Er kam für die Liebe – und blieb wegen der Berge
24.11.2020 Porträt, AdelbodenSeinen Vornamen kennen fast alle, den Nachnamen fast niemand. Robert Quagliato arbeitet im Sommer als Bademeister im Gruebi-Freibad und im Winter als Hockey-Nachwuchstrainer in der Sportarena. Ab dieser Wintersaison wird er auch als Kinderskilehrer tätig sein.
PETER ...
Seinen Vornamen kennen fast alle, den Nachnamen fast niemand. Robert Quagliato arbeitet im Sommer als Bademeister im Gruebi-Freibad und im Winter als Hockey-Nachwuchstrainer in der Sportarena. Ab dieser Wintersaison wird er auch als Kinderskilehrer tätig sein.
PETER SCHIBLI
Robert Quagliato lebt seit acht Jahren in Adelboden. «Ich bin gerne hier, wegen der Natur, der Berge, der abwechslungsreichen Arbeit – und weil Adelboden tolle Skipisten für Familien bietet.» Man glaubt es ihm aufs Wort: Er kann gut mit Kindern und Familien: im Schwimmbad, in der Sportarena und auf den Skipisten der Region.
1974 in der Tschechoslowakei geboren, ist Robert Quagliato in der Kleinstadt Beroun (rund 20 000 Einwohner) aufgewachsen. Sein italienischer Grossvater hatte in den 50er-Jahren eine Tschechin geheiratet und war zu ihr gezogen. Die Eltern sind heute pensioniert. Die Mutter war Personalfachfrau beim österreichischen Baukonzern Strabag, sein Vater Kaufmann. Die jüngere Schwester des 46-Jährigen lebt in Prag und arbeitet bei der dortigen Einwanderungsbehörde.
In Beroun besuchte er die Mittelschule sowie die Wirtschaftsfachschule und studierte anschliessend an der Universität Prag Pädagogik. Zehn Jahre lang arbeitete er am Gymnasium in Beroun als Mittelschullehrer, unterrichtete Sport und Englisch. Als seine damalige Freundin aus beruflichen Gründen von Prag nach Frutigen umzog, folgte ihr Robert Quagliato der Liebe wegen. Im Engstligental suchte auch er Arbeit und wurde im Lohnerdorf fündig. Am 1. Mai 2012 begann er im Panorama-Schwimmbad Gruebi als Bademeister. Seither pflegt er in den Sommermonaten die Anlage, sorgt sich um die Wasserqualität, lässt den Putzroboter durch das Becken gleiten, beaufsichtigt oder berät Gäste und gibt den Schulkindern Schwimmunterricht.
Eine Frohnatur
Robert Quagliato ist immer gut aufgelegt, bringt den Gästen Sonnenschirme, leiht Schwimmhilfen oder Badetücher aus, hält bei einem Kaffee ein Schwätzchen mit Einheimischen oder gibt ehrgeizigen Jugendlichen Springtipps. Aber der bärtige Mann aus dem Osten kann auch streng sein. So ist er für die Durchsetzung des Fotografierverbots im Gruebi-Bad zuständig. In der letzten Saison musste er beispielsweise einen ausländischen Diplomaten zurechtweisen, der sich nicht an die Regel hielt.
Während der Gruebi-Sanierung vor zwei Jahren arbeitete er im Schwimmbad Kandersteg. Als Allrounder war er vorübergehend auch im «Bären» und im «Bernahof» beschäftigt. Nun steht im Winter 2020 / 21 der Sport im Mittelpunkt seines beruflichen Wirkens. In der Sportarena kümmert er sich um die Bowlingbahnen und um die Kletterhalle und trainiert, sobald die Corona-Einschränkungen gelockert werden, wieder den Eishockey-Nachwuchs des EHC Adelboden. Im Team der Skischule Adelboden wird er ab Beginn der Wintersaison an zwei Tagen pro Woche Kindern das Skifahren beibringen.
Auch privat hat sich einiges für ihn verändert. Seit dem Sommer wohnt der Tscheche im Hirzboden. In seiner kleinen Wohnung fühlt er sich wohl. Angesprochen auf seine Integrationserlebnisse im Bergdorf, betont er die vielen positiven Erfahrungen und Begegnungen. Sportlerinnen und Sportler seien grundsätzlich sehr offen. Nicht ideal gewesen sei es, dass er zu Beginn seines Aufenthalts Mühe mit dem Adelbodner Dialekt hatte. Einige Male sei er angeeckt, weil er nicht auf Anhieb verstand, was die Einheimischen oder die Gäste von ihm wollten. Grundsätzlich aber fühle er sich sehr willkommen und wohl im Dorf.
Versteht die Mentalitätsunterschiede
Auf Nachfrage bestätigt Robert Quagliato die grossen Unterschiede zwischen den Mentalitäten in Adelboden und in seiner Kleinstadt Beroun oder der Grossstadt Prag, wo man viel offener sei. Aber er könne umgehen mit der Art, wie man sich im Lohnerdorf begegne. Verständnis für andere Charaktere sei in der Fremde nötig, findet er. Vermutlich seien die Menschen in den Alpen eher verschlossen und konservativ geprägt, weil das Leben in den Bergen härter sei als in der Grossstadt.
Er ist nicht der einzige Osteuropäer, der in Adelboden einen Job gefunden hat. Die tschechisch-slowakische Gemeinschaft ist grösser als «Communitys» aus anderen Kulturkreisen. Gefragt nach den Gründen, verweist er auf Jobagenturen in der Slowakei, die Arbeitskräfte ins Berner Oberland vermittelten. Viele Landsleute kämen nur für eine Saison, einige wenige blieben der Liebe wegen für immer. Eher wenig Kontakt hat er mit seinen Landsleuten im Sportstudio oder im Kiosk. Unter sich rede man natürlich Tschechisch, wenn man sich treffe. Sobald aber Einheimische dabei seien, wechsle man selbstverständlich auf Deutsch, ergänzt er mit einem Augenzwinkern.
Integration funktioniert über die Sprache, aber auch über die Mitgliedschaft in lokalen Vereinen: Der Sportfan ist Mitglied bei Swiss Ice Hockey, pfeift als Schiedsrichter in der 2. und 3. Liga. Zudem ist er Mitglied des EHC Adelboden und des örtlichen Schwimmclubs, der das Gruebi betreibt.
Kontakte nach Tschechien
Obwohl in der Gemeinde angemeldet, pflegt Quagliato regelmässige Kontakte in seine alte Heimat. Zweimal pro Jahr, meist in der Zwischensaison, besucht und pflegt er seine betagten Eltern. Regelmässig erhält er Besuch aus Tschechien, von Verwandten, Freunden und Bekannten.
Zum Abschluss des Gesprächs betont Robert Quagliato, wie dankbar er ist, dass er im Panorama-Schwimmbad und in der Sporthalle arbeiten darf, mit super Kolleginnen und Kollegen, unterstützt vom Gruebi-Wirt Martin Egger und von Leuten des alten Schwimmclub-Vorstands – vor allem von Emilio Marcon und Lisi Schmid. So hofft der Wahl-Adelbodner, dass seine «Auswanderung der Liebe wegen» noch möglichst lang anhält, obwohl seine damalige Liebe inzwischen wieder nach Tschechien zurückgekehrt ist.