Ohne Verbindung geht nichts mehr
31.12.2020 Adelboden, WirtschaftDie Bahnen fahren und die Lifte laufen. Damit das so bleibt, ist ein verlässliches Computernetzwerk für die Steuerungen nötig. Davon profitieren auch Privatkunden und andere Firmen in der Region.
HANS RUDOLF SCHNEIDER
Wer heute auf die Piste geht, denkt kaum ...
Die Bahnen fahren und die Lifte laufen. Damit das so bleibt, ist ein verlässliches Computernetzwerk für die Steuerungen nötig. Davon profitieren auch Privatkunden und andere Firmen in der Region.
HANS RUDOLF SCHNEIDER
Wer heute auf die Piste geht, denkt kaum darüber nach, was im Hintergrund alles funktionieren muss, damit seine Bahn oder der Lift fährt. Bei den Bergbahnen Adelboden AG (BAAG) beispielsweise ist das nicht nur die reine Mechanik, sondern auch ein stabiles Computernetzwerk. BAAG-Direktor Markus Hostettler bestätigt, dass in seinem Unternehmen alle eigenen Server auf dem Netzwerk der lokalen Adelcom AG laufen – das heisst, alle Signale für die Beschneiungssteuerung, für die Bahn- und Liftsteuerungen, aber auch für die Kassen- und Kartensysteme. Die ganze Skiregion ist vernetzt.
Vom Satelliten zum Kabel
Angeschlossen sind Dutzende Geräte, auch schon ein teilweiser Ausfall könnte grössere Folgen haben. Verantwortlich, dass dies nicht passiert, ist die Netzbesitzerin Adelcom AG. Diese wurde 1990 als Kabelfernsehanbieterin gegründet, 2004 kam auch das Internetangebot dazu. Die Tochtergesellschaft des Lichtund Wasserwerkes (LWA) hat seither in Adelboden ein umfangreiches Glasfasernetzwerk aufgebaut, das aus dem einstmals reinen Kabel-TV-Netz entstanden ist. Das Fernsehsignal kam anfänglich via Satellit zu grossen Parabolantennen bei der Silleren-Talstation oder via Richtstrahl vom Niederhorn und wurde ins Kabelnetz eingespeist.
«Dieses Netz musste anfänglich nur in eine Richtung funktionieren. Mit dem Internet waren plötzlich beide Richtungen nötig und man entschloss sich mit dem Partner UPC/Cablecom, ein eigenes Glasfasernetz bis in die Quartiere aufzubauen», erklärt Markus Gempeler. Er ist Vertreter des LWA in der Adelcom AG. Heute ist man dafür dankbar, Adelboden biete ein leistungsfähiges Netz wie nur wenig vergleichbare Orte. In Zeiten von Homeoffice, Co-Working-Space sowie Film- und Musik-Streaming sei dies ein unschätzbarer Vorteil. «Heute ist ein Kommunikationsnetz für dezentrale Arbeiten wertvoll.»
Das LWA brauchte selber für Strom und Wasser ein neues Überwachungsnetz, also wurde mit BAAG und UPC/ Cablecom zusammengespannt. Die Leitungen gehen heute für die Bergbahnen über das Hahnenmoos und sind nach gut 30 Kilometern Länge mit dem Netz im Obersimmental verbunden. In die andere Richtung reichen die eigenen Verbindungen bis nach Frutigen. Viele Fasern konnten in bestehende Rohre der Beschneiung oder Stromversorgung verlegt werden. Heute ist das normal, in den Anfängen war die Nutzung eines Netzes durch verschiedene Kunden Pionierarbeit. Gempeler erinnert sich an Zeiten, in denen Anschlussdosen im Winter auch mal eingefroren waren und nachts – unerklärlicherweise – keine Verbindungen funktionierten.
Wenn der Strom durchs Kabel fliesst
Künftig kann das Mobilnetz mit 5G-Standard viel mehr Daten übertragen als eine 4G-Verbindung. Ist das kein Problem für das eigene Angebot? «Bezüglich Zuverlässigkeit und Kapazität setzt die Adelcom auf Kabel für Punkt-zu-Punkt-Verbindungen», sagt Gempeler. Und was in zehn Jahren sei, wisse man ja nicht. Aktuell habe man gut 2000 Kunden beim Kabel-TV, davon seien gut 60 Prozent Zweitwohnungsbesitzer.
