Planen für die Zeit nach dem «Tsunami»
10.11.2020 LandwirtschaftDas Gesundheitswesen stark beansprucht, die Wirtschaft unter Druck – so schätzt der Regierungsrat aktuell die Lage ein. Und er fordert den Bund auf, die ausser ordentliche Lage aus zurufen. Dabei geht es auch ums Finanzielle: Die Budgetverhandlungen lassen erahnen, was auf den Kanton ...
Das Gesundheitswesen stark beansprucht, die Wirtschaft unter Druck – so schätzt der Regierungsrat aktuell die Lage ein. Und er fordert den Bund auf, die ausser ordentliche Lage aus zurufen. Dabei geht es auch ums Finanzielle: Die Budgetverhandlungen lassen erahnen, was auf den Kanton Bern zukommt.
MARK POLLMEIER
Das Aufflammen der Infektionszahlen wird immer wieder als Welle beschrieben. So ausgelutscht das Bild inzwischen ist: in gewisser Weise passt es. Wenn bei einem Tsunami die Welle auf Land trifft, ist das ein dramatischer Moment. Wie gross die Zerstörung wirklich ist, zeigt sich aber erst, wenn das Wasser wieder abgeflossen ist. So wird es auch mit den Corona-Wellen sein. Erst hinterher wird man jeweils wissen, welche gesundheitlichen und finanziellen Schäden das Virus verursacht hat.
Die öffentliche Hand hat allerdings das Problem, dass sie schon jetzt, mitten in der Welle, die Budgets für das kommende Jahr verabschieden muss. So beschäftigt sich der Kanton Bern aktuell mit dem Voranschlag 2021 und dem Aufgaben-/Finanzplan 2022 bis 2024.
Es ist ein Rechnen mit vielen Unbekannten, vieles muss im Ungefähren bleiben. «Die aktuelle finanzielle Lage des Kantons ist von nie gekannter Unsicherheit geprägt», fasst es die Finanzkommission in einer Medienmitteilung zusammen. Das werde sich auch auf die Belastbarkeit des aktuellen Voranschlags und der Finanzplanung der nächsten Jahre auswirken.
Die Linke will nicht mitmachen
Klar scheint immerhin: Ohne Defizit und massive Neuverschuldung wird es nicht gehen. Für 2021 geht der Regierungsrat inzwischen von einem Budgetdefizit von 523,1 Millionen Franken aus, der Finanzierungssaldo soll minus 578,7 Millionen Franken betragen.
Eine Mehrheit in der Finanzkommission (Fiko) ist bereit, diese Planung mitzutragen. Dem entgegen steht allerdings die in der Kantonsverfassung verankerte Schuldenbremse. Damit sie für die Erfolgsrechnung gelockert werden kann, braucht es eine Dreifünftel-Mehrheit: 96 von 160 Grossratsmitgliedern müssen der Lockerung in der bevorstehenden Session zustimmen. Geschieht dies nicht, ist die Genehmigung des Voranschlags nicht möglich, die Behörden würden mittelfristig handlungsunfähig.
Und hier beginnt das Problem, denn eine «qualifizierte Minderheit der Finanzkommission» (gemeint ist die Linke) lehnt das Budget 2021 in der jetzigen Form ab. Einer der umstrittenen Punkte sind die Löhne des Kantonspersonals. Um die Schulden nicht noch höher ausfallen zu lassen, soll es auf einen Teil des Gehaltsaufschlags verzichten. Eine Fiko-Minderheit will hingegen an der vollen Lohnerhöhung festhalten.
Steuerentlastungen unnötig?
Zweiter Streitpunkt ist die Steuerpolitik. Trotz der Krise will der Regierungsrat an der geplanten Steuersenkung für natürliche und juristische Personen festhalten, was die finanzielle Schieflage des Kantons verstärken würde. Die SP Kanton Bern geht deswegen auf die Barrikaden. Die Steuersenkungen seien «absolut unverantwortlich vor dem Hintergrund, dass gleichzeitig unzählige KMU im Kanton Bern wegen der Corona-Krise vom Konkurs bedroht sind und dringend staatliche Unterstützung benötigen», teilte die Partei am Freitag mit. Auch ohne Corona sei die Übung nicht nötig gewesen, denn sie heize nur den interkantonalen Steuerwettbewerb weiter an.
Die SP erwartet nun von den Bürgerlichen ein Entgegenkommen bei den beiden strittigen Punkten. Alleine kann sie den Voranschlag des Regierungsrats allerdings nicht verhindern. Im Grossen Rat kommen die SP, Juso und PSA auf 39 Sitze, die Grüne Partei auf 15. Um auf die Bürgerlichen Druck auszuüben, wäre also eine nennenswerte Unterstützung der Mitteparteien erforderlich.
Ammann will mehr Geld
Abgesehen von solchen konkreten Zahlenspielen ist der Kampf ums Geld auch ganz allgemein entbrannt. Am vergangenen Freitag forderte der Berner Volkswirtschaftsdirektor Christoph Ammann (SP) via «Berner Zeitung», der Bund müsse erneut die ausserordentliche Lage ausrufen. Nur so könnten schnell genug die finanzpolitischen Instrumente bereitgestellt werden, um die notleidendende Wirtschaft zu stützen. Zwar sei nun eine Härtefallregelung aufgegleist. Bis diese aber richtig greife, werde es Frühling – zu spät für viele KMU, die schon jetzt am Rande des Konkurses ständen. Am Wirtschaftstreffen der Volkswirtschaft Berner Oberland hatte Ammann vergangene Woche gesagt, er befürchte, dass verschiedene KMU nur noch wenige Wochen ohne Finanzspritzen überleben könnten.
Der Volkswirtschaftsdirektor rief in diesem Zusammenhang dazu auf, der Bund solle sich stärker als bisher angedacht finanziell engagieren. Bisher steht zur Debatte, dass Bund und Kantone die Härtefall-Gelder zu je 50 Prozent tragen. Nur: Die Kantone wissen gar nicht, wo sie dieses Geld hernehmen sollen – siehe Kanton Bern. Christoph Ammann stellte deshalb eine Aufteilung von 80 (Bund) zu 20 (Kantone) Prozent in den Raum.
Bis zum 13. November haben die Kantone noch Zeit, zum Gesetzestext der Härtefallregelung Stellung zu nehmen. Die Inkraftsetzung ist auf Anfang Dezember geplant. Wenn die zweite Welle dann gerade abebbt, wird man erahnen können, was sie im Kanton hinterlassen hat.