SCHNEESPORT Die Skilager werden pandemiebedingt abgesagt, die Schulen suchen nach sportlichen Alternativen. Die Folge: Viele Unterkünfte werden nicht gebucht, was sich in deren Kasse zeigt. Sind Sommerlager eine Lösung?

HANS RUDOLF SCHNEIDER
Der Kanton Thurgau hat Schullager in dieser Wintersaison bereits präventiv verboten, und er wird nicht der einzige bleiben. Im Kanton Bern empfiehlt die Bildungs- und Kulturdirektion, «bis auf Weiteres auf Schullager zu verzichten. Die Verantwortung liegt aber wie bis anhin bei den Gemeinden». Diese Verantwortung übernehmen die Schulen durchweg, indem sie ebenfalls auf Schneesportlager verzichten. Das ist bei den Oberstufen von Aeschi-Krattigen, Adelboden und Frutigen so, wo auch die älteren Schüler aus Kandergrund und Kandersteg den Unterricht besuchen. «Auch einzelne Skitage mit der Klasse sind leider momentan nicht möglich», sagt Matthias Zaugg, Schulleiter in Frutigen. Die 8. Klassen planen als Ersatz ein Alternativprogramm respektive eine Projektwoche für das Frühlings- oder Sommerquartal.

Skihalbtage in Reichenbach
In Reichenbach ist man ebenfalls konsequent. Das Risiko einer grossflächigen Corona-Verbreitung in der Schule dürfe nicht eingegangen werden, bestätigt Schulleiter Bruno Grossen. Da dieses Jahr kein Skilager geplant war, setzte man eigentlich auf mehrere Skitage der einzelnen Schulhäuser an Elsigen oder Tschenten. Mit den aktuell gültigen Schutzmassnahmen sind aber auch diese im Moment nicht durchführbar. «Dann müssen alle flexibel sein, wenn Wetter und Schneeverhältnisse passen: Wir führen jetzt klassenweise – damit keine Durchmischungen stattfinden – Skihalbtage an Faltschen durch. Es tut den Kindern gut, aus dem Schulzimmer rauszukommen. Und der Skilift hat auch etwas davon.» Grossens Motto: Was mit den angeordneten Schutzmassnahmen möglich ist, soll auch gemacht werden, vor allem, wenn es draussen stattfindet.

Aeschiallmi statt Lauenen
Auch die Schüler aus Aeschi und Krattigen müssen aufs winterliche Lagerleben verzichten. Laut Schulleiter Yves Gfeller werden jeweils parallel drei Lager in Adelboden, St. Stephan und Lauenen für die 7., 8. und 9. Klassen organisiert. Bereits im Dezember habe man sich mit der Gemeinde zusammen für die Absage entschieden. «Wir sind in der glücklichen Lage, an der Aeschiallmi in Aeschiried einen Skilift – den wir gratis benutzen dürfen – und eine Langlaufloipe zu haben. Da sich der Winter bis jetzt von seiner besten Seite zeigt und wir angehalten sind, den Sport wenn immer möglich draussen auszuüben, geniessen wir schon jetzt wöchentlich unseren Hausberg», freut sich Gfeller über die Alternative. Natürlich komme das ebenso wichtige Lagerleben für einmal etwas zu kurz. Allerdings gehen die 9. Klassen jeweils im August in eine Projektwoche. Somit konnte der soziale Aspekt schon letzten Sommer für die jetzigen 9. Klassen abgedeckt werden, und im nächsten August sind die heutigen 8. Klassen an der Reihe.

Adelboden: Unterkünfte bleiben leer
Nicht nur müssen SchülerInnen und Lehrkräfte dieses Jahr auf das Erlebnis eines Skilagers verzichten. Wirtschaftlich hat dies auch für die Gruppenunterkünfte Folgen. Zum Beispiel bei den verschiedenen Häusern mit insgesamt 211 Betten, die in Adelboden unter der Marke «Hari’s Chalet» durch die Firma FEWO Adelboden vermietet werden. Geschäftsführer Martin Brühlmann: «Bis Ende Februar haben alle Schulen abgesagt. Für März haben noch drei nicht storniert. Ich bezweifle aber, dass es dabei bleiben wird.» Die Buchungen kommen hauptsächlich aus den Kantonen Bern, Freiburg, Solothurn, Basel-Landschaft und Basel-Stadt sowie Aargau.
Das Gruppengeschäft macht bei FEWO etwa 54 Prozent des Gesamtumsatzes aus. Der Rest sind die Umsätze aus der Ferienwohnungsvermietung. Da die Marge im Gruppengeschäft höher ist, habe die Situation einen schwerwiegenden Einfluss auf das Ergebnis. «Kommt noch dazu, dass auch private Gruppen ihre Lager nicht durchführen können, da im Moment die Fünf-Personen-Regelung gilt. Bei einigen Gruppen konnten wir Stornokosten in Rechnung stellen. Aber es bleiben erhebliche Einbussen», sagt Martin Brühlmann.

