Wenn eine eine Schneeschuhtour macht …
22.01.2021 Frutigen, TourismusDienstag, 12.37 Uhr, Kronenplatz Spiez: Das Postauto Richtung Aeschiried ist glücklicherweise bloss knapp zur Hälfte gefüllt. Anders wäre es wahrscheinlich eine Stunde später, an einem Mittwoch oder am Wochenende. Fast an jeder Haltestelle steigt jemand aus oder ein. Auf dem Dorfplatz in ...
Dienstag, 12.37 Uhr, Kronenplatz Spiez: Das Postauto Richtung Aeschiried ist glücklicherweise bloss knapp zur Hälfte gefüllt. Anders wäre es wahrscheinlich eine Stunde später, an einem Mittwoch oder am Wochenende. Fast an jeder Haltestelle steigt jemand aus oder ein. Auf dem Dorfplatz in Aeschi warten schätzungsweise 15 Kinder auf das Transportmittel. Es sind 5.- und 6.-Klässler. Maske trägt nur, wer das 12. Altersjahr erreicht hat, und das scheinen wenige zu sein. Langlaufen anstelle von Turnen in der Halle steht heute auf ihrem Stundenplan, die Ausrüstung wird gemietet. Einige Kinder stehen, obschon es für alle einen Sitzplatz hätte.
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13 Uhr: Die Parkplätze in Aeschiried und die beiden zusätzlichen auf Landwirtschaftsland sind bereits belegt. Auf den Langlaufloipen und den vielen Spazierwegen herrscht reger Betrieb. Dies sind wohl nicht alles Rentner. Es gibt auch Menschen, die unregelmässig arbeiten, in Kurzarbeit oder gar arbeitslos sind. Ich schnalle meine Schneeschuhe an, stecke die Stöcke zusammen und entledige mich der Handschuhe, der Mütze und des Schals. Los gehts!
Bald steigt die Spur steil an, und ich komme ins Schwitzen. Ein Blick zum Himmel bestätigt mir, dass der älteste Oberländer – der Föhn – am Werk ist. Auch die Jacke wird überflüssig. Unter einer Linde sitzen zwei Frauen und picknicken. Ein Paar fährt gemütlich die Skipiste hinunter. Sie seien mit den Fellen aufgestiegen. Auch das ist erlaubt, obwohl die – jetzt noch meist leeren – Bügel an den Liften ihre Runden drehen.
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Ich überhole und kreuze mit gebührendem Abstand andere Schneeschuhläufer-Innen. Man grüsst sich. Die Zufahrtsstrasse zum «Z Aeschiried» (ehemals Blaukreuzheim) ist aper. Hier wimmelt es fast von SonnenanbeterInnen. Gefahrlos quere ich die Schlittelpiste, denn Rodler sind weit und breit keine in Sicht. Weshalb wohl? Meine Frage bleibt unbeantwortet.
Quer zur leichten Hangneigung auf den Allmi-Weiden hat es einen Hauptund einen Nebentrail sowie weitere Spuren. Ob hier wohl Rechts- oder Linksverkehr gilt? Auf meiner Seite kommt mir eine Frau entgegen. Noch weit entfernt weicht sie aus, so wie ich es selbst auch tue. Später, Richtung Allmispitz, wird das Fahrsträsschen multifunktional. Doch Spaziergänger, Schneeschuhläufer, Skifahrer oder Schlittler kommen sich nicht in die Quere.
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Es ist warm und ich bin durstig. In weiser Voraussicht habe ich Tee mitgenommen. Der Schnee ist schwer, fast wie im März. Unter dem linken Schneeschuh und dem rechten Skistockteller bilden sich immer wieder «Stogli». Das typische Geräusch von Schnee, der von Tannen rieselt, ist immer wieder zu hören. Zehn, manchmal zwanzig Meter vor mir ist eine Frau mit Ski und Fellen unterwegs. Ich bin zwar keine Kennerin dieser Sportart, aber auf eine Skitour geht man doch am Morgen! Will sie bloss entlang des Schneeschuhtrails aufsteigen? Und wo runter? Vielleicht über die Weide und durch den Wald ins Suldtal? Genau das sollte man doch nicht tun, denn Freeriden kann Wildtiere erschrecken. Sie ist schneller unterwegs als ich, also kann ich sie nicht fragen.
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Inzwischen sind auffallend weniger Leute unterwegs. Wahrscheinlich haben viele schon vorher Kehrum gemacht. Das tue ich kurz vor der Alphütte Bireberg ebenfalls, denn ich will das Drei-Uhr-Poschi nach Hause nicht verpassen. Die Aussicht auf Morgenberghorn, Schwalmere, First und Dreispitz wäre zwar auf dem Aufstieg zur Greberegg schöner. Einige Fotos will ich trotzdem knipsen.
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Einen Teil des Abstiegs lege ich auf der Skipiste zurück. Zu meiner Sicherheit gehe ich ganz am Rand, obschon ich dabei mit dem linken Fuss bei jedem Schritt im weichen Schnee lande. Inzwischen sausen nämlich viele Skifahrer talwärts. Bei der Skihütte werden Getränke und Käsebrätel im Take-away angeboten. Die zahlreichen Gäste halten Abstand, tragen Maske. Viele sitzen im Schnee. Die Temperatur beträgt bestimmt mindestens 12 Grad. Wie schön wäre es, hier an einen Tisch zu sitzen und sich ein «Kurvenöl» zu genehmigen. Stattdessen klaube ich die Thermoskanne aus dem Rucksack.
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Nun muss ich mich beeilen. Diesmal bin ich froh um die weiche Unterlage. Das Gegenteil wäre nämlich unangenehm bis schmerzhaft für mein lädiertes Fahrgestell. Rechtzeitig komme ich in Aeschiried an. Die Schulklasse sowie viele weitere Ausflügler warten auf das Postauto. Ich finde einen Platz, der Sitz neben mir bleibt sogar frei. Beim Lucky Lift oberhalb des Dorfes Aeschi ist sehr viel los. Um diese Zeit haben die Kleinen ihren Mittagsschlaf beendet und toben sich im Schnee aus. Wahrscheinlich ist dieses Vergnügen am nächsten und ganz sicher am übernächsten Tag nicht mehr möglich und der nächste Schneefall muss abgewartet werden.
KATHARINA WITTWER