Das Festival, das nicht stattfindet
29.01.2021 Coronavirus, KulturAls grösstes Festival der Schweiz wird es angekündigt – doch in Wahrheit ist es eine stille Solidaritätsbekundung für die MusikerInnen und ihre Teams – auch für den Frutiger Marco Hadorn.
HANS RUDOLF SCHNEIDER
«Ich finde, das «Ghost Festival» ist eine coole ...
Als grösstes Festival der Schweiz wird es angekündigt – doch in Wahrheit ist es eine stille Solidaritätsbekundung für die MusikerInnen und ihre Teams – auch für den Frutiger Marco Hadorn.
HANS RUDOLF SCHNEIDER
«Ich finde, das «Ghost Festival» ist eine coole Aktion – und bin gespannt, wie sie endet. Aber sie ist nur ein Puzzleteilchen, um die Kultur- und Eventbranche am Leben zu halten.» Marco Hadorn und seine Firma Soundlevel haben seit einem Jahr praktisch keine Arbeit mehr. Er stellt und betreut die technische Infrastruktur an Anlässen wie dem Open Air beim Frutiger Freibad, mixt die Musik, ist aber beispielsweise auch für Firmenanlässe buchbar. Doch jetzt steht alles still. Seit der Bundesrat die kulturellen Anlässe gestoppt und die Gruppengrössen bei Veranstaltungen immer weiter reduziert hat, ist Hadorn auf finanzielle Unterstützung angewiesen. Er hofft auch auf die Härtefallverordnung, um die Zeit überbrücken zu können. Beim geisterhaften Festival kann er als Techniker von «William White» und «Bubi eifach» auf einige Franken hoffen. Wie viele es sein werden, hängt davon ab, wie grosszügig die Fans sich Tickets kaufen – für ein Festival, das nicht stattfindet.
Zuerst ein Rätsel
Mit dem Ghost Festival wird die Aufmerksamkeit auf die Lage von Künstlerinnen und Künstlern sowie die für Auftritte notwendigen Techniker gelenkt. Gestartet wurde die Aktion mit einer cleveren Kampagne kurz vor Weihnachten. Auf diversen Social-Media-Plattformen geisterten markante weisse Streifen auf schwarzem Hintergrund herum. Die gleiche Symbolik tauchte auch auf Plakaten in grösseren Städten auf. Rasch machten Gerüchte die Runde.
Die Auflösung: Am 27. und 28. Februar 2021 findet mit dem Ghost Festival das grösste Schweizer Musikfestival statt, das es je gegeben hat. Auf dem hochkarätigen Line-up stehen rund 300 Bands und MusikerInnen aus der ganzen Schweiz, so etwa Patent Ochsner, Black Sea Dahu, Annie Taylor, Stefan Eicher, KT Gorique, Lo & Leduc, Brandy Butler, Dennerclan, Züri West, James Gruntz, oder Michael von der Heide. Das tönt nach Riesenspektakel – und dennoch wird es still bleiben. Es handelt sich um eine reine Solidaritätsaktion für Schweizer Musikschaffende.
VIP-Tickets für echte Fans
Seit dem 11. Januar um 11.11 Uhr läuft der Ticketverkauf für diesen fiktiven Event. Zu erstehen gibt es einen Tagespass für 20 Franken, einen Zweitagespass für 50 Franken. Wessen Herz richtig für die Musikkultur brennt, der gönnt sich einen VIP-Pass für 100 Franken. Die finanzielle Unterstützung der «gebuchten» Musikschaffenden basiert in erster Linie auf dem physischen Ticketverkauf, aber auch auf Partnerschaften und Einnahmen aus Werbeprodukten. Der Erlös wird zu 100 Prozent an die teilnehmenden Musikschaffenden weitergegeben.
Mit der Idee eines Geisterfestivals möchte das Ghost-Club-Kollektiv «den Dialog anstossen und das Bewusstsein und das Erkennen des kulturellen Wertes von Musik ins Zentrum rücken». Der Club ist ein Verein, bestehend aus Musikern und Veranstaltern, vor allem aber einfach aus Musikliebhabern. Neben einigen grossen Sponsoren wie Migros und die Mobiliar kann auf die Unterstützung des Verbands Schweizer Musikclubs und Festivals (PETZI) und des Berufsverbands der freischaffenden Musiker*innen (SON-ART) gezählt werden.
Die Ungewissheit ist belastend
Und wie geht es für Marco Hadorn und Soundlevel nach dem Ghost Festival weiter: «Die fehlende Perspektive ist schlimm. Auch wenn wir irgendwann wieder Konzerte durchführen können, wird es einige Zeit dauern, bis diese organisiert sind.» Das Frutiger Country-Festival und einige kleine Konzerte in der Badi Lounge sind derzeit die einzigen Termine in Hadorns beruflicher Agenda 2021. «Und wer weiss, ob und wann diese überhaupt stattfinden können.»
Infos zum Ghost Festival gibts in der Link-Übersicht unter www.frutiglaender.ch/web-links.html