«Wir haben das Richtige getan und sind belohnt worden»
25.09.2020 Adelboden, KulturDie in Ligerz wohnhafte Christine Lüthi ist Intendantin des Swiss Chamber Music Festivals. Im Interview nimmt sie zur abgelaufenen Konzertreihe Stellung und erzählt von ihren Zukunftswünschen.
Christine Lüthi, was wird Ihnen vom «Corona-Festival» 2020 ...
Die in Ligerz wohnhafte Christine Lüthi ist Intendantin des Swiss Chamber Music Festivals. Im Interview nimmt sie zur abgelaufenen Konzertreihe Stellung und erzählt von ihren Zukunftswünschen.
Christine Lüthi, was wird Ihnen vom «Corona-Festival» 2020 besonders in Erinnerung bleiben?
Was mich sehr berührt hat, war die Geigerin von Duo Sikrona. Sie sagte mir im Anschluss an ihren Auftritt: «Es war so schön, nach sechs Monaten wieder vor Publikum auftreten zu können! Als ich beim Amuse-Bouche bei der Kirche die Kinder vor mir im Gras sitzen sah, fasste ich den Entschluss, wieder Kinderkonzerte durchzuführen.» Ich spürte ihre ungeheure Spielfreude und ihre Leidenschaft – das war ein sehr eindrücklicher Augenblick. Alle Ensembles fühlten sich in Adelboden durch und durch wohl. Sie rühmten die lockere, entspannte Atmosphäre, die freundliche Betreuung und das Herzblut, welches in den Adern aller Beteiligten floss. Ein weiterer Höhepunkt war das Bespielen des Gruebi-Schwimmbads. Auch dies müssen wir fortführen.
Outdoor-«Amuse Bouches» vor den Konzerten, ein wanderndes Festival-Klavier, eine fahrende Bühne, ein Klang- und Hörweg, offener Morgenklang – das Festival ist vielseitiger und bunter geworden. Was wird bleiben?
Am liebsten alles! Wir haben das Richtige getan und sind belohnt worden. Unsere Absicht war, in dieser schwierigen Zeit auf die Menschen zuzugehen und das Festival auf die Strasse zu bringen. Das ist geglückt und hat hervorragende Echos ausgelöst. Diesen Ansatz werden wir weiterverfolgen und um neue Ideen erweitern.
Wie hat das Publikum auf die Maskenpflicht reagiert?
Absolut positiv, wir hatten keine ablehnenden Rückmeldungen. Interessanterweise fühlten sich auch die Auftretenden von den verborgenen Mienen des Publikums nicht negativ beeinflusst – ganz im Gegenteil. Alle sprachen von einer grossen Energie, die an den Konzerten von den Zuhörenden zu den Vortragenden geflossen sei – und umgekehrt.
Am ersten After Concert Apéro wurden die Abstandsregeln nicht eingehalten. Das führte zu Kritik. Wie haben Sie reagiert?
Ich habe sofort mit den After Concert Partnerhotels Kontakt aufgenommen und sie gebeten, den Anlass nach Möglichkeit auf der Terrasse durchzuführen. Sie haben dies durchwegs so gemacht, und das warme Wetter hat das Seine dazu beigetragen. Das Team vom Hotel Waldhaus Huldi hat die Terrasse mit Fackeln und Kerzen beleuchtet – es wurde ein wundervoller, stimmungsvoller Apéro.
Blicken wir ins Jahr 2021. Wie wird das Festival aussehen?
Wir wollen unbedingt die «Adelboden-Symphonie» zur Aufführung bringen. Das Projekt mit den Adelbodner Musikund Gesangsvereinen wäre schon fürs 2020 angedacht gewesen. Dazu werden das Eröffnungs- und das Abschlusskonzert kommen, welche wir heuer aus Kostengründen sistieren mussten. Ansonsten führen wir den eingeschlagenen Weg weiter. Dazu gehört die feste Absicht, die klassische Musik von ihrem eher verstaubten, elitären Image zu befreien.
Wie soll sich das Festival in der weiteren Zukunft entwickeln?
Wir möchten die Ensembles etwas länger im Ort behalten und ihnen die Gelegenheit bieten, Adelboden noch mehr zu geniessen. Das gäbe uns zudem die Möglichkeit, sie noch vielseitiger einzusetzen. Das würde zwar zu etwas höheren Kosten führen, aber wir und die Musiker-Innen hätten einen grossen Mehrwert.
Sie sprechen die Kosten an. Können Sie schon abschätzen, wie das finanzielle Ergebnis sein wird?
Nach heutigem Stand werden wir sicher positiv abschliessen können, dies nicht zuletzt wegen eines ausserordentlichen Kantonsbeitrags. Ganz besonders erfreulich waren die Erlöse aus den Eintritten: Über tausend Festivalbesucher besuchten die Einzelanlässe. Wir durften 20 Prozent mehr BesucherInnen begrüssen als an den Preisträgerkonzerten des Vorjahres. Das hat sich auch in der Kasse bemerkbar gemacht.
Wenn Sie der Frutigländer Bevölkerung noch etwas zurufen könnten, was wäre es?
Musik verbindet uns alle, egal welchem Stil sie angehört! Es lohnt sich, die Ohren offenzuhalten und kulturelle Erlebnisse gemeinsam zu teilen. Dazu wollen wir mit unseren qualitativ hochstehenden Konzerten, Amuse-Bouches, Strassenauftritten und der Musik für Kinder aufrufen.
INTERVIEW RETO KOLLER