Grosse Verluste trotz des guten Verleihgeschäfts
13.04.2021 Wirtschaft, TourismusIm Winter machen die Sportläden in der Region rund einen Viertel ihrer Jahresein nahmen. Der zweite Shutdown fiel ausgerechnet in den umsatzstärksten Monat Februar. Dies hat grosse Löcher in die Kassen gerissen. Wie hoch sind die Einbussen? Und was passiert mit den Winterkollektionen? ...
Im Winter machen die Sportläden in der Region rund einen Viertel ihrer Jahresein nahmen. Der zweite Shutdown fiel ausgerechnet in den umsatzstärksten Monat Februar. Dies hat grosse Löcher in die Kassen gerissen. Wie hoch sind die Einbussen? Und was passiert mit den Winterkollektionen?
YVONNE BALDININI
Röbi Hari von Hari Sport in Adelboden ist froh, dass der Bundesrat wenigstens das Vermieten von Material erlaubte. «Das gab einen Grundumsatz. Natürlich wäre ohne Lockdown viel mehr gelaufen», schränkt er ein. Der diesjährige Winter drückt gegenüber einem normalen mit einem massiven Umsatzrückgang auf das Budget des Sportartikelhändlers. Besonders fehlten ihm die ausländischen Gäste. Sie steuern sonst einen erheblichen Teil zu den Einnahmen des Ski- und Sportgeräteverleihs bei. Erschwerend für Hari: Die Engstligenalp, wo er ein Mietcenter betreibt, unterbrach während vier Wochen die Saison. Mit Kurzarbeit konnte er zwar Kosten senken. Zudem schwante ihm schon vorher nichts Gutes, er reduzierte deshalb seinen Personalbestand. Die Härtefallhilfe wertet Hari als «Tropfen auf den heissen Stein». Sie decke einen Teil der Fixkosten während der vierzig geschlossenen Tage. «Wir leben von der verkauften Ware. Der Winter-Minderumsatz bleibt trotzdem bestehen.»
Die Lieferanten sitzen im gleichen Boot
Hari tätigte vor ein paar Wochen einen Einkauf in Zürich. «Ich war fast der Einzige dort. Wie wir bleiben auch die Lieferanten und Produzenten auf ihrer Ware sitzen.» Den Grossteil seiner unverkauften Jacken, Ski oder Handschuhe legt der Adelbodner für die nächste Wintersaison zur Seite. Denn wegen der Corona-Situation behalten viele Produzenten ihre Kollektion bei oder ändern sie nur minimal.
Dies kommt auch Peter Gyger entgegen, dem Leiter Einkauf bei Oester Sport in Adelboden. So bestellt er etwa von einem bestehenden Winterjacken-Sortiment nur diejenigen Farben nach, die er nicht mehr am Lager hat. Bringen Lieferanten Neuheiten auf den Markt, kauft er diese trotzdem in bescheidenem Rahmen ein, um für die Kunden aktuell zu bleiben.
Der Lockdown und der rückläufige Skibetrieb trafen das grosse Sportgeschäft mit vier Standorten in Adelboden stark. «Wir erzielen von Mitte Januar bis Ende Februar jeweils rund einen Drittel unseres Jahresumsatzes. Just in dieser Zeit waren alle Betriebe geschlossen oder durften nur die Vermietung anbieten», erläutert Gyger. Genaue Zahlen zum Rückgang haben die Verantwortlichen noch nicht zusammengetragen. Dieser sei jedoch beträchtlich. Anstatt der üblichen Betriebsferien bleibt Oester Sport in der nun folgenden Zwischensaison geöffnet. «Wir wollen bereit sein, wenn die Berge wieder als beliebtes Ausflugsziel rufen», so Gyger. Obwohl bei den Sportgeschäften auf einigen Artikeln der Hinweis «Sale» prangt, vermelden die Fachhändler einhellig, ihre Margen wo immer möglich halten und ruinöse Preisnachlässe vermeiden zu wollen.
«Die schwierigste Zeit in meinem Beruf»
Auch Beat Zürcher, Inhaber von Zürcher Sport in Frutigen, verzichtet auf überbordende Schnäppchenangebote. «Wir haben bereits in den letzten Jahren durch den starken Franken, fehlende Gruppen oder die Entwicklung des Onlinehandels einiges von unseren Reserven aufgebraucht.» Während der Pandemie fehlten ihm vor allem die Skilager sowie die deutschen und holländischen Wintersportler. Trotz einer Steigerung beim Schlitten- und Langlaufverleih verlor Zürcher wegen der Schliessung im Februar rund die Hälfte der üblichen Mietumsätze. Weiter spürte er, dass sich dieses Jahr weniger Menschen auf den Pisten tummeln – offenbar eine Folge des schwächeren Saison-Skipass-Verkaufs. «Trotz allem dürfen wir von Glück sprechen: Unsere Skigebiete mussten wenigstens nie schliessen», meint der Frutiger.
Im Februar erzielte sein Sportgeschäft 60 Prozent weniger Umsatz als im Vorjahr. «Im ganzen Winter büssen wir über einen sechsstelligen Frankenbetrag an Verkaufserlösen ein», analysiert Zürcher nüchtern. Das hole er im Sommer nie mehr auf. Zudem sei die Härtefallhilfe-Anmeldung kompliziert. Müsse sie ein Treuhänder übernehmen, stelle sich die Kosten-Nutzen-Frage.
Bekleidung für die nächste Saison hat der Fachhändler schon im Januar bestellt. «Es ist wohl die schwierigste Zeit in meinem Beruf. Fragen wie die folgenden kann niemand beantworten: Kommen die Wintersportler und insbesondere die ausländischen Gäste zurück? Bleibt das Schweizer Skivolk nächstes Jahr wieder in der Heimat – oder lockt die Ferne?»
Kandersteg: Schneelage wichtiger als Schliessung
Für alle Läden gilt: Wenn sie öffnen durften, liefen die Verkäufe sehr gut. Besonders beliebt waren Langlauf-, Tourenund Schneeschuhausrüstungen sowie Outdoorbekleidung – vor allem in Kandersteg. Der frühe Schnee und der Langlaufboom, der bereits vor der Pandemie begonnen hatte, bescherte Grossen Sport bis vor der Schliessung sehr gute Einnahmen. In anderen Jahren vermieste ein grüner Dezember das Langlaufgeschäft.
Mitinhaberin Svenja Grossen und ihr Team waren im Februar-Lockdown mit dem Verleih vollbeschäftigt. «Ich konnte das Personal weiter anstellen. Während des ganzen Winters vermieteten und verkauften wir mehr als in vorherigen Jahren.» Nur im Ski-alpin-Bereich harzte es. Der schneereiche März half noch mit, das Lager etwas zu leeren. Positiv auf den Umsatz wirke sich auch die seit Oktober eröffnete zweite Filiale am Bahnhof mit besserer Lage aus. Neue Ware kaufen Grossens kaum ein.
Ebenso handhabt es Fredy Hari vom Schuhhaus Hari in Kandersteg. Die Schuhmode habe nicht extrem gewechselt, die übrig gebliebenen Stiefel und Moonboots seien zeitlos. Im letzten Frühling wollte er Winterschuhe für die kommende Saison anschaffen. Doch dann schlossen die Grossisten wegen des Lockdowns ihre Tore. «Für mich war es letztlich Glück im Unglück. Ich wäre sonst auf meinen Lagerbeständen sitzen geblieben», so Hari.