PUNKTLANDUNG - Ist jede Prognose falsch?
05.02.2021 Tourismus, KolumneIst jede Prognose falsch?
Die Sehnsucht nach der Rückkehr zur Normalität liegt in der Luft. Die Frage ist: Wie wird sie aussehen?
Wenn es nach den Chefs der meisten europäischen Fluggesellschaften geht, dann rechnen sie mit ein bis zwei Jahren, bis sie wieder die ...
Ist jede Prognose falsch?
Die Sehnsucht nach der Rückkehr zur Normalität liegt in der Luft. Die Frage ist: Wie wird sie aussehen?
Wenn es nach den Chefs der meisten europäischen Fluggesellschaften geht, dann rechnen sie mit ein bis zwei Jahren, bis sie wieder die Passagierzahlen von 2019 erreichen. Einige Herren, die vorsichtiger kalkulieren und verhaltener formulieren, haben das Datum bereits mehrmals nach hinten verschoben. Fragen bleiben. Werden wir jemals zu diesen Rekordzahlen zurückkehren? Und: Sind das Schlangestehen bei der Kofferabgabe, das Warten bei der Sicherheitskontrolle, das Herumhängen am Gate, das Gedränge in der Kabine beim Verstauen des Handgepäcks usw. auch in Zukunft erstrebenswert? Soll ich eine Prognose wagen? Je länger die grenzüberschreitenden Reisebeschränkungen dauern und wie auch immer deren Lockerungen dereinst ausschauen werden, desto weniger abschätzen lässt sich, wie sich die Mobilität in der Zukunft verändert. All die heute herumgebotenen Szenarien – weniger öffentlicher Verkehr wegen Arbeiten im Homeoffice, weniger Geschäftsflüge dank Videokonferenzen, weniger Ferienreisen mit dem Flugzeug auf Kurz- und Mittelstrecken wegen der Flugscham … – treffen zu. Ihre Kombination jedoch macht jede Prognose fragwürdig.
Der «Greta-Effekt» führt zu einem gesteigerten Umweltbewusstsein: Die Zielsetzungen zur Reduktion von CO2 und Gletscherschmelze lassen grüssen. Mit ins Kalkül zu ziehen sind auch die Auswirkungen, die nun die unplanbaren, stattlichen staatlichen Ausgaben auf unsere zukünftigen Ferien- und damit Reisebudgets haben. Denn Fliegen – und da lasse ich mich gerne auf die Äste hinaus – wird in Zukunft teurer. Spätestens dann, wenn es sich die Staatskassen nicht mehr leisten können, ihre Fluggesellschaften mit ungeheuerlich hohen Afonds-perdu-Beiträgen und fortlaufenden Subventionen um jeden Preis in der Luft zu halten.
Hingegen stehen die Chancen gut, dass sich der internationale Schienenverkehr seiner Stärken erinnert und grenzüberschreitende Verbindungen marktgerecht entwickelt. Die Gefahr besteht allerdings, dass Bahnenthusiasten mit ihren Forderungen übers Ziel hinausschiessen und Politiker sich mit vollmundigen Versprechungen zu weit aus dem Fenster lehnen. So fordert die Interessengemeinschaft öffentlicher Verkehr Bern internationale Züge mit rund vierhundert Sitzplätzen fast im Stundentakt in alle Himmelsrichtungen für einen Heimmarkt von weniger als eine Million Bewohner. Dem deutschen Verkehrsminister schwebt ein Trans-Europ-Express-Netz vor, dass auf dem politischen Parkett Furore macht, aber mit der Realität wenig zu tun hat. Auf wesentlich solideren Füssen steht die Renaissance des Nachtzugverkehrs, wie sie die Österreichischen Bundesbahnen vorantreibt. Da ist die Rede von der Wiedereinführung eines Nightjet von Bern nach Rom via Lötschberg in zwei Jahren. Ob’s dann für einen Halt im Frutigland reicht, dazu wage ich noch keine Prognose!
KURZ METZ
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