Härtefallgelder: 2020 lief für viele Beizen zu wenig schlecht
12.01.2021 Coronavirus, WirtschaftImmer wieder wehrte sich die Gastrobranche in letzter Zeit gegen die Schliessung der Restaurants. Bei der aktuell geltenden Härtefallregelung erweist sich das nun als Nachteil: Viele Betriebe bleiben trotz Finanznöten aussen vor.
JULIAN ZAHND
Im Kanton Bern sind die ...
Immer wieder wehrte sich die Gastrobranche in letzter Zeit gegen die Schliessung der Restaurants. Bei der aktuell geltenden Härtefallregelung erweist sich das nun als Nachteil: Viele Betriebe bleiben trotz Finanznöten aussen vor.
JULIAN ZAHND
Im Kanton Bern sind die Hürden für Härtefallbeiträge teils viel höher als anderswo. Zum einen muss sich ein Betrieb entscheiden, ob er rasche, dafür nicht allzu üppige A-fonds-perdu-Beiträge oder aber ein ein rückzahlbares Darlehen beantragen will. Beide Unterstützungsformen in Anspruch zu nehmen, ist im Gegensatz zu anderen Kantonen nicht möglich. A-fonds-perdu-Zuschüsse stehen in Bern Unternehmen mit einem Jahresumsatz von mindestens 100 000 Franken offen, die maximale Unterstützung beträgt 10 Prozent davon. Der Bund hat als Richtwert hingegen ein Umsatzminimum von 50 000 Franken festgelegt, an dem sich einige Kantone orientieren. Erheblich grösser ist der Unterschied bei den Darlehen: Der Bund erlaubt sie ebenfalls ab einem Jahresumsatz von 50 000 Franken, in Bern aber können nur Unternehmen einen Kredit beantragen, die jährlich mehr als zwei Millionen Franken umsetzen.
Christoph Erb, Direktor des Gewerbeverbands Berner KMU, stört sich jedoch nicht primär an den hohen Minimalumsätzen. Kleinst- und Einzelbetriebe, die im Jahr weniger als 100 000 Franken verdienen würden, seien durch die Kurzabeitsentschädigung oder die Unterstützung für Selbstständigerwerbende in der Regel genügend geschützt. Hingegen kritisiert Erb, dass in Bern nicht sowohl Darlehen wie auch A-fonds-Perdu-Beiträge in Anspruch genommen werden dürfen, könne eine Kombination je nach Betrieb doch durchaus sinnvoll sein. Vor allem aber fordert der KMU-Direktor, dass gleichzeitig mit den Einschränkungen Hilfe zur Abfederung der wirtschaftlichen Schäden bereitgestellt wird. «Wegen der langsamen Reaktionszeit der Behörden kommt die Hilfe für manche Betriebe und ihre Mitarbeitenden zu spät.»
Umsatz ja, Gewinne nein
Wenn die Hilfe diese Betriebe denn überhaupt erreicht. Denn ein weiteres Kriterium erweist sich insbesondere für Gastrobetriebe als grosser Stolperstein: Um Härtefallhilfe zu erhalten, braucht es einen Umsatzrückgang von mindestens 40 Prozent gegenüber dem Vorjahr. «Ich kenne keinen Betrieb, dessen Einbussen so hoch waren», sagt Simon Burkhalter, Präsident von Gastro Oberland West. In den alpinen Tourismusregionen etwa sei der Sommer gut gelaufen. Und wer während des Lockdowns auf Take-away setze, der erziele zwar kaum Gewinne, jedoch womöglich genug Einnahmen, um von der Härtefallhilfe ausgeschlossen zu werden.
Für Burkhalter ist die aktuelle Situation sehr unbefriedigend: «Betriebe, die während Jahren gut geschäftet haben, müssen nun nach und nach ihre Reserven aufbrauchen.» Auch während des Lockdowns müssen die Restaurants Miete und Energiekosten bezahlen. Manche Betriebe gleichen zudem die Lohneinbussen aus, die den Mitarbeitenden durch die Kurzarbeitsentschädigung entstehen. Die monatlichen Defizite könnten so rasch einmal auf einen fünfstelligen Betrag anwachsen, rechnet Burkhalter vor.
