«Es braucht eine offene Ideenkultur»
20.10.2020 Wirtschaft, TourismusAusgefallene Baumhütten, nützliche Roboter oder ein besonders gutes Mitarbeiter-Management: Innovationen kommen in vielen Formen daher. Warum der Tourismus auf sie angewiesen ist, war am Freitag Thema einer nationalen Fachtagung in Bern.
BIANCA HÜSING
Tourismus und ...
Ausgefallene Baumhütten, nützliche Roboter oder ein besonders gutes Mitarbeiter-Management: Innovationen kommen in vielen Formen daher. Warum der Tourismus auf sie angewiesen ist, war am Freitag Thema einer nationalen Fachtagung in Bern.
BIANCA HÜSING
Tourismus und Wissenschaft? Auf den ersten Blick nicht unbedingt eine naheliegende Verbindung. Das eine verkauft Erlebnisse und Emotionen, das andere interessiert sich für Fakten und ist gemeinhin eher als «trocken» verschrien. Tatsächlich aber können aus der Kooperation beider Disziplinen ganz greifbare Projekte entstehen – wie «Pepper» beweist. Der hüfthohe, freundlich dreinblickende Roboter unterstützt das Zürcher Hotel Opera seit einigen Monaten im Check-in, bietet wartenden Gästen Kaffee an oder gibt Ausflugstipps. Was dem Hotel Entlastung und eine Attraktion beschert, soll im Gegenzug auch der Wissenschaft dienen. Die FH Graubünden begleitet Peppers Einsatz und analysiert die Interaktion von Mensch und Maschine in der Alltagspraxis – wovon in Zukunft wiederum die gesamte Hotellerie profitieren kann.
Noch plastischer zeigt sich die Verbindung von Wissenschaft und Tourismus beim Campingplatz Saignelégier: Hier liessen sich die Betreiber Baumhäuser von Architekten aus aller Welt entwerfen und begegneten damit der Nachfrage nach ungewöhnlichen Unterkünften. In beiden Fällen gab es finanzielle Unterstützung vom Bund respektive vom Kanton.
Es muss nicht immer Hightech sein
Mit solchen und anderen Beispielen unterstrichen die Veranstalter der Tagung «Innovation im Tourismus – aber wie?» am vergangenen Freitag in Bern ihre Kernthese: Wer heute nicht in neue Ideen investiert, könnte morgen untergehen. Die Branche unterliege einem Strukturwandel, betonte etwa Thomas Egger, Direktor der Schweizerischen Arbeitsgemeinschaft für die Berggebiete (SAB) und Mit-Initiator der Veranstaltung. Man müsse sich als Gastgeber an veränderte Kundenbedürfnisse anpassen, aber auch auf äussere Rahmenbedingungen wie den Klimawandel und die Alterung der Gesellschaft reagieren. Ganz offensichtlich gelingt dies nicht jedem: Seit 2005 hat sich die Anzahl Schweizer Hotels um mehr als 20 Prozent verringert, und heuer kommt erschwerend die Corona-Krise hinzu. Um in der Branche zu überleben, sollten Betriebe vermehrt kooperieren (siehe dazu auch das Interview unten) – und «innovieren».
Dass es dabei nicht immer um Hightech und Robotik gehen muss, verdeutlichte Monika Bandi Tanner von der Uni Bern am Beispiel Google. Der Konzern gewährt seinen MitarbeiterInnen die Möglichkeit, 20 Prozent ihrer Arbeitszeit für eigene Projekte und Ideen zu nutzen. Auch der Einsatz leichteren Materials in der Seilbahnbranche oder ein ausgeklügeltes Dienstleistungsversprechen könne schon eine Innovation darstellen. Oder man mache aus der Not eine Tugend und antworte auf das durch Corona gewachsene Freiheitsbedürfnis mit besonders viel Platz.
Wichtig sei eine offene Ideenkultur, wie Roland Schegg von der HES-SO Valais-Wallis hervorhob. Als Gastgeber müsse man ständig auf dem Laufenden sein und auch für die Inputs der Mitarbeitenden ein offenes Ohr haben. Eine heterogene Belegschaft – etwa mit unterschiedlichen Nationalitäten – könne daher eine grosse Chance darstellen.
Natürliche Verbündete: Landwirtschaft und Hotellerie
Um ihre Ideen zu diskutieren, das Potenzial auszuloten und vielleicht sogar schon mögliche Geldgeber kennenzulernen, konnten sich die rund 100 TagungsteilnehmerInnen beim «Innovationsdating» vernetzen. Sehr gefragt war zum Beispiel der Stand von Lisa Landert, wissenschaftliche Mitarbeiterin beim Bundesamt für Landwirtschaft (BLW). Das BLW fördert durchaus auch touristische Projekte, wenn daran die Landwirtschaft wesentlich beteiligt ist – und davon profitiert. Als aus ihrer Sicht sehr gelungenes Beispiel nennt Landert die «Genussregion Wilchingen Osterfingen Trasadingen» im Kanton Schaffhausen. Winzer, Hoteliers und Restaurants dreier Gemeinden hätten gemeinsam ein Angebot geschaffen, das nachhaltig den Weintourismus in der Region fördern und das Produkt bekannter machen soll. Im Kanton Bern scheint es an solchen Beispielen noch zu mangeln – dabei bietet sich das Berner Oberland geradezu an für die Verbrüderung von Tourismus und Landwirtschaft.
Um die Tourismusbranche weiter für das Thema Innovation zu sensibilisieren, werden die Veranstalter (darunter SAB, Seilbahnen Schweiz und der Schweizer Tourismus-Verband) eine insgesamt vierjährige Veranstaltungsreihe durchführen. Die Tagung am Freitag stellte den Auftakt dar.
Die Tagungsunterlagen inklusive Beispielvideos finden Sie in unserer Web-Link-Übersicht unter www.frutiglaender.ch/web-links.html