Grossraubtiere: Keine Schnellschuss-Massnahmen
23.02.2021 Landwirtschaft, NaturDer Regierungsrat hat auf eine Motion des Kandergrunder Grossrats Ernst Wandfluh SVP) geantwortet. Dieser hatte bei problematischen Grossraubtieren ein schnelleres Handeln gefordert. Währenddessen hat der Kanton den Abschuss einer auffälligen Wölfin verfügt.
MARK ...
Der Regierungsrat hat auf eine Motion des Kandergrunder Grossrats Ernst Wandfluh SVP) geantwortet. Dieser hatte bei problematischen Grossraubtieren ein schnelleres Handeln gefordert. Währenddessen hat der Kanton den Abschuss einer auffälligen Wölfin verfügt.
MARK POLLMEIER
Bereits im letzten November hatte Ernst Wandfluh Druck gemacht: Massnahmen gegen auffällige Grossraubtiere wie Wölfe sollten rasch beschlossen und umgesetzt werden – am besten innert zwei Tagen nach einem Ereignis. Seine dringliche Motion begründete er mit den Wolfsrissen, die seit Oktober 2020 in der Region Riggisberg vorgefallen waren. Ausserdem berief sich Wandfluh aufs Jagdgesetz. Bei der letzten Abstimmung darüber hätten dessen Gegner immer beteuert, dass Massnahmen bei Problemtieren schon jetzt möglich seien. «Die braucht es jetzt!», so Wandfluh.
In seiner Antwort weist der Regierungsrat zunächst auf die unterschiedliche Wahrnehmung beim Wolfsmanagment hin. Seit der ersten Meldung einer Wolfsichtung in der Region Riggisberg sei sehr wohl schon einiges in die Wege geleitet worden. Nebst der sofortigen und seither regelmässigen Information der betroffenen Kleinviehhalter sowie der Bevölkerung sei umgehend in die Stärkung des Herdenschutzes in den betroffenen Regionen investiert worden. Dass es danach zu weiteren Rissen gekommen sei, bedaure der Regierungsrat. Aber: «Das Verhalten des Wolfes ist angesichts der Verfügbarkeit von Nutztieren als Beute weder unnatürlich noch verhaltensauffällig.»
Die Vergrämung, die nicht stattfand
Nachdem es Anfang November 2020 zu drei Situationen kam, in denen der Wolf wenig Scheu gegenüber Menschen zeigte, habe das zuständige Jagdinspektorat unverzüglich eine Vergrämung des Tieres angeordent. Allerdings sei das zuvor beobachtete Verhalten trotz grossen Überwachungsaufwandes nicht mehr festgestellt worden, weshalb auch die Vergrämung nicht durchgeführt werden konnte. «Je nach Entwicklung der konkreten Situation kann demnach ein Konzept nicht stur umgesetzt werden», so der Regierungsrat. Ausserdem liege es sozusagen in der Optik der jeweiligen Interessengruppen, wann das Verhalten des Wolfs als akzeptierbar eingestuft werde.
Der Regierungsrat teilt die Auffassung Wandfluhs, dass Massnahmen gegen problematische Grossraubtiere zeitnah erfolgen sollten. Die von Ernst Wandfluh geforderte Vollzugsfrist von zwei Tagen sei «zwar wünschenswert, bei genauerer Betrachtung aber nicht zielführend und nicht erfüllbar», so der Regierungsrat weiter. Es gebe Massnahmen, deren Umsetzung länger als zwei Tage brauche, so etwa der Abschuss eines Wolfes oder die Verstärkung der Herdenschutzmassnahmen. «Die zuständigen Fachstellen sind jedoch angehalten, geeignete Massnahmen so rasch wie möglich zu verfügen.»
F78 soll erlegt werden
Die von Wandfluh geforderte Verstärkung des Jagdinspektorats ist gemäss Regierungsrat bereits teilweise Realität. «Die im Herbst 2020 beschlossene Verstärkung der Wildhut wird sich auch im Grossraubtiermanagement positiv auswirken», heisst es dazu in der Antwort. Aufgrund der notwendigen Einarbeitungszeit der neuen Wildhüter werde dies aber erst nach einiger Zeit spürbar sein.
Unabhängig von der Motion Ernst Wandfluhs hatte der Kanton Bern eine problematische Wölfin mit der Kennung F78 zum Abschuss freigegeben. Das Tier war erstmals am 11. Oktober in Toffen auffällig geworden und hatte dort drei Schafe gerissen. Inzwischen geht man davon aus, dass sämtliche Risse in der Region Gürbetal / Gantrisch zwischen dem 11. Oktober und dem letzten Vorfall am 8. Februar 2021 in Burgistein auf das Konto von F78 gehen.
Ein Wolf darf geschossen werden, wenn in seinem Streifgebiet «mindestens 35 Nutztiere innerhalb von vier Monaten getötet werden». Im Fall von F78 waren es 36 solche Tiere (22 gerissene und 14 notgetötete). Die gesetzlichen Grundlagen für den Abschuss sind somit gegeben. Ausserdem gehen die Behörden davon aus, dass die Wölfin weiter Nutztiere reissen wird – weil es bisher zu einfach für sie war und sie sich inzwischen darauf spezialisiert hat. Er sei aber weiterhin überzeugt, dass ein Nebeneinander von Grossraubtieren und Menschen möglich sei, so Jagdinspektor Niklaus Blatter.
Vorsorglich weist das Jagdinspektorat darauf hin, dass der Abschuss von F78 nur ausschliesslich Wildhütern erlaubt sei.