Wie Überdüngung und Alpwirtschaft zusammenhängen
19.03.2021 Landwirtschaft, NaturUMWELT Die Nitratbelastung im Trinkwasser ist in manchen Gegenden zu hoch. Eine Reaktion darauf ist die Trinkwasser-Initiative. Doch die könnte ungeahnte Nebenwirkungen haben – bis hin zur Aufgabe ganzer Alpen.
MARK POLLMEIER
An über 500 Stellen in der ganzen ...
UMWELT Die Nitratbelastung im Trinkwasser ist in manchen Gegenden zu hoch. Eine Reaktion darauf ist die Trinkwasser-Initiative. Doch die könnte ungeahnte Nebenwirkungen haben – bis hin zur Aufgabe ganzer Alpen.
MARK POLLMEIER
An über 500 Stellen in der ganzen Schweiz kontrolliert das Bundesamt für Umwelt (BAFU) regelmässig die Grundwasserqualität. Dabei wird auch die Nitratkonzentration gemessen. Eine zu hohe Nitratbelastung des Trinkwassers hat sich in Tierversuchen als möglicherweise krebserregend erwiesen. Im Sommer 2018 kam eine dänische Studie zum Ergebnis, dass zu hohe Nitratwerte beim Menschen das Darmkrebsrisiko erhöhen.
Die neusten Daten des BAFU zeigen, dass im Jahr 2019 bei knapp 14 Prozent der Messstellen die gesetzlichen Vorgaben für die Nitratbelastung des Trinkwassers überschritten wurden. Im Jahr 2018 hatte der Anteil noch bei 12,8 Prozent gelegen, 2017 bei 11,5 Prozent. Besonders häufig wird der Grenzwert von 25 Milligramm Nitrat pro Liter im Mittelland überschritten: Dort waren die Werte bei 30 Prozent aller Messstellen zu hoch.
Vom Acker ins Wasserglas
Häufiger Grund für eine zu hohe Nitratbelastung des Grundwassers ist Überdüngung. Die Landwirtschaft bringt an der Oberfläche stickstoffhaltigen Kunstdünger aus, ausserdem natürlichen Dünger wie Mist und Gülle. Der enthaltene Stickstoff soll das Pflanzenwachstum fördern. Wird jedoch zu viel gedüngt, kann der Stickstoff nicht vollständig verwertet werden. Über Niederschläge sickert der Überschuss in den Boden und irgendwann ins Grund- und Trinkwasser.
Der langsame Weg zeigt schon das Problem der Nitratmessungen auf: Sie unterliegen grossen natürlichen Schwankungen. So kann die Nitratbelastung des Trinkwassers nach einer regenreichen Phase vorübergehend stark ansteigen – oder umgekehrt nach eher trockenen Jahren sinken. Ob sich in den Zahlen des BAFU ein anhaltender Anstieg abzeichnet, ist deswegen noch nicht abzuschätzen. Dafür müsste man zunächst ein paar weitere Jahre messen und schauen, ob sich der Trend bestätigt. Tatsache ist aber, dass die Nitratbelastung des Schweizer Trinkwassers seit zwei Jahrzehnten nicht mehr sinkt und mancherorts zu hoch ist. Es gibt Gegenden, in denen die erwünschte Wasserqualität nur durch die Beimischung von unbelastetem Wasser erreicht wird.
Zu wenig Tiere fürs Sömmerungsgebiet
Ziel der Politik ist es deswegen, die Nitratausbringung der Landwirtschaft zu senken. Das Parlament hat sich im vergangenen Herbst auf den sogenannten Absenkpfad geeinigt, der die Stickstoffund Phosphorbelastung der Böden bis 2030 «angemessen reduzieren» soll.
Der Absenkpfad, der vom Schweizer Bauernverband unterstützt wird, ist auch eine Reaktion auf die anstehenden Agrarinitiativen, insbesondere die Trinkwasserinitiative. Diese fordert unter anderem, dass Landwirtschaftsbetriebe nur so viele Tiere halten sollen, wie sie mit selbst produziertem Futter ernähren können. Wer sich nicht an diese Vorgabe hält, soll vom Bund keine Direktzahlungen mehr erhalten.
Kritiker der Initiative warnen, dass diese Forderung indirekt auch die Alpwirtschaft bedrohe. Die Überlegung: Im Fall einer Annahme müsste die Schweizer Tierproduktion eingeschränkt werden, dadurch würde auch der Tierbestand im Berggebiet zwangsläufig abnehmen. Wenn aber weniger Tiere gesömmert würden, könnte das zur Aufgabe von Alpen führen – mit den bekannten Konsequenzen. Eine heute gepflegte, auch touristisch wertvolle Kulturlandschaft wäre der Verbuschung und Verwaldung preisgegeben.