Sportartikelmiete in Corona-Zeiten – eine Rundschau
22.01.2021 Coronavirus, WirtschaftDen Sporthandel trafen die neusten Corona-Massnahmen hart: Geschäftsschliessung während des ganzen, umsatzstarken Februars. Wie kommen WintersportlerInnen nun zu ihren Ski, ihrem Langlaufset, ihren Schneeschuhen? Ein Blick in die Täler zeigt Gemeinsamkeiten, aber nicht ...
Den Sporthandel trafen die neusten Corona-Massnahmen hart: Geschäftsschliessung während des ganzen, umsatzstarken Februars. Wie kommen WintersportlerInnen nun zu ihren Ski, ihrem Langlaufset, ihren Schneeschuhen? Ein Blick in die Täler zeigt Gemeinsamkeiten, aber nicht nur.
RETO KOLLER
Bis zum 18. Januar war es ganz einfach: Wer keine Ski, keine Langlaufausrüstung oder keinen Schlitten besass, mietete sich sein Equipment für einen schönen Wintertag einfach im Sportgeschäft – ohne grosse Formalitäten. Seit Montag ist alles anders. Die Geschäfte sind geschlossen, vorbei ist es mit dem unkomplizierten Mieten – zumindest fast überall.
Mieten ja, kaufen nein
Laut der bundesrätlichen Verordnung ist die Miete von Sportartikeln nach wie vor möglich, sie gilt als Dienstleistung – allerdings unter erschwerten Voraussetzungen. Verkaufsflächen dürfen nicht zugänglich sein, die Vermietung geschieht per Telefon, per E-Mail oder online. Das gemietete Material wird bereitgestellt und der Kunde kann es ausserhalb des Geschäftes abholen. Auch Serviceleistungen wie das Wachsen und Kantenschleifen von Ski sind zugelassen. An Sonntagen ist die Auslieferung nur auf Vorbestellung und mit Abholung ausschliesslich ausserhalb der Geschäfte ohne persönlichen Kontakt möglich.
Komfort in Adelboden
Die Adelbodner Firma Oester Sport AG ist ein grosser Player im Geschäft mit Ski, Langlaufmaterial und Sportbekleidung. Einer der vier Standorte ist das Miet-Center an der Talstation der Sillerenbahn im Adelbodner Fuhreweidli. Bis zu neun MitarbeiterInnen vermieten und verkaufen während einer Wintersaison auf 650 Quadratmetern Fläche Tausende Wintersportartikel. Die Vermietung ist ein wichtiges Standbein und beansprucht einen beachtlichen Teil der Fläche. Das erweist sich als glücklicher Umstand, weil das Lokal geöffnet bleiben darf. Alle Verkaufsartikel mussten allerdings unzugänglich gemacht werden. Vorteil für die Kundschaft: Das Vermieten kann im Innern stattfinden, ganz wie vorher, ausgenommen sonntags.
Abraham Pieren ist Leiter des Centers. Er stellt eine deutliche Verschiebung der Kundenwünsche fest: «Die Nachfrage nach Langlaufausrüstungen ist sowohl im Verkauf als auch in der Vermietung sehr stark angestiegen. Dasselbe gilt für Schneeschuhe. Die Alpinski sind deutlich weniger gefragt als in den Vorjahren.» Pieren führt dies auf den Wunsch zurück, sich vom Massenbetrieb im Skigebiet fernzuhalten und Sport in der freien Natur, ohne Gondeln und Sesselbahnen, zu treiben – eine Folge der Corona-Ansteckungsängste. «Uns fehlt deshalb der Tagesgast, der sich spontan für einen Ski-Ausflug entscheidet», sagt der Adelbodner. Auch wenn es auf den Loipen wimmelt: Die Verkaufs- und Vermiet-Umsätze werden die Vorjahreswerte niemals erreichen. Das ist schmerzhaft, weil der Umsatz der kommenden sechs Wochen rund einen Viertel des ganzen Jahres umfasst. Pieren hat deshalb seinen Personalbestand um die Hälfte reduziert. «Wenigstens sind die Skigebiete noch offen. Die Menschen dürfen auf die Pisten, das ist auch für uns sehr wertvoll.»
