Luxus kaufen, Einnahmen verbessern?
23.03.2021 LandwirtschaftDie aus Adelboden stammende Grossrätin Andrea Zryd macht sich für eine zeitlich befristete Luxussteuer stark. Das Instrument könnte helfen, die Kosten der Corona-Pandemie abzufedern – doch die Hürden für die Einführung sind hoch. Dass eine solche Steuer grundsätzlich aber ...
Die aus Adelboden stammende Grossrätin Andrea Zryd macht sich für eine zeitlich befristete Luxussteuer stark. Das Instrument könnte helfen, die Kosten der Corona-Pandemie abzufedern – doch die Hürden für die Einführung sind hoch. Dass eine solche Steuer grundsätzlich aber praktikabel ist, zeigt ein Beispiel aus Europa.
MARK POLLMEIER
Die Corona-Pandemie hat den Konsum in vielen Bereichen erschwert. Mancher sucht deshalb andere Wege, sein Geld loszuwerden und investiert in teure Möbel, aufwendige Blumendeko oder edle Bekleidung. «Lust auf Luxus» titelte die SonntagsZeitung am vergangenen Wochenende und sprach gar von einem Trend: Weil die Leute kaum noch vor die Tür kämen, würden sie es sich eben zu Hause schön machen. Und das dürfe dann ruhig auch etwas kosten.
Dass selbst in der Krise viel Geld ausgegeben wird, haben auch einige PolitikerInnen aus dem Kanton Bern bemerkt – und wollen das Phänomen nun nutzen, um die Staatsfinanzen aufzubessern. Zusammen mit den Oberländer Kollegen hat die aus Adelboden stammende Grossrätin Andrea Zryd (SP) eine Motion eingebracht. Ihr Ziel: eine «Solidaritätssteuer». Konkret soll die Mehrwertsteuer auf sogenannten Luxusgütern für einen beschränkten Zeitraum um mindestens fünf Prozentpunkte angehoben werden. «Käuferinnen und Käufer solcher Güter verkraften zeitlich befristet einen höheren Steuersatz», heisst es im Motionstext als Begründung.
Keine Mehrkosten bei «normalen» Gütern
Würde eine solche Steuermassnahme umgesetzt, käme tatsächlich einiges an Geld zusammen. Etwa 23 Milliarden Franken habe die Mehrwertsteuer in den letzten Jahren jeweils generiert, rechnen die Motionäre vor. Mit einer Solidaritätssteuer auf Luxusgütern würden demnach jährlich mehrere Milliarden Franken zusätzlich in die Bundeskasse gespült – Einnahmen, die angesichts der Corona-Krise hochwillkommen wären. Weil die Mehrwertsteuer bei Gütern des täglichen Bedarfs gleich bliebe, würde die Bevölkerung an dieser Stelle nicht belastet. Mehl, Zucker oder Brot würden sich also nicht verteuern.
Langer Weg bis zur Einführung
Doch die Hürden für eine Erhöhung der Mehrwertsteuer sind hoch, das Berner Kantonsparlament hat dazu grundsätzlich nichts zu sagen. Damit ihr Vorschlag überhaupt einmal diskutiert wird, verlangen Andrea Zryd und ihre SP-Mitstreiter Urs Graf (Interlaken) und Ueli Egger (Hünibach), dass der Kanton Bern eine entsprechende Standesinitiative einreicht. Zunächst müsste die Motion also vom Grossen Rat angenommen werden, erst dann könnten sich die eidgenössischen Räte mit dem Anliegen befassen.
Abgesehen vom parlamentarischen Verfahren ist der Vorstoss auch eine praktische Herausforderung. Um die Mehrwertsteuer auf bestimmten Gütern zu erhöhen, müssten diese zunächst einmal definiert werden. Beginnt der Luxus bei einer teuren Uhr oder erst bei einem hochpreisigen Sportwagen? Ist Reisen Luxus, und falls ja, auch das Reisen im Inland? Bevor National- und Ständerat einer Luxussteuer zustimmen würden, müssten solche Fragen wohl erst einmal diskutiert und geklärt werden.
Dänemark: Das Auto als Luxusgut
Der Weg zur Solidaritätssteuer ist also lang. Dass sie grundsätzlich praktikabel ist, zeigt seit Jahren das Beispiel Dänemark. Seit rund 100 Jahren gibt es dort schon eine Luxussteuer auf Autos. Wer sich ein Fahrzeug anschafft, zahlt zunächst einmal die reguläre Mehrwertsteuer, die in Dänemark bei stattlichen 25 Prozent liegt. Wer sein Auto einlösen möchte, wird dann noch einmal ordentlich zur Kasse gebeten. Die ersten 10 000 Franken werden mit 105 Prozent besteuert, was darüber liegt, mit 150 Prozent. Der zweite Wert wurde übrigens vor nicht allzu langer Zeit gesenkt, davor lag er sogar bei satten 180 Prozent.
