Vorfreude ist die schönste Freude …
02.02.2021 Coronavirus, GesellschaftSeit fast einem Jahr stellt das Coronavirus unseren Alltag auf den Kopf. «Bleiben Sie zu Hause», «Vermeiden Sie Kontakte». Diese und weitere Anordnungen des Bundesrates haben wir langsam satt. Wir kennen den Shutdown und das Homeoffice. Wer Erfahrung mit Quarantäne, Isolation oder gar mit ...
Seit fast einem Jahr stellt das Coronavirus unseren Alltag auf den Kopf. «Bleiben Sie zu Hause», «Vermeiden Sie Kontakte». Diese und weitere Anordnungen des Bundesrates haben wir langsam satt. Wir kennen den Shutdown und das Homeoffice. Wer Erfahrung mit Quarantäne, Isolation oder gar mit einer (durchgemachten) Covid- 19-Erkrankung machte, begreift den Ernst der Lage.
Der Mensch ist ein soziales Wesen, das direkte Kontakte mit Mitmenschen pflegen muss. Der Verzicht darauf fällt einigen schwerer, andere kommen besser damit zurecht.
Der «Frutigländer» wollte von zufällig ausgewählten Personen wissen, was sie am meisten vermissen oder worauf sie sich nach der Krise am meisten freuen.
Marianne Aebersold fehlen die sozialen Kontakte im Spitex-Team. Dies vor allem, weil die regelmässigen Teamrapporte gestrichen sind. «Das Weihnachtsessen und das gemütliche Zusammensein ausserhalb der Arbeit fielen coronabedingt aus», bedauert sie. Die Liebhaberin klassischer Musik wollte letzten Frühling ein Konzert besuchen. Dieses wurde vorerst um ein Jahr verschoben. Ob es 2021 durchgeführt werden kann, ist fraglich. Allzu gerne würde sie ihr längst erstandenes Ticket endlich nutzen.
Tamara Willen hat als Coiffeurin wohl Kontakt zu Menschen, doch ein Grossteil der Kundschaft ist bedrückt bis niedergeschlagen. «Ich wünsche mir sehnlichst aufgestellte Leute – inklusive meiner selbst. Auch mir geht es nicht jeden Tag gut», sagt sie. Zudem vermisst sie die «Mädelsabende»: zusammen mit guten Freundinnen in einer Bar gemütlich quatschen. «Es geht allen gleich. Andere Gesprächsthemen nebst Corona gibt es kaum, und erfreuliche sind entsprechend rar.»
Gael Sanchez besucht das Gymnasium in Thun. Auf seinem Schulweg fragt er sich manchmal: «Wo bin ich denn? Hinter der Maske erkennt man die Leute gar nicht. Da fühle ich mich manchmal orientierungslos. Alles ist unpersönlich, auch im Unterricht.» Der junge Spissener kennt den abendlichen Ausgang kaum, vermisst ihn daher nicht. Am meisten freut er sich auf den Moment, an dem die Maskenpflicht aufgehoben wird und er die Menschen wieder erkennt.
Melanie Linder vermisst den Job. «Nach meiner Lehre als Köchin im Spital Interlaken wechselte ich in den Detailhandel. Weil wir im Geschäft keine Artikel für den täglichen Bedarf verkaufen, kann ich leider nicht arbeiten.» Linder fehlen die Besuche bei ihrem ehemaligen Team in der Spitalküche. Am meisten freut sie sich darauf, endlich wieder zu arbeiten.
Manuela Kohler ist Mutter einer zweijährigen Tochter. Wenn Jahreszeit und Wetter es zulassen, kann der Sicherheitsabstand auf dem Spielplatz einigermassen eingehalten werden. Im Schnee herumtollen, schlitteln und Ski fahren auf altersgerechtem Gelände funktioniert einigermassen. «Am meisten freuen wir uns darauf, andere Familien mit Kindern in Chiaras Alter zu treffen, ohne gross zu überlegen.»
Werner Fuhrer vermisst es, mit Kollegen bei einem Bier zusammenzusitzen und einen Jass zu klopfen. Der AFA-Chauffeur schaut sich im Fernsehen gerne Eishockeymatches der Swiss National League an. «Jetzt weiss man ja gar nicht mehr, worum es geht.» Weil die Fahrgäste in der Mitte des Busses einsteigen müssen, verliere man den Kontakt zu ihnen schon etwas. «Mit den Masken im Gesicht weiss ich oft gar nicht, wer mir ‹Sälü› sagt.»
TEXT / BILDER KATHARINA WITTWER