Entschädigung statt Strafe
02.03.2021 Adelboden, GesellschaftJUSTIZ Am Freitag hat das Regionalgericht Oberland den Wirt des Adelbodner Restaurants Aebi, Philippe Oester, vom Vorwurf einer Übertretung des Gastgewerbegesetzes freigesprochen. Er hatte 2020 neben dem Kiosk zwölf Liegestühle aufgestellt.
PETER SCHIBLI
JUSTIZ Am Freitag hat das Regionalgericht Oberland den Wirt des Adelbodner Restaurants Aebi, Philippe Oester, vom Vorwurf einer Übertretung des Gastgewerbegesetzes freigesprochen. Er hatte 2020 neben dem Kiosk zwölf Liegestühle aufgestellt.
PETER SCHIBLI
Normalerweise gehe er wegen eines so banalen Strafbefehls nicht vor Gericht, meinte der Anwalt des beschuldigten «Aebi»-Wirts zu Beginn seines Plädoyers. Da aber die Staatsanwaltschaft nachweislich nicht rechnen könne, wolle er prüfen, ob sie wenigstens juristisch sattelfest sei. Was war passiert?
In einer Anzeige war moniert worden, Philippe Oester habe im Februar 2020 verschiedene Auflagen der Betriebsbewilligung A vom Dezember 2019 nicht respektiert. Die bewilligten Betriebszeiten («während des Sesselbahnbetriebs») seien nicht eingehalten und Liegestühle aufgestellt worden, obwohl beim Kiosk nur 25 Stehplätze bewilligt waren. Per Strafbefehl vom 15. Mai 2020 büsste die Justiz Philippe Oester wegen des Aufstellens von Liegestühlen. Eine Missachtung der Betriebszeiten wurde nicht sanktioniert, da der Wirt in einer neuen Betriebsbewilligung eine Verlängerung der Öffnungszeiten bis 0.30 Uhr beantragt und erwirkt hatte. Fehlerfrei war der Strafbefehl trotzdem nicht. An einer Stelle wurde die Busse mit 250 Franken, weiter unten mit 100 Franken angegeben.
In der Befragung durch die Gerichtspräsidentin bestätigte der Beschuldigte den Sachverhalt. Neben dem «Apéro-Eggä» habe schon sein Vorgänger seit 1989 eine grosse Schneetheke betrieben. Als ihm dies 2019 verboten worden war, habe er nach einem Gespräch mit der Regierungsstatthalterin den ihm gehörenden Bereich vor dem Kiosk mit Skiständern und Bändern abgesperrt. Mangels Dienstbarkeit auf Oesters Grundstück mussten die Bergbahnen Adelboden (BAAG) die Talpiste hinter den Kiosk verlegen.
Sicherheit als Hauptargument
Als sich im Februar 2020 aufgrund der Schneeschmelze die Lücke zwischen Kiosk und Terrasse verbreiterte, stellte der Wirt zusätzlich zu den Skiständern auf seinem Grundstück drei Kreise mit je vier Liegestühlen auf. Ziel dieser Massnahme sei es gewesen, Skifahrer-Innen an der Durchfahrt zu hindern und die Sicherheit seiner Gäste zu gewährleisten, erklärte er vor Gericht.
Auf die Frage, weshalb er für den Betrieb des Aussenkiosks nicht Sitzplätze beantragt habe, meinte Oester, er habe Restaurant, Terrasse und Bar stets als Ganzes gesehen. Kein Wirt im gesamten Gebiet besitze eine Extrabewilligung für Liegestühle. Nur von ihm verlange man dies. Er fühle sich ungleich behandelt.
Den juristischen Part der Verteidigung übernahm Oesters Anwalt. Zum einen bemängelte er, dass sein Klient zwei Betriebsbewilligungen beantragen musste: eine für Restaurant und Terrasse, eine zweite für den Aussenkiosk. Zum anderen fehle dem Strafbefehl die rechtliche Grundlage. Eine Unterscheidung in Sitzplätze (Liegestühle) oder Stehplätze mache das Gastgewerbegesetz nicht. Die Busse sei deshalb aufzuheben und dem Beschuldigten eine angemessene Entschädigung auszurichten.
Die Spitze eines Mehrparteienkonflikts
In ihrem Urteil folgte die Gerichtspräsidentin dieser Argumentation. Dass der Wirt am Kiosk nur Stehlplätze anbieten dürfe, verstehe sie nicht als Auflage der Betriebsbewilligung. Die von Oester getroffene Massnahme, mit Liegestühlen für zusätzliche Sicherheit zu sorgen, sei nachvollziehbar und legal. Deshalb sprach sie den Beschuldigten vom Vorwurf einer Übertretung des Gastgewerbegesetzes frei und erkannte ihm eine Entschädigung von 800 Franken zu, was exakt den geltend gemachten Anwaltskosten entspricht. Die Verfahrens- und Gerichtskosten in der Höhe von 1500 Franken übernimmt der Kanton Bern.
Zum Abschluss der Urteilsbegründung sprach die Gerichtspräsidentin aus, was in Adelboden allgemein bekannt ist: dass der Liegestuhl-Streit nur die Spitze eines Eisbergs, eines viel grösseren Mehrparteienkonflikts ist, der seit Jahren im Ortsteil Aebi tobt. Darin sind neben den zerstrittenen Familien auch die Gemeinde und die Bergbahnen involviert. Für die Zukunft appellierte die Thuner Gerichtspräsidentin an sämtliche Parteien, «dass man Lösungen gemeinsam und nicht gegeneinander findet».