Engstligen: Nicht nur Corona
Auch die Engstligenalp ist traditionell beliebt für die Sportferien. Bei Sabine Lang im Berghaus Bärtschi sind oft Schulen aus den Kantonen Solothurn oder Aargau eingemietet. Doch derzeit trudelt Absage um Absage ein. Dabei könnten kleine Gruppen eigentlich ohne grosse Hindernisse untergebracht und versorgt werden, wie Bärtschi erzählt. Dies seien beispielsweise Kunden der Alpinschule mit ihrem Bergführer. Zum Glück sei für Februar noch ein Heim mit seinen Bewohnern angemeldet. Das sei wichtig, um über die Runden zu kommen.

Erschwerend kam für die Unterkünfte auf dem Hochplateau hinzu, dass die Luftseilbahn ihren Betrieb im Januar zeitweise aus wirtschaftlichen Gründen eingestellt hat. So konnten potenzielle Gäste gar nicht anreisen, bedauert Sabine Lang. Man sei hier oben aufeinander angewiesen. «Fakt ist, jede Absage wird am Ende der Saison in meiner Rechnung deutliche Spuren hinterlassen.» Mit den aktuellen Take-away-Angeboten könne das nicht ansatzweise aufgefangen werden.

Elsigbach: Die Gruppen bleiben treu
Speziell ist die Lage ebenfalls für Simona Haller aus Rothrist. Sie hat mit ihrem Mann Andreas erst im April letzten Jahres das Ferienhaus Elsigbach gekauft, und «alles war jetzt ein bisschen anders geplant. Aber wir probieren, das Beste daraus zu machen. So nutzen wir unser Ferienhaus selbst und fahren an den Wochenenden in die Berge.»

Schulen aus Bern, Solothurn und der Region Zürich gehören normalerweise zu den Kunden des Hauses gleich neben der Talstation der Luftseilbahn mit seinen 40 Betten. «Aber alle Skilager sind abgesagt. Das heisst, dass wir jetzt sparen müssen.» Entschädigungen erhalten die beiden nicht, und sie verlangen von den Gruppen keine Stornogebühren. «Was uns ein bisschen motiviert, ist die Tatsache, dass alle Gruppen bereits für nächstes Jahr reserviert haben.»

Gibt es Sommer- statt Skilager?

Etliche Winterlager werden von der Schneesportinitiative GoSnow organisiert. Die Vermittlungstätigkeiten des Vereins werden eher von «Flachland»- Schulen und -Lehrpersonen in Anspruch genommen, sagt Geschäftsführer Ole Rauch. «Wir vermitteln kostenlos – verdienen also nichts daran – und wollen einfach, dass möglichst viele Schulen solche Schneesportaktivitäten durchführen.» Für diesen Winter waren ursprünglich 250 Lager geplant. «Leider erreichen uns noch immer täglich Annullationen der gebuchten Lager – bis Ende Februar sind eigentliche alle annulliert worden», sagt Rauch. Die knapp 30, die aktuell noch in der Agenda stehen, sind im März vorgesehen. Die Lehrpersonen würden sich noch daran klammern, in der Hoffnung, dass es bis dahin mit der Pandemiesituation besser sei. «Realistischerweise gehen wir aber davon aus, dass auch diese Lager in den kommenden Wochen abgesagt werden.»
Auf die von Rauch lancierte Idee von Ersatzlagern unter dem Motto «Go (s)now» im Mai und Juni habe es viele positive Reaktionen von Schulleitungen und Lehrpersonen gegeben. «Wenn es die Situation zulässt, würden wohl viele Schülerinnen und Schüler sowie Lehrpersonen liebend gerne endlich aus dem Schulzimmer ausbrechen», vermutet Ole Rauch. Teil einer solchen Alternative im Sommer könnten beispielsweise Clean-up-Days (Putztage) auf der Piste sein. So könnte zugleich das Thema Nachhaltigkeit vermittelt werden. Der Bezug zum Schneesport würde dennoch hergestellt, auch wenn die Kinder eine Skipiste ohne Schnee sehen – etwa, weil der Hang beeindruckend steil oder voller Steine sei. Weitere Ideen sind das Instandsetzen von Wanderwegen, Bike-Kurse, Themenwege oder Klettereinführungen. Tourismusdestinationen und Leistungsträger hätten sich sehr positiv geäussert und würden sich Mühe geben, attraktive Lagerprogramme zusammenzustellen, so Rauch. Man merke anhand der Reaktionen, dass die zeitlich verschobenen Lager sowohl für die Schulen als auch für die Touristiker eine gute Sache seien. «Anstatt über etwas zu jammern, das wir leider nicht ändern können, nutzt man die Energie und die Hoffnung lieber für etwas Neues.»

HSF

Die Gruppenhäuser bleiben leer

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