Langlaufboom in Kandersteg
Etwas anders ist die Lage in Kandersteg, einem der Schweizer Langlauf-Mekkas. Zwar ist das Sportgeschäft Grossen GmbH ebenso von der angeordneten Geschäftsschliessung betroffen. Die starke Nachfrage nach Langlauf hilft den beiden Inhabern Svenja und Lars Grossen aber, den erwarteten Umsatzausfall nach einem sowohl im Langlauf- als auch im Alpin-Sektor sehr guten Saisonstart etwas zu verkleinern. Der Wechsel der Kundschaft von der Piste zur Loipe sei markant spürbar. In der Vermietung von Alpin-Ausrüstungen fehlen die ausländischen Kunden, insbesondere die Gäste vom zurzeit geschlossenen Pfadfinderzentrum. Die Tagesvermietung von Langlauf-Sets hat gemäss Svenja Grossen bereits seit Dezember stark zugenommen. Ob dies der Pandemie oder den ausgezeichneten Loipen-Verhältnissen geschuldet ist, sei schwer zu beurteilen, meint sie. Der Shutdown wird den Verkauf allerdings sehr stark einschränken. «Der Februar ist für uns ein sehr wichtiger Monat – sowohl für den Handel als auch für die Vermietung.»
Weil seit dem vergangenen Montag beide Geschäfte an der Bahnhofstrasse und der äusseren Dorfstrasse ihre Pforten geschlossen haben, findet die Vermietung online oder per Telefon statt – ganz nach den Vorgaben des BAG. Der Kunde holt sich seine Latten und Schuhe am folgenden Tag vor dem Geschäft ab. Sollte noch das eine oder andere nicht ganz passen, tauschen es die MitarbeiterInnen aus. Die Nachfrage ist gemäss Svenja Grossen ungebrochen: «Wir haben momentan alle Hände voll zu tun, die vielen Anfragen zu beantworten und das vorbestellte Material bereitzustellen.» Zurzeit arbeiten alle sieben Mitarbeiter-Innen ohne Reduktion des Pensums. «Der Aufwand ist zwar beträchtlich, aber er lohnt sich für uns», so Grossen.
Zweckoptimismus in Frutigen
Auch Beat Zürcher von Zürcher Sport in Frutigen lässt sich nicht unterkriegen und bleibt zuversichtlich. «Es geht ja weiter, die Pisten sind offen. Wenn ab März wieder ‹normalere› Zustände herrschen und das Wetter stimmt, können wir noch etwas aufholen», versprüht der Sportfachhändler Zuversicht – obwohl auch er mit einem Verlust von 20 Prozent seines Jahresumsatzes rechnet. Zürcher Sport betreibt eine Ski-Service- und Verleihstation an Elsigbach. Beat Zürcher stellt dasselbe fest wie seine Kollegen: «Die Skivermietung hat rapide abgenommen. Nur noch die ‹Angefressenen› tummeln sich auf der Piste, und die haben ihr Material gekauft», stellt er fest. Dafür sei die Schlittelmiete sehr stark angestiegen. Dasselbe gelte auch für Schneeschuhe. Zürcher bietet jeweils am Dienstag und Freitag im Hauptgeschäft in Frutigen Service-Dienstleistungen an.
Die Sportartikelvermietung scheint in allen drei Standorten unter ähnlichen Vorzeichen zu stehen, allerdings mit unterschiedlicher Ausprägung. Während das Alpin-Eldorado Adelboden stärker unter den ausbleibenden Skigästen leidet, kommt Kandersteg mit seinem weitverzweigten Loipennetz besser über die Runden. Das Schneesportgebiet Elsigen-Metsch ist mit seiner dreieinhalb Kilometer langen Schlittelpiste und dem fünfeinhalb Kilometer langen Schneeschuh-Trail gut aufgestellt, um den Rückgang an Alpin-Gästen etwas aufzufangen.
Was der «Shutdown» für die Detailgeschäfte bedeutet, erfahren Sie in der nächsten Ausgabe des «Frutigländers».