranche übt Kritik.
JULIAN ZAHND
Der Datenschutz kann ...
Seit Ende Juni publiziert der Kanton Bern die Corona-Fallzahlen in den einzelnen Gemeinden. Die Massnahme soll die Leute sensibilisieren, ruft aber auch Datenschützer auf den Plan. Auch die Oberländer Tourismusbranche übt Kritik.
JULIAN ZAHND
Der Datenschutz kann ein unbequemer Gegner sein. Oft zeigt er Behörden und Politik Grenzen auf – selbst in der Corona-Krise macht sich seine Macht bemerkbar. So stiessen Besucherlisten in Restaurants zunächst auf erheblichen Widerstand, und auch der Tracking-App des Bundes begegnen die Leute teilweise mit grosser Skepsis. Wo man sich mit wem aufhält, so das Argument, sei schliesslich Privatsache.
Das jüngste Beispiel eines Datenschutz-Zwists ist nur wenige Wochen alt. Seit Ende Juni schlüsselt der Kanton Bern neue Corona-Fälle nach Gemeinden auf. Die Transparenz soll die Sensibilisierung in der Bevölkerung erhöhen – und sie wirkt offenbar: «Die Distanzregeln und die Hygienemassnahmen werden wieder aufmerksamer umgesetzt und angewandt», sagt Gundekar Giebel von der kantonalen Gesundheitsdirektion. Man werde an der Publikation der Daten festhalten. «Eine Covid-19-Erkrankung kann jede Person jederzeit treffen. Wir müssen alle verfügbaren Kanäle nutzen, um die Bevölkerung zu schützen.»
Kleinstgemeinden werden nicht namentlich erwähnt
Für die Veröffentlichung der Daten erhält der Kanton Bern Lob von diversen Epidemiologen, welche dieselbe Transparenz auch von anderen Kantonen und dem Bund fordern. Zwar würden in Genf sogar Stadtquartiere markiert, wie Gundekar Giebel betont. Die meisten Kantone und auch das Bundesamt für Gesundheit BAG verzichten jedoch auf eine solch detaillierte Aufschlüsselung der Fallzahlen – aus Datenschutzgründen. Tatsächlich gibt es im kleinteiligen Kanton Bern eine Handvoll Gemeinden mit weniger als 100 Einwohnern. Lässt hier ein gemeldeter Krankheitsfall nicht Rückschlüsse auf die Identität des Infizierten zu? Giebel relativiert. Gemeinden mit weniger als 500 Einwohnern würden nicht genannt, sondern lediglich einem Verwaltungskreis zugeordnet (zum Beispiel: «Kleinstgemeinde Berner Jura»).
Tourismus will keinen Pranger
Für Orte wie Adelboden oder Kandersteg könnte die Datentransparenz zudem eine abschreckende Wirkung haben. Wie steht man der Veröffentlichung in den Gemeinden gegenüber? Die Verwaltungen zeigen sich zurückhaltend: Man vertraue in dieser Hinsicht auf die Einschätzung des Kantons und möchte daher auf eine Stellungnahme verzichten.
Anders tönt das bei der Tourismusorganisation TALK AG. Man verstehe die Notwendigkeit einer Sensibilisierung durchaus. Darum seien Massnahmen wichtig, die aufzeigen, dass das Virus nicht weg sei. «Ob die Bekanntgabe der Gemeinden der richtige Weg ist, bezweifeln wir aber. Für uns greift das zu weit», sagt die TALK-Kommunikationsverantwortliche Silvia Nüesch. Das Virus betreffe alle und nur wenn sich alle an die Hygiene- und Distanzregeln halten würden, könne etwas bewirkt werden. «Auf einzelne Gemeinden zu zeigen, ist darum nicht richtig und könnte auch eine falsche Sicherheit vermitteln. Wir würden es darum begrüssen, wenn der Kanton Bern sich wieder an die Empfehlung des Bundesamtes für Gesundheit hielte und Wohnorte nicht veröffentlicht», so Nüesch.
Tiefe Zahlen in der Region
Zurzeit kann das Berner Oberland der Massnahme allerdings gelassen begegnen, denn die Lage (Stand Mittwoch) präsentiert sich hier insgesamt ruhig. Das Frutigland verzeichnete in den letzten sieben Tagen keinen Corona-Fall, einzig in Interlaken und Unterseen infizierte sich in diesem Zeitraum je eine Person. Seit Beginn der Pandemie gab es in den drei Verwaltungskreisen Frutigen-Niedersimmental, Interlaken-Oberhasli und Obersimmental-Saanen zusammengerechnet 181 Fälle. Die meisten Infektionen ereigneten sich aber in den beiden Monaten März und April.
Mehr Informationen zu den aktuellen Fallzahlen finden Sie auf unserer Web-Link-Übersicht unter www.frutiglaender.ch/web-links.html