Allerdings hat die Adelcom auch die Mutterfirma LWA im Rücken. Bis 2028 müssen 80 Prozent der installierten Stromzähler online ablesbar sein. Das wäre an vielen Orten zwar mit Mobilfunk machbar, allerdings denkt Gempeler weiter: Wenn beispielsweise dezentrale Energieproduktionsanlagen wie Photovoltaik auf dem eigenen Dach dazu kommen, sei für deren Steuerung wieder ein zuverlässiges Netz nötig. Deshalb wird laufend ausgebaut: In den Firmenzielen ist festgehalten, dass bis in rund zehn Jahren alle ganzjährig bewohnten Liegenschaften mit Glasfaserkabel erschlossen sein sollen – bei den Distanzen innerhalb der Gemeinde ein sportlicher Terminplan, und nur dank Synergien auch bezahlbar.
Ein Drittel der Wohnungen habe heute noch Kupferkabel, ein Drittel hänge am Glasfasernetz. Aber zu etlichen Gebäuden führe ein Schutzrohr, in das die Faser nur noch verlegt werden müsse. Das passiert kontinuierlich. Das LWA hat den Vorteil, dass es als Grundversorger von Wasser und Strom quasi über jede Leitung und Baustelle Bescheid weiss. «Wir klären jeweils ab, ob gleich eine Glasfaser oder zumindest das Rohr dafür vergraben werden kann», so Gempeler. Nicht in Abrede stellt er, dass für das weitverzweigte Netz entsprechend hohe Kosten entstehen, auch deshalb werden neue Anwendungen gesucht.
Zwei Rechenzentren in Adelboden
Eine davon sind Serverdienstleistungen, die mit wachsendem Erfolg die Adelcloud IT anbietet. Dieses zum «gelben» Firmenverbund gehörende Unternehmen stellt vor allem KMU-Betrieben Rechenleistung und Speicherplatz zur Verfügung. «Mehr als 1100 Benutzer können aktuell online aus ihren Büros heraus auf unseren Systemen arbeiten», sagt Markus Gempeler und öffnet die Türe des – natürlich gelben — Schranks, in dem die Lüftungen brummen. In Adelboden gibt es zwei Rechenzentren, dazu kommt ein zusätzlicher Sicherungsstandort in Leuk VS. Alles ist so verkabelt, dass die Kunden kaum Ausfallzeiten spüren, sollte eine Komponente ihren Dienst versagen. Entstanden sind die Rechenzentren ums Jahr 2007 herum, durch das Wachstum gab es Probleme mit der internen Informatik im LWA. Da niemand eine überzeugende Lösung liefern konnte, wurde diese selber entwickelt. Das machte die Runde im Dorf und lokale Unternehmen sprangen auf. Heute sind auch mehrere Firmen im Kandertal angehängt, Planungsbüros, Pflegeheime oder der Tourismus.
Wichtig sind die Kunden aus der Versorgungsbranche, dem Stammgeschäft des LWA. Beispielsweise ist die Youtility AG, eine Vereinigung von über 100 Verteilnetzbetreibern, auf diesen Servern zu Hause, aber auch ein grosser Verband in der Schweizer Stromwirtschaft oder ein Verbund lokaler Verteilnetzbetreiber im Oberwallis. «Es ist für uns einfacher, wenn die Kunden dieselben oder ähnliche Softwarelösungen nutzen. So können wir eine höhere Kompetenz anbieten», sagt Markus Gempeler. «Verteilnetzbetreiber haben hohe Ansprüche an die Sicherheit und Verfügbarkeit ihrer IT-Systeme, die wir bieten können. Davon profitieren letztlich auch die anderen Kunden. Dabei können wir nicht als ‹Billig-Anbieter› auftreten, denn der Aufwand für den sicheren Betrieb ist sowohl technisch wie auch personell erheblich.»
Wieso eigentlich Adelboden?
Ganz am Schluss kommt Gempeler auf die Frage zu sprechen, wieso ein Rechenzentrum zuhinterst in einem Tal realisiert wurde. Erstens hänge man mit den Leitungen von Frutigen und «über den Berg» in einem leistungsfähigen europäischen Ringnetz, zweitens seien die Speicherorte der Daten nicht «irgendwo in Amerika oder sonstwo», sondern dem Kunden bekannt. Da sei die Schweiz ein grosser Vorteil. Und was nicht zu unterschätzen sei: «In Adelboden ist es im Schnitt kühler als im Mittelland. Also brauchen wir deutlich weniger Energie für die Kühlung mit entsprechend tieferen Kosten und grösserer Nachhaltigkeit. Das Kühlen passiert übrigens nicht wie üblich mit Strom, sondern mit kühler Alpenluft und Wasser.» Das Adelbodner Wassernetz sei auf die hohe Nutzung im Winter mit viele Gästen und laufenden Beschneiungen ausgelegt. Im Sommer, wenn mehr gekühlt werden müsse, stehe dann genügend Kühlwasser zur Verfügung. Auch da funktioniere die Grundphilosophie der «gelben» Firmen, möglichst viele Synergien zu nutzen.