«Geht raus, vernetzt euch!»
20.10.2020 Wirtschaft, TourismusINTERVIEW Ohne Innovationen haben touristische Betriebe keinen Bestand, davon ist Thomas Egger überzeugt. Für noch zentraler hält der SAB-Direktor aber die überbetriebliche Zusammenarbeit – die Hotelkooperation Frutigland mache es vor. Für Innovations- und ...
INTERVIEW Ohne Innovationen haben touristische Betriebe keinen Bestand, davon ist Thomas Egger überzeugt. Für noch zentraler hält der SAB-Direktor aber die überbetriebliche Zusammenarbeit – die Hotelkooperation Frutigland mache es vor. Für Innovations- und Kooperationsverweigerer findet Egger deutliche Worte.
Thomas Egger, Sie kennen das Frutigland. Hier gibt es überwiegend Familienbetriebe, in denen die Chefs komplett ins Tagesgeschäft eingebunden sind. Da bleibt oft nicht viel Zeit, sich über Innovation Gedanken zu machen ...
Das ist richtig und auch der Anlass, warum wir heute zusammengekommen sind und das Thema aufgegriffen haben. Wir möchten auch diesen Akteuren aufzeigen, wo sie Unterstützung bekommen. Sie können sich einerseits an die Wissenschaft wenden (FHs, Universitäten, private Beraterfirmen), damit sie die Innovationsüberlegungen auslagern können. Andererseits haben sie auch finanzielle Unterstützungsmöglichkeiten – etwa bei Innosuisse, Innotour, in der Regional- oder auch in der Agrarpolitik. Vielen dieser Instrumente ist aber gemein, dass man nicht als Einzelner ein Projekt einreichen kann, sondern mit anderen zusammenspannen muss – und das finde ich persönlich gut. Sobald sich mehrere zusammentun, kann man Synergieeffekte nutzen. Am Schluss haben alle mehr Geld im Topf und können wiederum in Innovation investieren. Die Hotelkooperation Frutigland ist ein gutes Beispiel für erfolgreiche Zusammenarbeit.
Geld ist das eine. Doch auch das Konzept muss passen, alle müssen in die gleiche Richtung gehen wollen. Daran scheitert es oft.
Das ist eine der grössten Herausforderungen in den Berggebieten. Wir haben es oft mit Einzelkämpfern auf einem hart umkämpften Markt zu tun. Da braucht es einfach die Einsicht, dass man gemeinsam viel stärker ist. Meine persönliche Erkenntnis aus 25 Jahren Regionalentwicklung: Man muss mit denen anfangen, die bereit sind, zusammenzuarbeiten. Es muss ja auch die Chemie stimmen, man muss gemeinsam von einer Mission überzeugt sein, damit aus Konkurrenten Partner werden. Es wird immer welche geben, die das nicht wollen. Aber ehrlich gesagt: Das sind die Betriebe, die früher oder später vom Markt verschwinden werden. Wir haben es in der Corona-Krise noch einmal ganz deutlich gesehen. Es gab Hotels und Restaurants, die sehr innovativ darauf reagiert haben. Andere haben fast gar nichts gemacht und den Betrieb geschlossen – also Vogel-Strauss-Politik. Ich denke, diese Betriebe müssen verschwinden. Denn sie schaden der ganzen Tourismusbranche.
Inwiefern?
Wir sind in der Schweiz stark auf ausländische Touristen angewiesen. Man wirft uns – nicht immer ganz zu Recht – vor, eine Hochpreisinsel zu sein. Deshalb müssen wir auch auf Qualität setzen und einen Mehrwert aufzeigen können. Da haben wir zum einen unsere unverwechselbare Berglandschaft, aber die allein reicht nicht. Wir müssen auch im Gästeservice gut sein. Wenn ein Betrieb das heute nicht mehr bringen kann, weil er vielleicht auch finanziell nicht mehr dazu in der Lage ist, dann ist mir fast lieber, wenn er vom Markt geht – und die guten Betriebe bleiben.
Um gut zu werden, braucht man Ideen. Woher sollen die kommen?
Wenn man 365 Tage rund um die Uhr in seinem Betrieb ist und nicht rausgeht, ist es schwierig. Deshalb mein Appell: Geht bitte raus, nutzt die Angebote, die da sind, informiert euch über Tagungen und im Internet, vernetzt euch und fragt Kollegen, wie sie es machen. Fragen kostet nichts. Nicht fragen kann dagegen teuer werden.
Ein Schwerpunktthema dieser Tagung war ja das Zusammenspiel von Wissenschaft und Tourismus. Kann man davon profitieren, sich Studierende ins Haus zu holen?
Das ist auch immer ein Weg, aber vielleicht nicht der naheliegendste. Ein Hotelier im Kiental hat nicht unbedingt einen Bezug zur Tourismusprofessorin in Bern. Aber die Tür ist offen, die Universitäten suchen für sich und ihre Studierenden Forschungsthemen. Im besten Fall kommt ein wirklich tiefgreifendes Projekt dabei heraus, von dem am Ende die ganze Branche profitieren kann.
Und an wen wende ich mich, wenn ich schliesslich eine Projektidee habe? Was sind niedrigschwellige Anlaufstellen für die Finanzierung?
Im Berner Oberland kann man sich zum Beispiel an die Regionalmanager wenden. Die kennen die Finanzierungsinstrumente. Aber man sollte sich zuerst überlegen: Was will ich eigentlich? In welche Richtung möchte ich gehen? Vielfach macht man den Fehler, dass man zuerst das Finanzierungsinstrument sucht und erst danach versucht, das Projekt zu konstruieren. Von diesem Denken in Instrumenten müssen wir unbedingt wegkommen.
INTERVIEW BIANCA HÜSING