Kommt die Gemeinde den Betrieben entgegen?
Auch Andreas Trachsel, Präsident des Frutig Gwärbs, bezeichnet die Situation als unschön. «Betriebe, die im letzten Jahr einfach dichtgemacht haben, erhalten unter Umständen Geld. Jene, die sich kreativ zeigten und mit teils unrentablen Alternativen ein bisschen Umsatz generierten, gehen hingegen leer aus.» Gleichzeitig ist sich Trachsel bewusst, dass es wohl kein Massnahmenpaket gibt, das allen Betroffenen gerecht wird. Entsprechend hält er sich zurück mit Verbesserungsvorschlägen. Einzig vonseiten der Gemeinde könnte er sich ein gewisses Entgegenkommen vorstellen: «Wenn man den Unternehmen temporär die Gebühren erlassen würde, wäre das zumindest ein symbolisches Zeichen.» Bereits seien bei der Gemeinde entsprechende Gesuche eingereicht worden.
Deutlich weniger zurückhaltend als Andreas Trachsel zeigen sich verschiedene Wirtschaftsverbände und Parteien. Die Forderungen nach weiterer Unterstützung haben den Bundes- und Regierungsrat längst erreicht. Am morgigen Mittwoch informiert die Landesregierung über die neusten Anpassungen. Nach ersten Aussagen der Verantwortlichen zeichnet sich bereits jetzt eine Kurskorrektur ab.
Die Eishalle hält sich über Wasser
Wenn Klaus Schmid sagt, sein Betrieb habe im Dezember die Maschinen abgestellt, dann geht es glücklicherweise nicht um Leben und Tod. Schmid ist Präsident der Eishalle Kandersteg, die im letzten Dezember um ihre Existenz bangte. Heute sagt er: «Zumindest für die kommenden Monate sieht es für uns nicht schlecht aus.» Das hat zwei Gründe. Erstens hat die Eisbahngenossenschaft vom Sportfonds inzwischen einen mittleren fünfstelligen Unterstützungsbetrag erhalten. Und zweitens hat man die Fixkosten gesenkt, indem die Kälteanlage ausgeschaltet wurde. «Zurzeit ist es so frostig, dass das Eis nach wie vor intakt ist», so Schmid. Zwar geht er nicht davon aus, dass in der Halle diese Saison noch Eishockey gespielt werden kann. Einzelne Curlingturniere seien hingegen denkbar, sofern dies die Massnahmen des Bundesrats zuliessen.
Die Kandersteger Eishalle hat Glück im Unglück. Zwar wird auch sie am Ende des Jahres kein gutes Ergebnis vorweisen können, doch womöglich käme der Betrieb sogar auch ohne Härtefallgelder aus. Bislang hat er noch kein Gesuch beim Kanton gestellt. Man werde dies in nächster Zeit aber voraussichtlich tun, sagt Schmid. «Jeder noch so kleine Betrag verschafft uns zusätzlich Luft für Investitionen», sagt der Präsident. Entsprechend dankbar äussert er sich denn auch in Richtung Vereine: «Sie haben die Jahresbeiträge bezahlt, obwohl die Halle derzeit nicht nutzbar ist.»
Die Eishalle erwirtschaftete letztes Jahr rund 500 000 Franken und könnte theoretisch mit einem A-fonds-perdu-Beitrag von maximal 50 000 Franken rechnen. Ob die Eishalle von Bund und Kanton zusätzlich Geld erhält, ist jedoch unklar. Denn zum einen sind auch die Überlebenschancen eines Betriebs Teil des kantonalen Kriterienkatalogs. Die Eishalle hat in den letzten Jahren jedoch stets Verluste geschrieben und ist nahe an der Überschuldung. Zum anderen machen Vereins- und Gemeindebeiträge einen namhaften Teil des Jahresumsatzes aus, und dieses Geld nahm die Eishalle auch im letzten Jahr ein. Sofern diese Beiträge bei der Gesamtrechnung berücksichtigt werden, dürfte auch die Genossenschaft die 40-Prozent-Hürde verfehlen, womit der Anspruch auf Härtefallgelder entfiele.
JULIAN ZAHND