Frieden fördern, Wirtschaft gefährden?
27.10.2020 LandwirtschaftABSTIMMUNG Bisher dürfen AHV und Pensionskassen auch in Firmen investieren, die Waffen herstellen. Eine Initiative will das nun ändern – und dehnt dabei den Begriff «Waffen» stark aus.
BIANCA HÜSING
Im Prinzip schlagen beide Abstimmungsvorlagen vom 29. November ...
ABSTIMMUNG Bisher dürfen AHV und Pensionskassen auch in Firmen investieren, die Waffen herstellen. Eine Initiative will das nun ändern – und dehnt dabei den Begriff «Waffen» stark aus.
BIANCA HÜSING
Im Prinzip schlagen beide Abstimmungsvorlagen vom 29. November in die gleiche Kerbe. Die Konzernverantwortungsinitiative will Schweizer Unternehmen zur Rechenschaft ziehen, die im Ausland gegen Schweizer Umwelt- und Ethikstandards verstossen. Sie verlangt also, dass die eigenen Grundsätze nicht vor der Landesgrenze haltmachen. Ganz ähnlich argumentieren auch die Befürworter der sogenanten Kriegsgeschäfte-Initiative. Dass Schweizer Banken und Versicherungen in Kriegsgüter investieren, stehe im Widerspruch zur Neutralität des Staats und zu dessen Anspruch, sich für die friedliche Lösung internationaler Konflikte einzusetzen. Die Initiative will daher jegliche finanzielle Beteiligung an Unternehmen verbieten, die Kriegsmaterial herstellen – oder Teile davon.
Atomwaffen sind heute schon tabu
Dies würde in mehrfacher Hinsicht eine massive Verschärfung der gängigen Regeln darstellen. Bisher ist recht eindeutig definiert, welche Kriegsgüter aus Schweizer Sicht tabu sind: Atomwaffen, biologische und chemische Waffen, Streumunition und Personenminen dürfen hier weder hergestellt werden, noch darf man mit ihnen handeln oder ihre Produktion finanziell unterstützen. Sie gelten als «international geächtete Waffen».
Die Initiative will dieses Tabu nun auf sämtliche Produkte ausweiten, die für militärische Zwecke eingesetzt werden – also auch auf Panzer, militärische Flugzeuge oder Sturmgewehre. Die Herstellung dieser Gerätschaften soll zwar nicht verboten werden. Wer sie aber herstellt, dürfte weder von der Schweizerischen Nationalbank noch von staatlichen Pensions- und Vorsorgekassen, der AHV oder von Stiftungen unterstützt werden, sprich: keine Kredite, keine Aktien und auch sonst keine finanzielle Beteiligung. Überdies soll sich der Bundesrat dafür einsetzen, dass das Finanzierungsverbot auch für andere Banken und Versicherungen gilt – national wie international.
Dies hätte nicht nur für eindeutig militärisch orientierte Unternehmen wie RUAG oder Rheinmetall Folgen, sondern auch für Konzerne wie dem Flugzeughersteller Boeing, der nebst zivilen Maschinen auch Kampfjets baut. Auch Zuliefererbetriebe, die Teile für militärisches Gerät produzieren, dürften nicht mehr finanziert werden. Die Schallmauer läge hier bei 5 Prozent des Jahresumsatzes.
Nachhaltige Wertanlagen oder ein Eingriff in die Investitionsfreiheit?
Die Inititianten versprechen sich von diesen Massnahmen, dass die Waffenproduktion und dadurch auch die Anzahl kriegerischer Konflikte verringert werden – was wiederum weniger Flüchtende zur Folge hätte. Der Schweizer Regierung werfen die Initianten widersprüchliches Handeln vor. Einerseits setze man sich für den Frieden ein, andererseits flössen jedes Jahr Milliarden von Franken in die Produktion von Waffen. Auch dem selbstgesetzten Ziel, nachhaltige Finanzgeschäfte zu fördern, laufe die gängige Praxis zuwider. Zur Nachhaltigkeit gehörten nebst ökologischen schliesslich auch soziale Standards. Dabei sei es problemlos möglich, auch mit «sauberen» Aktienfonds Gewinne zu erzielen.
Den Gegnern – darunter Bundesrat und Parlament – gehen die Forderungen indes viel zu weit. Allein die zwei grössten Schweizer Rüstungsunternehmen würden von 3000 KMU beliefert, die dann keinen Kredit mehr bei einer einheimischen Bank aufnehmen könnten. Dies könne im schlimmsten Fall zum Verlust von Arbeitsplätzen und Know-how führen. Die Initiative stelle überdies einen Eingriff in die Investitionsfreiheit und damit eine Schwächung der Pensionskassen sowie des Finanzplatzes Schweiz dar. Auch würde eine Annahme der Initiative keineswegs dazu führen, dass weltweit weniger Waffen hergestellt würden.
Dünner Vorsprung, geringe Erfolgsaussichten
Im Moment sieht es nicht so aus, als hätte die Initiative grosse Chancen. Zwar liegen die Befürworter aktuellen Umfragen zufolge vorn, allerdings nur um wenige Prozentpunkte. Und die Erfahrung zeigt: Je dünner der Vorsprung in den Vorab-Umfragen, desto wahrscheinlicher kippt die Stimmung an der Urne. Zudem ist die Gegnerschaft breit aufgestellt. Stände- und Nationalrat lehnen die Initiative ebenso klar ab wie der Bundesrat. Das Nein-Komitee ist fraktionsübergreifend mit Vertretern der CVP, FDP, SVP und GLP besetzt, auch viele grosse Verbände sprechen sich gegen die Vorlage aus.
Im Ja-Komitee sitzen Teile der Grünen Partei und der SP. Lanciert wurde die Vorlage durch die Gruppe für eine Schweiz ohne Armee (GSoA), die in der Vergangenheit mehrmals versuchte, die Armee abzuschaffen – und jedes Mal am Volksmehr scheiterte.
Zwar hat die äusserst knapp ausgegangene Kampfjet-Abstimmung vom 27. September gezeigt, dass militärische Gerätschaften in der Bevölkerung nicht unumstritten sind. Damals ging es jedoch vor allem um die hohen Kosten der Jets.
Die Abstimmungsbotschaft des Bundesrats finden Sie unter www.frutiglaender.ch/web-links.html