Auch nach 30 Jahren droht der Abriss
04.05.2021 RegionRAUMPLANUNG Ein aktuelles Urteil des Bundesgerichts hat weitreichende Auswirkungen auf Gebäude ausserhalb der Bauzonen. Wurden sie widerrechtlich erstellt, müssen sie auch nach Jahrzehnten noch rückgebaut werden.
MARK POLLMEIER
Wer beim Bauen trickst, kann damit ...
RAUMPLANUNG Ein aktuelles Urteil des Bundesgerichts hat weitreichende Auswirkungen auf Gebäude ausserhalb der Bauzonen. Wurden sie widerrechtlich erstellt, müssen sie auch nach Jahrzehnten noch rückgebaut werden.
MARK POLLMEIER
Wer beim Bauen trickst, kann damit durchkommen. Wird der Rechtsverstoss 30 Jahre lang nicht beanstandet, darf das illegal errichtete oder ausgebaute Gebäude stehen bleiben. Das allerdings gilt nur innerhalb der Bauzone – nicht ausserhalb. So hat es das Bundesgericht letzte Woche in einem Urteil klargestellt (Aktennummer 1C_469/2019).
Ein Werkhof als Ausgangspunkt
Bisher war man davon ausgegangen, dass sich die 30-Jahres-Frist auch auf illegale Bauten ausserhalb der Bauzone anwenden lässt, etwa in der Landwirtschaftszone. Dies haben die Lausanner Richter nun verneint. Baurechtsverstösse ausserhalb der Bauzone «verjähren» nicht. Die Konsequenz: Auch nach mehr als drei Jahrzehnten muss ein illegales Gebäude zurückgebaut werden.
Dieses Schicksal blüht nun einem Werkhof im luzernischen Neuenkirch, den ein Bauunternehmer einst in der Landwirtschaftszone errichtet und nach und nach erweitert hatte. Heute umfasst das Areal 14 Gebäude wie Schuppen und Unterstände, dazwischen werden Baumaterialien, Container und Gerüstelemente gelagert.
Das Problem: Die Anbauten waren grösstenteils ohne Bewilligung errichtet worden. Als der Rechtsverstoss auffiel, ordnete die Gemeinde den Rückbau einiger Gebäudeteile an. Dabei zeigte man sich allerdings kulant: Einige der ältesten Bauten aus den frühen 1980er-Jahren sollten stehen bleiben, da für sie die 30-jährige Verwirkungsfrist gelte.
Doch zwei private Beschwerdeführer aus der Nachbarschaft zogen den Fall über das Kantonsgericht bis ans Bundesgericht weiter – und bekamen dort recht. Einer der wichtigsten Gründe für den Entscheid: Seit 1972, als die Trennung von Bauzonen und Nicht-Bauzonen eingeführt wurde, herrsche juristische Klarheit, was erlaubt sei und was nicht. Der Neuenkirchner Gemeinderat habe hier keinen Spielraum, das Areal mit Blick auf den Sempachersee müsse geräumt werden. Und das heisst: Rückbau.
Die Behörden kennen «ihre» Fälle
Das Urteil hat weitreichende Bedeutung über den aktuellen Fall hinaus. Obwohl die Rechtslage seit Langem klar ist, stehen schweizweit noch immer über 20 Prozent aller Gebäude ausserhalb der Bauzone, die meisten in der Landwirtschaftszone. Rund 600 000 Bauten sind es insgesamt, Tendenz steigend. Gerade im Berggebiet könnte auf die Gemeinden nun einige Arbeit zukommen. Denn wenn die Frist von 30 Jahren ausserhalb der Bauzone nicht mehr gilt, dürfte sich die Zahl der illegalen Gebäude schlagartig vergrössert haben.
Beim Bundesamt für Raumentwicklung (ARE) hat man den Fall Neuenkirch aufmerksam verfolgt und begrüsst die jüngste Klarstellung durch das Bundesgericht. Nachdem es ausserhalb der Bauzone keine 30-jährige Verwirkungsfrist mehr gebe, müssten die Kantone nun ihre Praxis ändern. «Meistens wissen ja die Behörden schon, wo sich welche illegalen Bauten befinden. Und da müssen sie nun dranbleiben», sagte Thomas Kappeler, Leiter der Sektion Recht beim ARE, gegenüber Radio SRF.
Maiensässe im Fokus
Beobachtet hat man den Rechtsstreit vor allem in den Gebirgskantonen. Man müsse nun eine Bestandsaufnahme machen, wie viele Bauten von dem Urteil betroffen sein könnten, sagte Fadri Ramming, Generalsekretär der Regierungskonferenz der Gebirgskantone. Eine konkrete Zahl zu nennen, sei derzeit nicht möglich. «Aber die Maiensässe und Rustici stehen sicher am stärksten im Fokus», so Ramming in einem SRF-Radiointerview.