Eingeführt wurde die sogenannte Registrationsabgabe bereits 1910, um damit die Nutzung des dänischen Strassennetzes zu besteuern. 1924 wandelte man sie in eine Luxussteuer um. Inzwischen dient das Instrument dazu, die Nutzung des Autos weniger attraktiv zu machen. Die Luxusteuer beschert dem Staat also nicht nur Einnahmen, sie ist auch ein umwelt- und verkehrspolitisches Steuerungsinstrument. Durchaus erfolgreich: Die dänische Hauptstadt Kopenhagen ist eine ausgesprochene Velostadt.
Mögliche Folge Konsumverzichtet
Drücken kann man die immensen Autokosten übrigens, indem man bei der Anschaffung auf erwünschte Eigenschaften achtet. Ist ein Gefährt besonders sicher oder umweltfreundlich, winken staatliche Rabatte. Noch kostengünstiger ist freilich, erst gar kein Fahrzeug anzuschaffen, und tatsächlich hat Dänemark im Vergleich zu anderen Ländern Europas eine verhältnismässig tiefe Autofahrerquote.
Auch das muss bei der Einführung einer Luxussteuer mit bedacht werden: Manchmal führt sie einfach zum Konsumverzicht.
ANDREA ZRYD IM INTERVIEW
«Sicher nicht den kleinen Fiat besteuern»
«Frutigländer»: Andrea Zryd, Sie haben im Grossen Rat einen Vorstoss eingebracht, der auf die Einführung einer «Solidaritätssteuer» abzielt. Konkret soll beim Kauf von Luxusgütern eine höhere Mehrwertsteuer fällig werden. An welche Dinge haben Sie da gedacht?
Andrea Zryd: Damit wir eine Erhöhung der Mehrwertsteuer erwirken können, braucht es eine Verfassungsänderung und anschliessend wird in den gesetzlichen Grundlagen festgeschrieben, welche Güter genau unter «Luxusgut» definiert werden. Das müsste der Bund regeln, dort hat man Erfahrung mit solchen Fragen. Aber grundsätzlich geht es uns um wirkliche Luxusgüter. Wenn man zum Beispiel an den Autokauf denkt, dann soll sicher nicht der kleine Fiat höher besteuert werden – aber vielleicht ein teurer Sportwagen. Bei Ferien wollen wir nicht den Familienaufenthalt auf dem Camping verteuern, sondern wirkliche Luxusreisen. Man muss einfach sehen: Es gibt sehr, sehr reiche Menschen, denen auch die Corona-Krise nicht viel ausgemacht hat und sie dürfen immer noch auf der Sonnenseite stehen. Wer sich beispielsweise eine Jacht für viele Millionen Franken leistet, den stört es vielleicht gar nicht so sehr, wenn er darauf eine etwas höhere Mehrwertsteuer entrichten muss.
Sie haben gerade das Stichwort Ferien genannt. Sie selbst stammen aus Adelboden, Ihre Mitmotionäre kommen ebenfalls aus dem Oberland – also aus einer Region, die von Feriengästen und ihrem Konsum lebt. Haben Sie keine Sorge, dass Sie mit einer Luxussteuer gerade den Tourismusregionen schaden könnten?
Nein. Wir wollen ja nicht den durchschnittlichen Feriengast belasten, sondern reine Luxusgüter für einen begrenzten Zeitraum etwas höher besteuern. Wer sich in seinen Ferien eine sehr teure Uhr oder eine Designertasche kauft, der tut das, weil er diese Dinge wirklich haben möchte. Der Preis ist dabei vielleicht gar keine so relevante Grösse. Warum soll man von Menschen, die sich solche Anschaffungen problemlos leisten können, nicht einen Beitrag zur Solidarität in der Krise fordern? Ich fände das jedenfalls gerechter, als die Mehrwertsteuer insgesamt zu erhöhen.
Nun ist ja der Weg zur Umsetzung der Luxussteuer ein wenig kompliziert. Damit die Standesinitiative beim Bund eingereicht werden kann, müsste erst einmal der Grosse Rat zustimmen. Dann würden sich irgendwann die Kommissionen von National- und Ständerat damit befassen, noch später das Parlament. Wie gross schätzen Sie die Chance ein, dass Ihr Vorstoss dereinst Realität wird?
Der Weg ist lang, das ist richtig. Aber die Krise, in der wir jetzt stecken, wird uns auch noch eine ganze Weile beschäftigen. Aktuell gibt der Staat viel Geld aus, um die Folgen der Pandemie abzufedern, und das finde ich auch richtig. Aber irgendwann muss man diese Schulden auch wieder abbauen. Schon jetzt ist davon die Rede, dass man nach der Krise die Ausgaben wird senken müssen. Aber wo wird dann gespart werden? Am Service public, am öV, in der Bildung, bei den Sozialausgaben? Wenn sich die Schere in der Gesellschaft noch mehr öffnet, enden wir definitiv in einem Zweiklassensystem, und das ist ganz schlecht verträglich. Eine Gesellschaft lebt eben auch vom Staat und von Solidarität. Dass eine teilweise Erhöhung der Mehrwertsteuer kompliziert ist, mag ja sein, aber das ist für mich kein Argument, es nicht zu tun. Es gibt verschiedene Länder, die eine solche Steuer längst eingeführt haben. Ich mache mir viel mehr Sorgen um Kantone, die mitten in der Krise Steuern senken und die Solidarität empfindlich schwächen.
INTERVIEW MARK POLLMEIER