572 plädieren für die 30
09.04.2021 Frutigen, PolitikEin letztes Mal haben sich EVP und SP für ein Tempolimit auf der Dorfstrasse stark gemacht und zwei Monate lang Unterschriften gesammelt. Am Mittwoch übergaben sie die Petition an den Gemeindrat – in der Hoffnung, dass dieser noch einmal seinen Kurs wechseln werde. ...
Ein letztes Mal haben sich EVP und SP für ein Tempolimit auf der Dorfstrasse stark gemacht und zwei Monate lang Unterschriften gesammelt. Am Mittwoch übergaben sie die Petition an den Gemeindrat – in der Hoffnung, dass dieser noch einmal seinen Kurs wechseln werde.
BIANCA HÜSING
Auf Frutigens Gemeinderatspräsidenten Hans Schmid wartete ein kleines Empfangskomitee von rund zehn Personen, allesamt Vorstandsmitglieder der Ortsparteien EVP und SP. Sogar eine Torte hatten sie mitgebracht – allerdings nicht für ein gemütliches Zvieri, sondern als eine Art Arbeitsauftrag: Der Gemeinderat möge seine Entscheidung pro Tempo 50 auf der Ortsdurchfahrt noch einmal überdenken. Welches Geschwindigkeitsregime EVP und SP stattdessen bevorzugen, war unschwer zu erkennen: Die Torte zierte eine «30» in Zuckerschrift.
Sie wurde dem Obmann zusammen mit einer Petition überreicht, unterzeichnet von 572 Frutigerinnen und Frutigern. «Damit sind unsere Erwartungen sogar übertroffen worden», freut sich Hans Peter Bach (EVP), der die Aktion gemeinsam mit Beatrix Hurni (SP) ins Leben gerufen hatte. «Gehofft hatten wir auf 500 Unterschriften.»
Die Meinungen waren längst gemacht
Dass diese Zahl erreicht werden würde, war zu Beginn keineswegs klar. Die Tempo-30-Debatte war längst verklungen, für die meisten Frutiger war die Angelegenheit scheinbar erledigt – aber eben nur scheinbar. «Mündlich wurden wir vielfach zu dieser Petition ermutigt», so Bach. Das Thema sei durchaus noch aktuell, viele Anwohner hätten sich um die Sicherheit auf der Dorfstrasse gesorgt. Als die Unterschriften zunächst jedoch nur zögerlich eintrafen, sei man «schon ein bisschen nervös» geworden. Erst ein zweites Inserat habe dann für Schwung gesorgt – ebenso wie die zwei Unterschriftensammlungen im Dorf. Dabei habe auch eine deutlich angenehmere Gesprächskultur geherrscht als etwa auf Facebook, wo die Petition zum Teil recht abwertend kommentiert wurde. «Wer nicht unterschreiben wollte, hat uns dies vor Ort kurz mitgeteilt, und damit war die Sache erledigt», so Beatrix Hurni. «Überzeugen wollten wir sowieso niemanden mehr. Die Meinungen waren ja auf beiden Seiten längst gemacht.» Nun sei es einzig darum gegangen, den Tempo-30-Befürwortern eine Stimme zu geben.
Hin und wieder habe auch jemand Kompromissvorschläge eingebracht – etwa Tempo 40 oder ein wechselndes Tag-Nacht-Geschwindigkeitsregime mit elektronischer Anzeige. «Beide Ideen sind an sich zwar nicht schlecht, wären aber sehr aufwendig und kostspielig», findet Hans Peter Bach. Eine durchgehende 30er-Signalisation sei die einfachste und schliesslich auch die vom Kanton bevorzugte Variante. Die baulichen Massnahmen, die der Kanton im Zuge der Strassensanierung ergreife, würden überhaupt nur in Kombination mit Tempo 30 Sinn ergeben. Auch könne man damit die Sicherheit schwächerer Verkehrsteilnehmer erhöhen und die Lärmemissionen reduzieren, sind Bach und Hurni überzeugt.
Der Obmann verspricht nichts
Dass sie deutlich weniger Unterschriften zustande gebracht haben als seinerzeit die Tempo-50-Befürworter mit ihren gut 1300 Unterstützern, stört die Petitionäre nicht. Man habe schliesslich bewusst nur Frutiger unterschreiben lassen, statt die Aktion künstlich aufzublasen. «Ich bin sicher, dass eine Petition von so vielen stimm- und wahlberechtigten Bürgern ernst genommen und von der Politik auch entsprechend diskutiert wird», meint Hans Peter Bach mit Blick auf seine eigenen Erfahrungen als Gemeinderat.
Sein ehemaliger Ratskollege Hans Schmid (SVP) gibt ihm zumindest in diesem Punkt recht. «Es ist immer schön, wenn Bürger von ihrem demokratischen Recht Gebrauch machen und in der Gemeindepolitik mitwirken», kommentiert der Obmann die Übergabe der Petition. «Ich habe auch vollstes Verständnis dafür, dass nicht jeder mit unserem Tempo-50-Entscheid einverstanden ist.» Ob der Gemeinderat davon abrücken wird, kann und will Schmid freilich nicht sagen. «Wir werden uns aber auf jeden Fall noch einmal mit dem Thema beschäftigen und in gegebener Frist auf die Petition antworten.» Laut Gemeindeordnung liegt diese Frist bei sechs Monaten.
Für die Sanierung der Ortsdurchfahrt spielt es jedenfalls keine Rolle, ob und wann der Gemeinderat sich final für eine Höchstgeschwindigkeit entscheidet. Erstens ist das Projekt laut Kanton mit beiden Varianten kompatibel, zweitens wird mit den Bauarbeiten ohnehin frühestens 2022 begonnen.