Die Gemeinden stehen unter Druck
23.04.2021 LandwirtschaftKeine Behörde fungiert gerne als Baupolizei. Die Frutigländer Gemeinden müssen dennoch Altlasten abarbeiten – drei sind besonders ins Visier von Kanton und Bund geraten. Wie ist der Stand der Dinge?
HANS RUDOLF SCHNEIDER
Aus Scheunen entstehen Luxus-Chalets, aus ...
Keine Behörde fungiert gerne als Baupolizei. Die Frutigländer Gemeinden müssen dennoch Altlasten abarbeiten – drei sind besonders ins Visier von Kanton und Bund geraten. Wie ist der Stand der Dinge?
HANS RUDOLF SCHNEIDER
Aus Scheunen entstehen Luxus-Chalets, aus Alphütten Ferienwohnungen. Solche Beispiele von Bauten ausserhalb der Bauzonen haben in den letzten Wochen Schlagzeilen gemacht. Die nachträglichen Abklärungen, was respektive wie viel illegal erstellt oder widerrechtlich umgenutzt worden ist, kann aufwändig sein. Für die Bauherren können solche Verfahren mit einer Rückbauverfügung und Bussen enden. Auch schon eine zusätzliche Stützmauer oder eine Ablagerung von Bauschutt in einer Geländemulde können Baupolizeiverfahren auslösen, es muss nicht ein Whirlpool auf der Alp sein. Das Bauen ausserhalb von Bauzonen kann gerade für nichtlandwirtschaftliche Bauherren schnell teuer werden.
Druck durch den Vergleich
Im letzten Oktober hat die Gemeinde Adelboden ihr Verfahren für die Behandlung von solchen Baupolizeifällen angepasst (wir berichteten). Ein Ausschuss aus der Ressortvorsteherin Bau, dem Obmann und dem Bauverwalter ist neu für die Erledigung von Altlasten und für künftige Fälle zuständig. Druck kommt dabei vom Regierungsstatthalteramt, über die Aufarbeitung der bekannten Sündenfälle muss ihm gegenüber Rechenschaft abgelegt werden. Dazu kommt, dass der Verwaltungskreis Frutigen-Niedersimmental im Vergleich mit anderen Berner Kreisen am schlechtesten dasteht – das heisst, am meisten offene Fälle aufweist. Das hat den Kanton und den Bund auf den Plan gerufen, die Kontrollen wurden genauer. Adelboden und sein gewähltes Vorgehen sind kürzlich von Regierungsrätin Evi Allemann als gute Lösung angeführt worden. Auch sie möchte vermehrt gegen illegale Umund Ausbauten vorgehen.
Nicht immer genau hingeschaut
So gut fällt die Beurteilung der anderen beiden Gemeinden, die die «Top Drei» des Kreises bilden, noch nicht aus. Frutigen und Reichenbach sind jedoch an der Arbeit. Das heisst, dass erfasste Bausünden beseitigt werden müssen oder allenfalls ein nachträgliches Baugesuch erfordern. Dieses geht ans kantonale Amt für Gemeinden und Raumordnung (AGR) zur Beurteilung. Erfolgt der Abschlag, müssen die Gemeinden den Entscheid durchsetzen. Erachten die lokalen Behörden beispielsweise einen angeordneten Rückbau als unverhältnismässig, muss dem Bundesamt für Raumentwicklung (ARE) eine Begründung abgeliefert werden. Dessen Entgegenkommen sei meist eher gering, heisst es dazu im Frutigland. Die Kontrolle ist eine Folge davon, dass einige lokale Behörden im Verwaltungskreis Frutigen-Niedersimmental in den letzten Jahrzehnten nicht immer genau hingeschaut haben. Über eine Lockerung wird zwischen ARE und Kanton verhandelt – das Resultat ist noch offen.
Kein Spielraum mehr
In Reichenbach sind konkret etwa zehn Fälle von unterschiedlicher Tragweite auf dem Tisch, die nachträglich in Ordnung gebracht werden müssen. Wie Gemeinderatspräsident Hansueli Mürner sagt, muss im Herbst gegenüber der Regierungsstatthalterin Rechenschaft abgelegt werden, was in der Zwischenzeit passiert ist. Deshalb werden den sündigen Bauherren von der Gemeinde die Verfügungen zugestellt, einen Spielraum für die Gemeinde sieht Mürner dabei nicht. Die Vorgaben von Bund und Kanton seien klar. Er betont, dass man seinen Bürgern dennoch soweit wie möglich entgegenkommen möchte. Allerdings handle es sich bei einigen Fällen um jahrzehntealte Vergehen. Theoretisch könnten Kontrollen bis ins Jahr 1972 zurückreichen, als die Raumplanung erstmals gesetzlich geregelt wurde. Und seither wurden die Regeln mehrfach verschärft, die Situation der ländlichen Gemeinden mit Streusiedlungen seien oft zu wenig berücksichtigt worden.
Abklärungen im Voraus treffen
Mürner sagt, dass man sich intensiv darum bemühe, die offenen Fälle zu klären. Man sei nur ausführendes Organ, die jeweiligen Baubewilligungen seien ja vom Kanton ausgestellt worden. Mit diesen Worten will er klar machen, dass die Bürger nicht den Gemeinderat dafür verantwortlich machen können, wenn jetzt Massnahmen ergriffen werden müssen. Und ergänzt für potenzielle Bauherren: «Man sollte in jedem Fall früh genug mit der Bauverwaltung Kontakt aufnehmen, das gilt ganz allgemein.» So könne man sich sowie der Verwaltung und Behörde viel Arbeit und allenfalls Ärger ersparen.
Wie geht es weiter?
Die dritte Gemeinde im Bunde ist Frutigen, auch dort sind einige ungeklärte und schwer nachvollziehbare Altlasten aufzuklären und zu erledigen. Gemeinderatspräsident Hans Schmid ist nicht stolz darauf, wie er sagt. Diese alten Fälle seien als Anfangsverdacht bei den Behörden gemeldet worden oder, so Schmid, «heute schauen auf Druck von Kanton und Bund auch die lokalen Bauverwalter genauer hin als auch schon». In Frutigen ist die Hochbaukommission unter Leitung des zuständigen Gemeinderates für die Beurteilung der Baupolizeifälle zuständig, die Ausführung ist der Bauverwaltung überlassen. Bei Bauabnahmen ist überall die Selbstdeklaration der Normalfall, bei den Gemeinden muss ein Anfangsverdacht vorliegen, damit genauere Kontrollen durchgeführt werden können. Wie genau und regelmässig Kontrollen erfolgen, scheint ein heikles Thema zu sein. Das wird sehr unterschiedlich gehandhabt. Die Ressourcen der Verwaltungen seien zudem beschränkt. Organisatorische Anpassungen wie in Adelboden sind derzeit in Frutigen nicht vorgesehen. Reichenbach hat diese abgeklärt und sich dagegen ausgesprochen, da die Zuständigkeiten klar geregelt seien. Künftig könnte eine regionale Bauverwaltung neue Voraussetzungen auch in Bezug auf das Personal schaffen. Eine Arbeitsgruppe der Gemeinden klärt derzeit die nötigen Grundlagen ab, entschieden ist aber noch nichts. Die nächste Bilanz der laufenden Verfahren muss trotzdem am 30. September im Statthalteramt vorgelegt werden.