«Das Konzept wirkt zusammengebastelt»
02.02.2021 Frutigen, PolitikDie Diskussion um die Höchstgeschwindigkeit auf der Kantonsstrasse wird von Neuem angeheizt. Seit heute sammelt Hans Peter Bach Unterschriften für Tempo 30 – und lässt nur Einheimische zum Zuge kommen. Was ihn antreibt, erklärt der EVP-Präsident im ...
Die Diskussion um die Höchstgeschwindigkeit auf der Kantonsstrasse wird von Neuem angeheizt. Seit heute sammelt Hans Peter Bach Unterschriften für Tempo 30 – und lässt nur Einheimische zum Zuge kommen. Was ihn antreibt, erklärt der EVP-Präsident im Interview.
Warum machen Sie das Tempo-30-Fass wieder auf, Herr Bach? Laut Kanton werden die geplanten baulichen Massnahmen automatisch zu einer Entschleunigung auf der Ortsdurchfahrt führen.
Genau dieses Argument überzeugt uns nicht und wir glauben, dass der Kanton selbst nicht wirklich davon überzeugt ist. Er war schliesslich stets Befürworter eines 30er-Regimes. Poller und Mittelstreifen machen nur dann Sinn, wenn es gleichzeitig auch eine Temporeduktion gibt. Sonst wird auf den entsprechenden Abschnitten vielleicht etwas langsamer gefahren, anschliessend aber sofort wieder beschleunigt. Dieses Konzept wirkt zusammengebastelt und gefällt uns überhaupt nicht.
Ich nehme an, es gefällt Ihnen schon länger nicht. Der Gemeinderatsbeschluss pro Tempo 50 liegt mittlerweile zweieinhalb Jahre zurück. Warum kommen Sie erst jetzt mit Ihrer Petition?
Vor über einem Jahr habe ich angefangen, mit Leuten darüber zu reden. Viele sind auch auf mich zugekommen. Dabei habe ich gemerkt, dass ich mit meinem Unmut nicht allein bin. Die Suche nach aktiven Mitstreitern war trotzdem relativ schwierig, weil sich zum Beispiel viele Geschäftsinhaber nicht politisch positionieren wollten – obwohl sie das Anliegen ideell eigentlich unterstützen. Auch auf Parteiebene war ein gewisser Vorlauf nötig. Nachdem die Ortsparteien sich beraten hatten, sind schliesslich nur EVP und SP übrig geblieben. Also mussten wir schauen, wie wir die Petition zusammen aufgleisen und finanzieren.
Nehmen Sie mit Ihrer Aktion nicht in Kauf, dass sich die Sanierung der Kantonsstrasse noch weiter hinzieht? Ursprünglich hätte es dieses Jahr losgehen sollen ...
Wir haben uns natürlich beim Kanton rückversichert, dass wir nicht zu spät dran sind. Laut den Aussagen des Tiefbauamts wurde der Starttermin ohnehin auf 2022 verschoben. Ausserdem sei es kein Problem, das Geschwindigkeitsregime anzupassen, da für beide Varianten bereits ausgearbeitete Projekte vorlägen. Deshalb kämen auch keine Mehrkosten auf die Gemeinde zu, falls sie sich noch einmal umentscheiden würde.
Es heisst, in der Tempo-30-Variante lägen mehr Parkplätze drin.
Ja. Nach den Berechnungen des Kantons könnte man bei reduzierter Geschwindigkeit ein paar Parkplätze mehr einplanen. Das ist aber nicht unser Hauptargument. Uns geht es um die Sicherheit aller Verkehrsteilnehmer.
Der Gemeinderatsbeschluss ist überhaupt erst auf Druck von über 1300 Petitionären zustande gekommen, die sich gegen eine Geschwindigkeitsreduktion ausgesprochen hatten. Können Sie den Willen der Bürger-Innen nicht einfach akzeptieren?
Bisher hat es nur die eine Petition gegeben. Wir wissen nicht, wie gross die Gegenseite ist. Insofern dient unsere Unterschriftensammlung vielleicht auch als Stimmungsbild. Wichtig ist uns, dass diesmal nur Frutigerinnen und Frutiger unterschreiben. Deshalb haben wir auch von einer Onlinepetition abgesehen.
Damit riskieren Sie aber, dass Ihre Petition im Vergleich zur ersten mickrig daherkommt.
Ja, dieses Risiko besteht. Dennoch scheint es uns wichtig und sinnvoll, dass sich nun die Bürgerinnen und Bürger von Frutigen zu dieser Frage äussern können. Wir wollen die Petition nicht künstlich aufblasen, nur um mehr Unterschriften aufweisen zu können. Falls wir tatsächlich nur sehr wenig Unterstützung für unser Anliegen erhalten sollten, müssten wir dies halt sportlich fair akzeptieren.
Es ist ohnehin unwahrscheinlich, dass der Gemeinderat wieder von seinem Beschluss abrückt. Was machen Sie dann?
Wir hätten keine Möglichkeit, das Ganze weiterzuziehen. Darum geht es uns auch gar nicht. Wir wollen den Gemeinderat lediglich bitten, den Sicherheitsaspekt noch einmal eingehend zu prüfen – und je nach Anzahl der Unterschriften bauen wir dabei mehr oder weniger Druck auf. Wie wir in dem Schreiben andeuten, gäbe es auch Kompromissmöglichkeiten. Man könnte den Tempo-30-Abschnitt zum Beispiel verkürzen und die Stelle beim Spital herausnehmen. Dort ist es durch das Gefälle aus Richtung Adelboden nicht ganz einfach, abzubremsen.
Letzten Endes liegt die Entscheidung beim Gemeinderat. Wir wollen uns im Nachhinein aber nicht vorwerfen müssen, nichts unternommen zu haben.
Rechnen Sie mit grosser Unterstützung?
Das ist noch schwer zu sagen. Durch die Pandemie wird das Prozedere sehr viel umständlicher. Das übliche Flyerverteilen an Anlässen und in Vereinen fällt weg, auch eine Standaktion können wir aus hygienischen Gründen nicht durchführen. Die Unterschriften müssen uns also per Post zugestellt werden, was mehr Überwindung und Aufwand kostet. Trotzdem bin ich guter Dinge, weil ich weiss, dass die Sicherheit auf der Dorfstrasse vielen Frutigern ein Anliegen ist. Ausserdem haben wir uns bis Ende März Zeit gegeben.
INVTERVIEW: BIANCA HÜSING
Baustart frühestens 2022
Eigentlich hätte der Kanton in diesem Frühjahr mit der Sanierung der Ortsdurchfahrt beginnen wollen, doch der Starttermin musste abermals verschoben werden. Grund dafür ist die Beschwerde eines Anwohners, die dieser bis vors Verwaltungsgericht weitergezogen hat. «Solange das Verfahren nicht abgeschlossen ist, haben wir keine gültige Baubewilligung», erklärt Stefan Schöni, stellvertretender Kreisoberingenieur. Ein Gerichtstermin stehe noch nicht fest.
Die Tempofrage habe derweil keinen Einfluss auf den Baustart. Das Sanierungsprojekt sei sowohl mit 50 als auch mit 30 km / h kompatibel.
HÜS