Silvestertouristen und Buchungs-Achterbahnen
06.01.2021 Adelboden, TourismusWährend die Restaurants geschlossen sind, dürfen Hotels ihre hausinternen Gäste verköstigen. Doch die meisten Beherbergungsbetriebe in den Winterdestinationen müssen mit grösseren Einbussen leben – mitten in der Hochsaison.
YVONNE BALDININI
Ein Berner Ehepaar ...
Während die Restaurants geschlossen sind, dürfen Hotels ihre hausinternen Gäste verköstigen. Doch die meisten Beherbergungsbetriebe in den Winterdestinationen müssen mit grösseren Einbussen leben – mitten in der Hochsaison.
YVONNE BALDININI
Ein Berner Ehepaar steht festlich gekleidet vor dem Hotel Adler in Adelboden und blickt auf die fast menschenleere Dorfstrasse. Es will zwischen den Gängen des Silvestermenüs frische Luft schnappen. «Die Atmosphäre drinnen ist gut, das Personal mit Maske sehr nett. Wir fühlen uns wohl und sicher», meinen die beiden sichtlich erbaut. Sie wollten das neue Jahr feierlich begehen. Weil dies in einem Restaurant nicht möglich war, suchten sie sich eine Nacht im «Adler» aus. Als Hotelgast das Privileg zu haben, an Silvester doch noch einem kulinarischen Erlebnis zu frönen, lockte etliche Unterländer in die Berge. Aber allein die Silvestertouristen vermochten nicht alle Hotels zu füllen. Dem «Adler» bescherten nicht zuletzt die vielen Stammgäste ein volles Haus.
Keine Ausländer, viele Kurzentschlossene
Das Vier-Sterne-Hotel Steinmattli in Adelboden war über die Festtage zu rund 70 Prozent belegt. «Unsere Gäste bleiben normalerweise eine Woche. Diesmal verbrachten hier einige nur die Silvesternacht», bedauert Front-Desk-Mitarbeiter Ruud van de Burgt. Die durchschnittliche Aufenthaltsdauer habe sich fast halbiert.
Im Hotel Alpina in Adelboden fehlten vor allem die Urlauber aus Deutschland, Belgien und Holland. «Zahlreiche Stammgäste haben annulliert. Dafür bestellten Kurzentschlossene ein Zimmer. Viele habe ich hier noch nie gesehen, sie reservierten über Buchungsportale», beschreibt Direktor René Müller die Situation. «Mit einer Auslastung von 70 Prozent in dieser Zeit kann ich nicht zufrieden sein. Aber hätten die Skigebiete schliessen müssen, wäre es schlimmer.» Müller rechnet mit Umsatzeinbussen von 30 bis 40 Prozent.
Auch im Parkhotel Bellevue in Adelboden haben fast alle ausländischen Touristen abgesagt. Sie logierten jeweils für mindestens eine Woche. Dafür füllte sich das Vier-Sterne-Plus-Haus bis zum heutigen Dreikönigstag durchgehend mit Kurzaufenthaltern.
Wertschätzung seitens der Gäste ist hoch
«Der Rückgang der Gästezahl über die Festtage war nicht so schlimm wie befürchtet», sagt Lukas Eichenberger zur 60- bis 70-Prozent-Auslastung seines «Ermitage» in Kandersteg. An Silvester stand zwar nur noch ein Familienzimmer im Angebot. Doch normalerweise wäre das Drei-Sterne-Hotel von Heiligabend an für mindestens zwei Wochen randvoll. Stellvertretend für alle angefragten Betriebe betont Eichenberger die Kurzfristigkeit der Reservationen und die Schwierigkeit der Planung. Manchmal trudelten sechs Buchungen innerhalb einer halben Stunde ein und drei Absagen für das gleiche Datum. Am Silvestermorgen annullierten zwei Personen, worauf zwei wieder einsprangen. Noch nie gingen im Hotel so viele Stornierungen ein. «Es ist ein Hin und Her, aber wir sind froh, wenn uns überhaupt jemand besucht.» Auch für sehr kurzfristige Absagen verlangt der Besitzer kein Geld. Sonst würde die Hürde, zu buchen, noch höher. Zudem sei die Unsicherheit bei den Urlaubern ja gleich gross wie für den Betrieb. Erfreulicherweise stellte das Team um Eichenberger seitens der Gäste eine grosse Wertschätzung fest. «Wir hörten oft: ‹Es ist schön, dass wir überhaupt kommen und wenigstens etwas erleben dürfen›.» In der ersten Januarwoche fehlen nun die Ausländer. Das «Ermitage», das gegenüber der Oeschinensee-Bahnstation liegt, kämpft auch mit dem Verlust der geschlossenen Restauration für Passanten. «Bei uns wäre im Moment den ganzen Tag über wohl jeder Tisch besetzt.»
Berghotelbetreiber freuen sich und leiden zugleich
Im Berghaus Elsigenalp waren zum Jahresausklang alle zwölf Doppelzimmer belegt. Im Massenlager mit dreissig Betten schlummerte dagegen niemand. Die Silvesternacht erhellte ein Feuer auf der Terrasse. Die Gäste durften sich der Fackeln bedienen, um selbstständig einen Spaziergang zu unternehmen. Dem Betrieb fehlten die externen Gäste, die sonst von den Ferienhäuschen zum Silvestermenü pilgern. Zu schaffen machen dem Geschäftsführer Stephan Rieder die vielen Stornierungen für Januar und Februar: «Alle Vereine haben abgesagt.»
Keine Zimmer und Schlafiglus mehr – das vermeldete das Berghotel Engstligenalp über die Festtage. Seraina von Känel, Marketingleiterin der Engstligenalp Bahnen AG: «Ende November waren wir sehr gut gebucht. Darauf folgten kurzfristige Absagen und neue Anfragen, bis wir wieder zu einer 100-Prozent-Belegung gelangten.» Nun entschied sich der Betrieb für einen Wintersaisonunterbruch vom 4. bis zum 22. Januar (siehe Text auf Seite 3). «Die verordnete Schliessung der Restaurants trifft nicht nur unsere Erlebnis-Gastronomie hart, sondern auch die Bergbahnen», begründet die Marketingleiterin.
Im Berghotel Hahnenmoos, wo vorwiegend Skifahrer und Snowboarder nächtigen, betrug die Auslastung über die Festtage nur 50 Prozent. «Wir hatten sehr viele Annullierungen», kommentiert Geschäftsführer Matthias Ellinger.
Ferienwohnungen top, Massenlager flop
Bei den Ferienwohnungsvermietungen lief das Geschäft gemäss Martin Brühlmann der FEWO Adelboden AG sehr gut. Einige zu spät eingetroffene Anfragen mussten er und sein Team sogar abweisen. «Ich vermute, dass zurzeit etliche die grösseren Freiheiten in den Wohnungen vorziehen.» Die meisten Gäste blieben eine Woche, manche verlängerten sogar. Hingegen standen die sechs Massenlagerunterkünfte halb leer. «Wir konnten nur gerade zehn Personen von möglichen 19 bis 35 pro Haus einquartieren. Das ist bitter», resümiert der Geschäftsführer.