Vor zwei Jahren wurde das revidierte Energiegesetz von den StimmbürgerInnen abgelehnt. Doch das Thema war damit nicht vom Tisch: Noch immer gilt es, die Vorgaben des Bundes umzusetzen. Nun wagt die Kantonsregierung einen neuen Anlauf.

MARK POLLMEIER
Die Abstimmung Anfang 2019 ging knapp aus: 50,6 Prozent sagten damals Nein zum neuen Energiegesetz des Kantons Bern. Jahrelange Vorarbeiten und ein hartes Ringen im Parlament hatten sich nicht ausgezahlt.

Zum Scheitern der Vorlage hatte vor allem ein Thema beigetragen: die Ölheizung. Sie wäre mit dem revidierten Gesetz zwar nicht verboten worden. Doch die Nutzung fossiler Brennstoffe wäre fortan an Bedingungen geknüpft gewesen, etwa eine bessere Gebäudedämmung oder einen gewissen Anteil erneuerbarer Energie. Hausbesitzer fürchteten Mehrkosten, Mieter höhere Ausgaben – am Ende reichten diese Sorgen wohl, um das Energiegesetz zu verhindern.

Doch der Kanton hat keine Wahl. Er muss mit seinem Energiegesetz die Ziele verfolgen, die in der nationalen Energiestrategie 2050 festgeschrieben sind: Der CO2-Ausstoss muss verringert, der Anteil erneuerbarer Energien erhöht werden. Die Energiestrategie 2050 hatte die Schweizer Stimmbevölkerung im Jahr 2017 mit 58,2 Prozent gutgeheissen.

70 Prozent wollten einen neuen Versuch
Ob der Wille zur ökologischen Veränderung grundsätzlich noch vorhanden ist, liess der Regierungsrat in einer «Nachanalyse Energiegesetz Kanton Bern» abklären. Ergebnis: Mehr als zwei Drittel der Befragten wünschten sich eine Neuauflage des Energiegesetzes. Selbst von den Gegnern der 2019er-Vorlage befürworteten die meisten einen neuen Anlauf – allerdings mit stärkerem Fokus auf Anreize statt auf strenge Vorschriften. Ausserdem wurde der Wunsch nach mehr Mitsprache geäussert, nach runden Tischen mit allen Beteiligten.

Viele Gemeinden sind schon jetzt Vorbild
Nun liegt eine überarbeitete Fassung des bernischen Energiegesetzes vor. Wie die Kantonsregierung letzte Woche mitteilte, hat sie die Neuversion zuhanden des Grossen Rats verabschiedet. Zuvor hatte der Regierungsrat noch auf die Rückmeldungen aus der Vernehmlassung reagiert und einige Passagen im Gesetz «entschärft». So war ursprünglich vorgesehen, die Gemeinden bei ihren Gebäuden auf den Minergie-P-Standard zu verpflichten. Doch einige Gemeinden sowie der Verband Bernischer Gemeinden (VBG) kritisierten dieses Vorhaben. Es stelle einen Eingriff in die Gemeindeautonomie dar. Der Kanton reagierte und strich diesen Passus aus dem Gesetz. Wirtschafts-, Energie- und Umweltdirektor Christoph Ammann wies in diesem Zusammenhang jedoch darauf hin, dass viele Gemeinden schon jetzt ihre Vorbildfunktion wahrnähmen und den Minergie-P-Standard schon jetzt erfüllten.

Auch in Bereichen, die eher Privatpersonen betreffen, machte der Regierungsrat Zugeständnisse. Auf ein Verbot oder Quasiverbot von Gas- und Ölheizungen wurde diesmal verzichtet. Stattdessen setzt man nun, wie von Kritikern gefordert, verstärkt auf Freiwilligkeit und Anreize. Schon kurz nach der Abstimmung 2019 hiess der Grosse Rat einen Vorstoss der BDP gut, nach dem der Wechsel zu nachhaltigeren Heizmethoden deutlich stärker subventioniert wird. Die Massnahme scheint Wirkung zu zeigen: Seit dem Inkrafttreten im Juli 2019 ist die Zahl entsprechender Gesuche sprunghaft angestiegen. Bis Ende 2020 wurden rund 5000 solcher Subvetionsanträge eingereicht. Zum Vergleich: Im Kanton Bern gibt es derzeit rund 90 000 Ölheizungen.

Solar: «Gut geeignete» Dächer nutzen
Angepasst wurde der neue Gesetzestext auch bei den Grundsätzen für die Solarenergienutzung. Im Entwurf hatte es geheissen, dass bei neuen Gebäuden die geeignete Dachfläche grundsätzlich komplett mit Photovoltaikanlagen ausgerüstet werden müsse. Diese Formulierung wurde abgeschwächt: Nun müssen Solaranlagen nur bei «gut geeigneten» Dachflächen installiert werden und auch nur, soweit dies «technisch und wirtschaftlich sinnvoll» ist. Regierungsrat Amman will diese Änderung jedoch nicht als Freifahrtschein verstanden wissen, sondern als Ausnahmeregelung. Gedacht werde etwa an komplizierte Dachformen auf schwer zugänglichen Altstadthäusern.

Insgesamt scheint der neue Entwurf nun besser anzukommen als die Vorlage von 2019. «Mit diesen Anpassungen ist das Gesetz einen grossen Schritt weiter und noch breiter abgestützt», so der Regierungsrat. Das Parlament wird das teilrevidierte Gesetz in der Herbst- und Wintersession behandeln.

Regierungsrat macht Zugeständnisse

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